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»Ei, ei«, ertönte Megs lockende Stimme hinter seiner Schulter. »Ihr wollt doch nicht schon wieder Wahnsinn simulieren?«

»Aber nein. Ich wollte nur sehen«-und er fuhr sich mit der Hand über das Kinn -, »ob ich schlecht rasiert sei.«

»Als ob mir das einen roten Heller ausmachte!« Ihre Stimme nahm einen anderen Tonfall an. »Lieb Herz, Ihr wollt doch nicht wirklich . Euren Lebenswandel ändern?«

»Wäre es Euch nicht nach dem Sinn?«

Er stellte die Kerze auf den Tisch und drehte sich um, so daß er ihr gegenüberstand und das matte Licht voll auf Meg York fiel. »Was andere Frauen angeht, sicherlich!« Ihr Gesicht war ein wenig gerötet, und ihre Stimme klang jetzt ernst, aber weich. »Ich habe Euch in den letzten beiden Jahren geliebt - ganz über alle Maßen geliebt! Ihr werdet mich doch nicht verlassen?«

»Könnte ich das?«

»Nu-un! Ich meine nur so .«, murmelte Meg. Während sie wie geistesabwesend zu Boden starrte, ließ sie ihr gelbes Neglige auseinanderfallen. Darunter trug sie nicht einmal ein Hemd.

Wie ein Würger bemächtigte sich Fentons ein brennendes Verlangen. Die Anziehungskraft, die von ihrem Körper ausging, machte ihn schwindeln. »So geht das nicht weiter«, dachte der Professor von Cambridge. Der Sessel mit der hohen Lehne stand hinter ihm. Mit so viel Würde, wie er aufzubringen vermochte, ging er darauf zu und ließ sich hineinfallen. Er hatte nicht mit seiner kürzeren Statur gerechnet und stieß infolgedessen unerwartet hart auf. Während der ganzen Zeit beobachtete Meg ihn durch halbgeschlossene Lider mit einem heimlichen Lächeln. »Ihrem tugendsam gewordener Weiberheld?« murmelte sie. »Oh, pfui!«

Dann verschwand ihr Lächeln, obgleich die Röte auf ihren Wangen blieb.

»Wie ich Euch schon sagte«, bemerkte sie, »war ich so ungemein vexiert, weil Ihr mich gegenüber dem Zimmer Eurer Frau untergebracht habt, was einen tosenden Skandal heraufbeschwört, falls wir entdeckt werden. Ich hätte Euch umbringen können! Aber ich hab's vergessen. Alles hab' ich vergessen. Warum sollten wir uns darum kümmern, was sie denkt?«

»In der Tat, warum?« fragte er mit heiserer Stimme.

Fentons Nerven zuckten wie ein Fisch an der Leine. Er sprang auf, und Meg streckte ihm ihre Arme entgegen. Aber er berührte die Frau nicht - jedenfalls nicht jetzt. Mit halbverglasten Augen warf sie einen Blick über ihre Schulter.

»Die Tür«, flüsterte sie. »Dummkopf, Ihr habt vergessen, die Tür zu schließen! - Horcht! Habt Ihr das vernommen?«

»Ein Geräusch!. Was macht's schon?. Ich .«

»Habt Ihr das Kratzen einer Zunderbüchse noch nie gehört?« forschte sie. Ihre Stimme war von Wut erfüllt, und sie stampfte heftig mit dem Fuß auf. »Meine teuerste Base, Eure Gemahlin, wird hier im Zimmer sein, ehe Ihr bis zehn zählen könnt. Bitte, setzt Euch doch!«

Später hatte Professor Fenton die vage Vorstellung, daß er Worte -Flüche des siebzehnten Jahrhunderts -gemurmelt hatte, die ihm, wie er glaubte, bisher unbekannt gewesen waren. Einen Augenblick glaubte er, daß Sir Nick von ihm Besitz ergreife, da sich sein Erinnerungsvermögen umnebelte. Aber er setzte sich hin, und Sir Nick verschwand. Er versuchte, sich auf rein theoretische Dinge zu konzentrieren. Wenn Meg ihre Zähne zeigte, waren sie so ebenmäßig und weiß wie die eines Hundes, obwohl nur die wenigsten Menschen dieser Zeit sich die Mühe machten, die Zähne gelegentlich mit einem Seifenstäbchen zu säubern. Zweifellos lag es am Kauen der groben Nahrung. Aber es ließ sich nicht leugnen, daß Megs Körper rein und weiß war in einem Zeitalter, wo. halt! Dies brachte seine Gedanken nur wieder zum Ausgangspunkt zurück. Klack! Eine Türklinke auf der anderen Seite des Flurs schnappte ein. Er sah den Schimmer einer Kerze und hörte das Rauschen von Taft, als jemand das Zimmer betrat.

