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Er ist ein unbedeutender Mann. Mylord Shaftesbury, abgesehen von seiner Kraft und seinem ungewöhnlichen Feuer .«

»Hat er Kraft? Hat er Feuer?«

»Wenn er sie zu zeigen geruht, ei, gewiß! Laß dich warnen, Nick! Außerdem ist er ein älterer Mann, und seine Säfte sind voller Gift von dem Loch in seiner Seite. Er würde über eine Herausforderung lachen. Nun will ich dir noch den allerbesten Grund nennen, warum du ihn jetzt nicht attackieren kannst!« George deutete mit dem Finger auf das obere Stockwerk des Wirtshauses.

»Er ist von fünfzig Degen umringt. Im Hause wimmelt, es schon von Dolchen, glaube ich. Man wird dich nicht einmal in seine Nähe lassen.«

»Keine Sorge! Wir werden schon in seine Nähe gelangen.« Die Sonne schien jetzt strahlend von Himmel, und der Wind hatte sich gelegt. Aus den unzähligen, in Dunst gehüllten Schornsteinen auf den schrägen Dächern strömte schwarzer Rauch kerzengerade in die Höhe und ließ einen schweren Regen von Ruß fallen. »Nun über die Straße«, sagte Fenton zu George, »solange sie frei ist.

Vorsicht - da ist der Scherenschleifer mit seinem Rad. So -jetzt rüber!«

Sie standen dann bei dem Gitterfenster, ein paar Schritte von der Tür des »Königshaupts« entfernt.

»Zum letztenmal, Nick«, schrie George, »du kannst ihm nicht mit dem Degen zu Leibe rücken.«

»Degen?« wiederholte Fenton. »Wer spricht denn von Degen? Ich habe nicht die Absicht, ihn zu zücken.«

»Du wolltest ihm doch - eine Lektion erteilen!«

»Allerdings. Bis ihm das Maul gestopft ist. Halt - die Trophäen!«

»Was für Trophäen?«

»Der Hut mit der grünen Bandschleife und das künstliche Gebiß. Du erzähltest mir doch, daß du sie mitgenommen hättest. Gib sie mir, bitte.«

George händigte sie ihm aus, und sein Gefährte stopfte beides in die linke Rocktasche.

Obgleich Fentons Gesicht unter der Bräune ein wenig blaß war, so blickten seine Augen doch leidenschaftslos wie die eines kalt urteilenden Richters.

»Kann ich«, sagte er, »obwohl ich selbst ein renommierender Lüstling bin, über Mylord Shaftesbury urteilen? Ja, ich glaube wohl. Denn ich kann einem Manne alles verzeihen, nur eins nicht: Treulosigkeit und Verrat. Und dieser aufgeblasene Bursche hat viermal sein Mäntelchen gewechselt.«

»Nick, Nick, das ist doch allgemein Sitte!«

»Bei mir nicht!«

»Nick, um Gottes willen!« Fenton stieß die Tür auf.

George folgte ihm mit gesenktem Kopf, als wollte er damit durch die Wand rennen. In dem Tohuwabohu, das sie umgab, erkannte zunächst niemand Sir Nick Fenton.

Es war ein großer Raum mit rauchgeschwärzten Wänden. In der Mitte der rechten Wand führte eine mit Geländer versehene Treppe nach oben. Lange schwarze Bänke, lange schwarze Tische, kleine Tische, kurze Bänke, Stühle und Schemel standen bunt durcheinander. Der Dunst von Bier, Wein und Spirituosen war fast sichtbar.

Hüte und Perücken nickten über ledernen Trinkgefäßen, Zinnkrügen, Flaschen und Tassen. Manche Gäste spielten Karten, erhoben sich dabei halb von ihren Plätzen, als wollten sie sich gegenseitig an die Kehlen springen. Unter der Treppe ertönte das Klappern eines Würfelbechers. Viele rauchten aus langen, geschweiften Tonpfeifen einen groben Tabak, der dicken Qualm verbreitete.

»Hier sitzt nur das Kroppzeug der Partei«, sagte Fenton. »Wir wollen gleich nach oben gehen.« Doch George zupfte ihn am Ärmel.

»Sieh mal!« murmelte er mit vor Staunen geweiteten Augen. »Da drüben, gerade links von der Tür!«

Links von der Eingangstür saß, seitwärts zu ihnen gewandt, ein alter, sehr dicker Mann in schäbiger Kleidung an einem kleinen Tisch. Er hatte einen Bauch wie Bacchus, und seine gichtgeschwollenen Beine steckten in Schuhen mit breiten Schnallen. Sein Schädel war kahl bis auf einen Kranz von weißem Haar, das sehr gepflegt war und wie bei den alten Kavalieren bis auf die Schultern herabhing.

