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Fenton, dem abermals der Schweiß auf der Stirn ausbrach, überlegte scharf, ob der Vorschlag einen Haken haben könnte. Doch er fand keinen. Während eines Wutanfalls von zehn Minuten, das gab er zu, konnte man großen Schaden anrichten. Aber seine anderen, bereits akzeptierten Bedingungen schützten ihn ja vor jeglichem Harm. Sie waren wie schwere, nach langer Überlegung eingehämmerte Nägel, die die Tür gegen den Teufel verschlossen.

Außerdem: er sollte in heftige Wut geraten? Er, Nicholas Fenton? Eine Unverschämtheit!

»Nun?« fragte der Besucher in schmeichelndem Ton. »Einverstanden?«

»Einverstanden!« erwiderte Fenton barsch. »Prächtig! Dann brauchen wir nur noch den Pakt zu besiegeln.«

»Hm - ich überlege gerade«, begann Fenton, setzte aber hastig hinzu: »Nein, nein! Keine weitere Bedingung! Ich wollte bloß eine Frage stellen.«

»Mein lieber Freund!« gurrte der Besucher. »Fragt nur immerzu.«

»Es verstieße sicherlich gegen die Regeln, wenn ich den Lauf der Geschichte ändern würde. Vielleicht liegt es sogar außerhalb Eures Machtbereichs, mir diese Möglichkeit zu geben?« Die Woge, die jetzt auf ihn zuströmte, ließ auf kindliches Vergnügen schließen.

»Die Geschichte könntet Ihr überhaupt nicht ändern«, erklärte der Besucher einfach.

»Wollt Ihr allen Ernstes behaupten«, beharrte Fenton, »daß ich mit allen Hilfsmitteln des zwanzigsten Jahrhunderts, mit eingehendster Kenntnis aller geschichtlichen Daten nicht den politischen Ereignissen eine andere Wendung geben könnte?«

»Oh, Ihr könnt vielleicht hier und da ein paar unwesentliche Einzelheiten ändern«, gab der Besucher zu. »Besonders in häuslichen Angelegenheiten. Aber was Ihr auch tun würdet, das Endergebnis wäre genau dasselbe. Es steht Euch indes völlig frei«, setzte er höflich hinzu, »Euch zu versuchen.«

»Das werde ich tun!«

Damit war der Teufel gegangen, ebenso unzeremoniell, wie er gekommen war. Nicholas Fenton hatte Zeit genug, um sich hinzusetzen und seine Nerven mit einer Pfeife Tabak zu besänftigen, ehe Mary erschien.

Als er Mary diese Unterhaltung in allen Einzelheiten mitgeteilt hatte, schwieg sie eine ganze Weile.

»Dann haben Sie Ihre Seele also doch verkauft«, sagte sie schließlich, und es war eher eine Feststellung als eine Frage. »Meine liebe Mary! Hoffentlich nicht.«

»Aber gewiß!«

Fenton fühlte sich ein wenig beschämt. Es kam ihm vor, als sei seine Taktik unfair gewesen, selbst gegen den Vater alles Bösen. »Tatsächlich«, begann er zögernd, »hatte ich sozusagen ... hm ... noch einen Trumpf in Reserve, mit dem ich ihn letzten Endes schlagen werde. Nein, fragen Sie bitte nicht danach.« Unvermittelt erhob sich Mary.

»Ich muß gehen«, erklärte sie. »Es ist schon spät, Professor Fenton.«

Fenton fühlte auf einmal Gewissensbisse. Er durfte das Kind nicht nach zehn Uhr bei sich behalten, sonst würden sich ihre Eltern beunruhigen. Er begleitete sie zur Haustür. »Was halten Sie von meinem Plan?« fragte er. »Vor einer Weile schienen Sie ihn zu billigen.«

»Ja«, flüsterte Mary. »Das tue ich auch jetzt noch!«

»Na, und?«

»Sie sehen den Teufel«, entgegnete sie, »als eine Kombination des liebenswürdigen Philosophen und des grausamen, naiven kleinen Jungen: ich meine, genau wie eine Person des späteren siebzehnten Jahrhunderts.«

Damit rannte sie die wenigen niedrigen Stufen zur Pall Mall hinunter und ließ Fenton in der feuchten, regnerischen Nacht an der offenen Tür zurück. Sein altes Rheuma begann ihn zu quälen. Er schloß rasch die Tür und kehrte in den trüben Salon zurück. Sollte er jetzt zu Bett gehen? Fenton wußte, daß er nicht schlafen könnte. Aber damit hatte er gerechnet. Er hatte sich ein starkes Schlafmittel besorgt. Sorgfältig goß er sich das eine Glas Whisky ein, das er sich jeden Tag gestattete. Dem Whisky fügte er eine reichliche Dosis des Mittels bei. Er nahm in einem bequemen Sessel Platz, lehnte sich behaglich zurück und trank die Mischung. Die Wirkung machte sich sehr rasch bemerkbar. Die Umrisse begannen zu verschwimmen.

