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»Ei ja, am nächsten Tag. Hab's ganz vergessen, dir zu sagen. Du erinnerst dich wohl noch an diese Memme, diesen bemalten Riesen, diesen Schmarotzer, Captain Duroc, dem du eine solche Ohrfeige versetztest, daß er über das Geländer sauste und die Treppe hinunterfiel. Nun, der Zapfkellner hatte recht. Der Mann hatte sich in der Tat das linke Bein gebrochen und liegt seitdem immer noch bei dem Wundarzt in Brettern und Verbänden, tobend und fluchend, aber noch nicht geheilt.«

»Und Meg?«

»Meg sitzt allein in seiner Wohnung - eine feine Wohnung, wie ich höre, mit einer Madam Soundso als Anstandsdame - und freut sich ihres Lebens. Ich schickte ihr ein paar Zeilen und bat, ja, flehte um eine Unterredung. Sie aber erwiderte, daß sie nur einen Mann zu empfangen bereit sei.«

»Captain Duroc?«

»Nein, dich«, knurrte George, und seine Miene verfinsterte sich. Wenn er nicht eine so ehrliche Haut gewesen wäre, dachte Fenton, hätte George ihn vielleicht gehaßt. »Ich werde nicht mehr um sie herumscharwenzeln«, fuhr George fort. »Es sind tausend leichte Mädchen zu haben, wenn man ihnen ein hübsches Haus mietet und ein paar Kleider schenkt. Aber, Nick, Nick! Laß dir einen Rat geben!«

»Ich bin begierig, ihn zu hören, George.«

»Du bist so übermäßig verliebt in Lydia! Du verbringst so viel Zeit mit ihr im Bett, daß es ein wahres Wunder ist, daß du noch die Kraft hast, ein Messer bei Tisch zu halten. Ich will nichts gegen Lydia sagen, aber hüte dich vor deinen Feinden. Mylord Shaftesbury wird die Stadt verlassen, aber nicht für immer. Du verlierst mitunter deinen Verstand, wie ich soeben mit meinen eigenen Ohren gehört habe. Sieh zu, daß du nicht auch dein Geschick im Degenfechten einbüßt.« Und George stapfte schnaubend davon. »Dein Geschick im Degenfechten.«

Fenton war sich der lauernden Gefahren durchaus bewußt, und ein Gedanke spukte ihm dauernd im Kopf herum: er war es nicht gewohnt, mit einem richtigen Degen umzugehen. Früher oder später mußte er kämpfen. Wie lange würde ihm seine allerdings gründliche Erfahrung mit einem federleichten Florett gegen eine schwerere, von geschickter Hand geführte Waffe helfen? Das mußte er ausprobieren.

Daher ließ er sich am selben Abend, als er an der Mauer seines Hintergartens stand und auf den Park hinausblickte, Giles Collins herbeiholen.

Wenn ich mich nicht darauf verstehe, dachte Fenton, muß ich es irgendwie lernen. Irgendwie!

Der Garten war sehr breit und lang und hatte kurzgeschnittene Rasenflächen. Von den Stallungen war er durch hohe Eibenhecken getrennt. Ein schattiger Pfad führte draußen an der Mauer entlang, und von dort senkten sich grasbedeckte Terrassen zu dem rötlichgelben Fahrweg der Mall.

»Ihr wünschtet mich zu sehen, Sir?« ertönte Giles' Stimme hinter ihm.

Fenton fuhr leicht zusammen und drehte sich um. »Aus gewissen Bemerkungen, die du geäußert hast, Rotkopf«, sagte Fenton, »möchte ich wohl schließen, daß du ein guter Degenfechter bist oder warst. Stimmt's?«

»Sir, ich zählte mich - und tue es auch heute noch - zu den besten Fechtmeistern.«

»Das ist gut. Denn ich habe im Sinn, mir ein wenig Übung zu verschaffen.«

In Giles' Augen erschien ein freudiges Leuchten, das aber sehr bald wieder erlosch.

»Sir, das hat schon mancher erwogen. Aber es läßt sich schlecht durchführen. Wenn man große Korke auf die Degen steckt, so fliegen diese beim Fechten ab oder werden von der Spitze durchbohrt. Macht man die Spitze stumpf, indem man sie mit recht viel weichem Material umwickelt und dieses festleimt, dann wird das Spiel schlecht und schwerfällig. Ein hölzerner Degen .«

»Was meinst du zu einem Brustharnisch?« erkundigte sich Fenton.