Von seiner linken Hüfte hing an drei altersgeschwärzten Lederriemen - Fentons Herz hüpfte vor Freude - ein alter Kavalierdegen mit Bechergriff. Und vor ihm auf dem Tisch.

»Das ist eine Zither«, flüsterte George Fenton ins Ohr. »Potz Blitz! Meg hat vorhin noch davon gesprochen. Der alte Herr ist.«

Nun, dachte Fenton, diese altmodischen Zithern gab es in meiner Jugend auch noch. Ich könnte sogar eine Melodie darauf spielen. »Verehrter Herr«, sagte er laut.

Der alte Mann zuckte zusammen. Plötzlich kam Leben in sein breites, vom Trunk verfärbtes Gesicht. Seine Augen verloren den trüben Schimmer, und sein Gesicht erstrahlte in einem Lächeln, das vielleicht sogar Mylord Shaftesburys Herz erwärmt hätte. Und seine geschwollenen Finger glitten über die Saiten der Zither und zupften eine Melodie, die in dem Stimmengewirr kaum einen Meter weit zu hören war.

»Stoßt an auf das Wohl Seiner Majestät! Vivat hoch und heisa juchhei! Auf daß seinen Feinden es schlecht ergeht! Vivat hoch und heisa juchhei!«

Diese Worte kamen Fenton in den Sinn, und abermals klopfte sein Herz vor Freude bei dem Gedanken an Dinge, die er nie gesehen, aber lange verehrt hatte. Es war das Lied der Restauration.

»Du erinnerst dich ja wohl noch an >Mr. Reeve<«, sagte George in jovialem Ton zu Fenton. »Und wie oft er in dein Haus in Epsom kam, als Meg dort war? Mr. Reeve«, fügte George mit Bitterkeit hinzu, »gehört auch zu denen, die ihr Tafelgeschirr einschmolzen und das Gold für den verstorbenen König opferten. Unter Oliver wurden seine Güter verkauft, und selbst der Adelstitel wurde ihm gestohlen.«

»Und wer nichts von diesem Trinkspruch hält, dem wünsch' ich weder Leben noch Geld, nicht mal 'nen Strick zum

Bei Georges Worten verstummte die Zither allmählich. Mr. Reeves Gesicht wurde ausdruckslos. Er sprach mit gebrochener, aber immer noch kräftiger Stimme.

»Ach, lassen wir das«, protestierte er sanft, als seien ihm diese alten Geschichten zuwider.

Fenton zögerte, eine Frage zu stellen, weil er die Antwort kannte und fürchtete. Aber er konnte es sich nicht versagen. »Eure Güter und Euer Titel, Sir: wurden sie Euch bei der Restauration nicht zurückgegeben? Hat man Euch nicht entschädigt?«

»Mein lieber Junge, das ist schon fünfzehn Jahre her!«

»Aber, Sir, habt Ihr denn nicht mit dem neuen König gesprochen und Eure Petition eingereicht wie alle anderen?«

»Nu-un«, sagte Mr. Reeve mit einer schüchternen Geste, »ich bin allerdings nach Whitehall gegangen. Aber so viele scharten sich um den König! Und zweifellos mit besseren Ansprüchen als ich. Und dann waren alle die anwesend, die wir die selbstsicheren jungen Mannen nannten - so geschniegelt und gestriegelt, daß ich mich schämte.«

Mr. Reeve schüttelte den Kopf, so daß die weißen Locken auf den Schultern seines zerschlissenen Rockes zitterten. »Ich muß Euch gestehen«, bekannte er, »daß ich dieselben Sachen trug wie jetzt. Ich habe nun achtzig Jahre auf dem Buckel, und schon damals war ich ein alter, heruntergekommener Kavalier ohne Geld und ohne Kleider. Hätte ich mich Seiner Majestät genähert, würden sie mich verhöhnt haben. Also schlich ich mich davon -wie ich es nie auf dem Schlachtfeld getan habe -, ohne meine Petition präsentiert zu haben.«

»Und seid Ihr niemals wieder am Hof gewesen?«

Ein schlauer, durchdringender Blick trat in Mr. Reeves Augen, als er schmunzelnd sagte:

»Kommt, ich werde Euch mit gleicher Münze heimzahlen. Wie ich höre, seid Ihr einer der hitzigsten Anhänger der Hofpartei. Kennt Ihr Seine Majestät?«

Zwei Zeilen in Giles' Manuskript kamen Fenton zu Hilfe. »Ich . ich bin ihm im Park begegnet und habe vor ihm eine Verbeugung gemacht. Er hat den Gruß aufs höflichste erwidert.«