»Teuerste Lydia!« säuselte Meg mit Augen voll kindlicher Unschuld, das Neglige wieder züchtig verschlossen. »Dies ist also die Frau«, überlegte Fenton, der es nicht wagte, einen Blick über seine Schulter zu werfen, »die ich neun Jahre lang - hm - platonisch geliebt habe.« Schließlich faßte er genügend Mut und sah sich um.

Lydia, Lady Fenton, erschien in vollem Staat, wie für einen Hofball. Ihr himmelblau und rosa gefärbtes Taftkleid war ärmellos, das pralle, tiefausgeschnittene Mieder herzförmig und mit venezianischer Spitze besetzt, die Taille schlank und der bis zu den Füßen reichende Rock nur ein wenig abstehend. Ihr weiches, hellbraunes Haar lag glatt auf ihrem Kopf, bedeckte auch die Ohren und war an den Seiten in vereinzelten Locken frisiert. Lydia besaß eine hübsche Figur. Sie war nicht so groß wie Meg, und Fenton wußte, daß der lange Rock hohe Absätze verbarg. Lydia Fenton wäre außergewöhnlich hübsch gewesen - wenn ihr Aussehen nicht durch einen Umstand beeinträchtigt gewesen wäre.

Ihre Arme, Schultern und Brust waren mit einem groben weißen Puder beschmiert. Primitive Kosmetika hatten ihr Gesicht in eine weiß-rote, wie Email wirkende Maske verwandelt. Von dem leichenblassen Grund hoben sich die rotgemalten Wangen und schar-lachfarbenen Lippen scharf ab. Sie trug zwei Schönheitspflästerchen, neben dem linken Auge und im Mundwinkeclass="underline"    winzige schwarze Papierstückchen, die in Form von Herzen und Diamanten geschnitten waren.

Diese Aufmachung hatte etwas Gespenstisches. Die Gesichtspaste für eine verlebte Frau von Siebzig war auf das Gesicht eines einundzwanzigjährigen Mädchens geschminkt worden, so daß man den Eindruck hatte, eine alte Wachsfigur sei von ihrem Postament hinabgestiegen.

»Teuerste Base«, wiederholte Meg.

Mit etwas unsteten Schritten trat Lydia an den Kaminsims zu ihrer Linken, auf den sie ihre Kerze stellte. Sie hatte schöne blaue Augen. Trotz der Maske konnte man erkennen, daß sie geweint hatte.

Auf einmal tat Fenton etwas Seltsames. Mit einer Hand hob er den hohen, schweren Eichenstuhl auf und ließ ihn krachend zu Boden fallen.

»Unser gnädigster Herrscher, Charles der Zweite«, deklamierte er wie in einer Trance. »Von Gottes Gnaden König von England, Schottland und Irland, Verteidiger des Glaubens. Und« - der Trancezustand wich - »er schläft jetzt im Whitehall-Palast.«

»Oder auch woanders«, meinte Meg kichernd und zuckte erstaunt die Achseln. »Was macht's schon?« Lydia beachtete Meg überhaupt nicht.

»Sir«, wandte sie sich mit leiser, süßer Stimme an Fenton. »Ihr werdet zugeben müssen, daß ich viel ertragen habe. Aber daß Ihr und diese Kreatur drei Schritt von meiner Tür entfernt.«

»Oh, welche Gemeinheit!« Meg zitterte vorgespielter Empörung. »Schöne Base, Ihr denkt doch sicherlich nicht, daß Nick und ich.«

Immer noch vermied es Lydia, sie anzusehen. Vielleicht war es dieser Umstand, der Megs Redefluß unterbrach. Vielleicht aber auch das Verhalten von Professor Fenton, der sich tief vor Lydia verneigte und ihre Hand zum Kuß an den Mund hob.

»Mylady«, sagte er sanft, »ich bin mir meiner Schwächen und meiner Grausamkeit Euch gegenüber nicht ganz unbewußt. Darf ich Euch auf den Knien um Verzeihung bitten?« Als er sich wieder erhoben hatte, fuhr er fort: »Ich bin nicht der ungehobelte, geistlose Mensch, den Ihr in mir vermuten müßt. Mit Verlaub werde ich mein Betragen ändern.« In Lydias blaue Augen trat ein Ausdruck, der ihn fast körperlich schmerzte, so mitleiderregend war er.

»Ihr bittet mich um Verzeihung?« flüsterte sie. »Ich bitte Euch darum von ganzem Herzen.«

Dann malte sich ein flüchtiges Entsetzen in ihren Augen. »Ihr schwört es mir?« bettelte sie. »Es ist kein Schabernack, den Ihr mir spielt?«