Und das war alles, worauf er sich besinnen konnte, als er mitten in der Nacht - es mochte auch früh am Morgen sein - hinter den zugezogenen, ihn halb erstickenden Bettvorhängen wach wurde. »Seltsam!« murmelte er vor sich hin. »Was für ein merkwürdiger Traum! Ich muß das Mittel viel früher am Abend getrunken haben, als ich mich jetzt erinnern kann.«

Mechanisch strich er sich über den Kopf. Seine Hand erreichte den Nacken, hielt inne, tastete sich wieder zurück und verharrte völlig regungslos. Selbst seine letzten, über den Schädel gebürsteten Haarsträhnen waren jetzt verschwunden. Er war geschoren wie ein Zuchthäusler.

Jedoch nicht ganz kahlgeschoren. Kurze, borstige Stoppeln bedeckten den ganzen Kopf.

Fenton richtete sich kerzengerade im Bett auf und stellte fest, daß er zum ersten Male seit sehr vielen Jahren seinen Pyjama nicht angezogenen hatte, daß er gar nichts trug. »Nanu!« sagte er leise. Er rollte auf die linke Seite - die Bettlaken erschienen ihm merkwürdig rauh und grob - und kam mit den Bettvorhängen in Berührung.

Er schlug die Bettdecken zurück, schob die Leinen vorhänge beiseite, daß die Holzringe klapperten, und schwang die Füße über die Bettkante. Er mußte seinen Kneifer auf dem Nachttisch finden und sich dann am Tisch vorbeitasten, bis er den Lichtschalter an der Tür erreichte.

Statt dessen machte er eine seltsame Bewegung. Mechanisch fühlte er am Bettrand entlang, bis er auf etwas stieß, was sein Unterbewußtsein an dieser Stelle vermutete: ein lockeres, langes Gewand aus wattierter Seide mit Pelzbesatz an Kragen und Ärmeln. Der Schlafrock, ja. Unwillkürlich zog er ihn an und machte dabei eine Entdeckung, die ihn aufrüttelte. Seine ganze Figur, bis dahin lang und hager, war jetzt völlig verändert. Er hatte einen gewölbten Brustkasten, starke, muskulöse Arme, aber einen flachen Bauch. Doch seine Beine waren nicht lang genug, um den Boden zu erreichen.

Der Kehle von Nicholas Fenton, Professor der Geschichte an der Universität Cambridge, entrangen sich rein tierische Laute, die tiefer und kräftiger klangen als sein gewöhnlicher heller, feiner Bariton. Er wußte nicht einmal, ob er gesprochen hatte oder ein anderer.

Eine wilde Panik bemächtigte sich seiner. Er fürchtete sich vor der Dunkelheit, vor sich selber, vor unbekannten Urgewalten. Er hätte schreien mögen. In Schweiß gebadet saß er da, während seine Beine grotesk über dem Boden baumelten wie über einem Abgrund.

»Spring!« schien eine gewaltige Stimme zu rufen. »Hurer, Wüstling, Spielteufel, spring!«

Fenton sprang und stieß hart mit den Füßen auf. »Wo bin ich?« rief er zurück. Und dann: »Wer bin ich?«

Niemand antwortete ihm.

Alle Vorhänge mußten dicht vor den Scheiben hängen, so intensiv war die Dunkelheit. Fenton schwankte ein wenig. Sein nackter rechter Fuß berührte einen Gegenstand, der sich wie ein alter Pantoffel aus sehr hartem Leder anfühlte. Er tastete weiter und entdeckte einen zweiten; er zog das Paar an.

Der ganze Raum war von einem unangenehmen, durch die Schwüle verstärkten Geruch durchdrungen. Was wollte er doch noch suchen? Ach ja, seinen Kneifer und den Lichtschalter. Wenn aber.

Er klammerte sich zur Orientierung an den Bettvorhang und tastete sich nach dem Kopfende. Ja, dort stand irgendein Tisch an der Wand. Er streckte die Hand aus und berührte menschliches Haar. Diesmal drängte es ihn nicht, laut aufzuschreien. Er wußte natürlich, was er berührt hatte. Es war die große Perücke mit ihren schweren, langen Locken. Sie ruhte auf dem hohen Perückenstock, bereit für die Morgentoilette.

Fenton nickte vor sich hin. Wenn die Perücke da war, mußte auch noch etwas anderes vorhanden sein. Seine Finger glitten zur rechten Seite und stießen auf ein großes, mehrfach gefaltetes Seidentuch.

Einem Impuls folgend, nahm er es rasch an sich, schüttelte es auf und band es sich - mit überraschender Geschicklichkeit im Hinblick auf seine zitternden Hände -in Form eines flachen Turbans um den Kopf. Seine intensiven Studien hatten ihn gelehrt, daß jeder Mann von Stand auf diese Weise seinen geschorenen Kopf verhüllte, wenn er en deshabille im Haus herumschlenderte. Obgleich er sorgfältig über den Tisch tastete, konnte er seinen Kneifer nicht finden. Indem er vorsichtig an dem Tisch entlangging, kam er zu der schlecht in den Rahmen passenden Tür. Daneben an der Wand war kein Lichtschalter. An der Tür selbst entdeckte er nicht einmal einen Porzellanknopf; nur eine hölzerne Klinke, die wie eine Klaue geformt war.