»Brustharnisch?«

»Ja! Es sind doch gewiß noch viele alte Brustharnische in der Rumpelkammer vorhanden. Allerdings dürfen wir nur auf die Fläche zwischen Schultern und Taille stoßen, doch .«

»Bei Gott, Sir, hört auf damit!« rief Giles ein wenig erregt. »Ganz abgesehen davon, daß die Spitze sich abstumpfen oder der Degen an der Stahlplatte gar zerbrechen könnte .«

»Dann schleifen wir eine neue Spitze oder kaufen eine neue Klinge!«

»Nein, Sir, das ist nicht das Schlimmste. Die Klinge kann beim Auftreffen abrutschen. Selbst wenn wir eine Halsberge tragen« - hier fuhr sich Giles nervös mit dem Finger über die Kehle -, »mag die Spitze nach oben in die Kehle oder ins Gesicht dringen. Oder in den Arm. Oder« -hier zogen sich seine Mundwinkel melancholisch herab -»gar nach unten, mit dem allerunseligsten Resultat.«

»Giles, ich befehle dir, hol die Brustharnische! Ich habe hier meinen Clemens-Hornn-Degen; wähle du dir von meinen Klingen irgendeine, die dir gefällt.«

Giles zögerte ein wenig, dann aber verbeugte er sich und eilte davon. Sie entdeckten bald mehrere leidlich saubere und polierte Brustharnische, die ihnen paßten.

Unter dem allmählich verblassenden gelben Abendhimmel stand Giles mit dem Rücken zu der hohen, dichten Hecke, die den Stallhof einfriedete. Die glänzende Brustplatte wirkte auf Giles' dunkler Kleidung reichlich grotesk. Er hatte eine ebenso lange und schwere Klinge gewählt wie Fenton, nur besaß seine Klinge ein rundes, gewölbtes Stichblatt aus feingeschmiedetem Stahl. Der kurzgeschnittene Rasen unter ihren Füßen war fest. Kein Laut war zu hören, nicht einmal vom Stallhof her. Auf einmal ertönte Giles' Stimme, mit einem seltsam scharfen Klang, den Fenton noch nie darin vernommen hatte.

»Sir, ich möchte Euch warnen. Von dem Augenblick an, wo wir fechten, sind wir nicht mehr Herr und Diener. Ich werde unbarmherzig zustoßen, sooft ich kann.«

Fenton spürte eine große Trockenheit in der Kehle, und sein Herz schlug heftiger als in dem Augenblick, wo er Mylord Shaftesbury gegenüberstand. »Topp!« sagte er.

Es gab noch keinen formalen Fechtgruß mit Kreuzen der Klingen. Die Kämpfer gingen mit tastenden Degen aufeinander zu. Giles, der sehr rasch auf den Füßen war, machte sofort einen Ausfall, und zwar eine niedrige Terz. Als Fenton die Klinge dicht an seinem Stichblatt abfing und mit der Hand nach links fegte, gab er seinem Handgelenk ganz mechanisch eine kleine Wendung, um Giles' Klinge weiter fortzuschlagen. Dann kam Fentons Gegenstoß, eine Quart, in die Herzgegend.

Die Spitze traf mit dumpfen Laut auf Stahl, und zwar genau auf den Punkt, den er gewählt hatte. Gleichzeitig bog sich seine Klinge und glitt seitwärts ab, ohne jedoch Giles' Arm zu berühren. Fenton hatte kaum Zeit, den Gegenstoß zu parieren.

Nicht übel, dachte er. Gar nicht übel. Ruhig Blut! Auf Giles' Harnisch hatte er in Gedanken eine Reihe von Punkten gemalt, die zusammen die Gestalt eines X abgaben. Er kämpfte in vorschriftsmäßigem Stil, nicht so nahe am Gegner wie Sir Nick. Er holte tief Atem und ging zum Angriff über. Fünfzehn Minuten später, als das Licht so trübe geworden war, daß das Spiel gefährlich wurde, senkten beide den Degen und setzten sich hin. Sie hatten in kurzen, scharfen Gängen gefochten mit kleinen Atempausen dazwischen. Aber Giles war sehr blaß und keuchte; neue Linien schienen sich tief in sein Gesicht geschnitten zu haben.

Fenton war zwar nicht sehr außer Atem, aber vor Staunen so benommen, daß sich alles - das Gras, der ganze Garten - langsam um ihn zu drehen schien. Er konnte es immer noch nicht fassen. Giles Collins, ein höchst geschickter und gefährlicher Degenfechter, hatte nicht ein einziges Mal seinen Harnisch berührt, während er selbst mehr als die Hälfte der Punkte seines X haargenau getroffen hatte.

Das war phantastisch! In Gedanken hörte er immer noch den scharfen oder gleitenden Aufprall seiner Spitze. Dann fiel sein Blick auf Giles.

»Giles, Giles!« rief er voller Reue, als er Giles' Verfassung sah. »Ich habe ganz vergessen, daß du kein junger Mann mehr bist. Du mußt dich sofort auf dein Bett legen!«

»Pah!« erwiderte Giles höhnisch. Er hatte sich auf den Ellbogen gestützt, um wieder zu Atem zu kommen. »Sorgt nur für Euch selbst! Ihr habt bei mir kein Unheil angerichtet.« Fentons Gedanken bewegten sich im Kreise, wie sein Degen so oft den seines Gegners umkreist hatte.