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Sie ist heute noch zu sehen, da sie allein von dem Feuer verschont blieb, das im Jahre 1698 den alten Whitehall-Palast völlig zerstörte.

An die tausend Wachslichter in Kronleuchtern und vergoldeten, am Boden stehenden Eisenständern verbreiteten einen strahlenden Glanz. Die großen Bogenfenster an der Westwand hatten schwere, dunkelrote, goldgefaßte Samtvorhänge, die durch goldene Kordeln mit langen Quasten ein wenig gerafft wurden. Der weiche Schimmer der manchmal unruhig flackernden Kerzen vermischte sich mit dem betäubenden Duft, der von unzähligen weißen und roten Rosen, Nelken, Lilien und Orangenblüten aufstieg.

»Wir warten hier auf Mr. William Chiffinch«, bemerkte Sir Robert Southwell, ein dunkler, bärtiger Mann, als er und Fenton an einer der großen Türen standen und das Leben und Treiben in der Halle beobachteten. »Halt! Ich glaube, ich sehe ihn.«

»Sir Robert!« ließ sich eine gewichtige, ziemlich heisere Stimme hören. »Sir Nicholas! Ich stehe Euch zu Diensten, meine Herren!« Mr. Chiffinch, der inoffizielle Page der Hintertreppe, war ein Herkules mit Habichtsnase und brauner Perücke. Er konnte jeden Mann, der ihm über den Weg lief, unter den Tisch trinken und auf diese Weise Geheimnisse für den Königh herauslocken. Viele der Anwesenden wären überrascht gewesen, hätten sie gewußt, was für eine Rolle Will Chiffinch im Geheimdienst des Königs spielte. »Wenn Ihr gestattet.«, murmelte Sir Robert und zog sich zurück.

»Sir Nicholas«, sagte Mr. Chiffinch, als er Fenton mit einer Verbeugung durch die Tür geleitete, »da Ihr so hastig herbeordert seid, wäre es unhöflich, Euch warten zu lassen. Aber, bei Gott! Ich kann den König nicht finden!«

Es waren viele offene Kamine in dem Raum, und da der Juniabend kühl war, loderten große Holzfeuer darin, die zusammen mit der von den Kerzen ausstrahlenden Wärme und den geschlossenen Fenstern den Raum unbehaglich heiß machten. »Es macht nichts«, erwiderte Fenton. »Ich . ich kann warten.«

»Aber Ihr müßt Unterhaltung haben«, erklärte Chiffinch. »Kommt!« fügte er hinzu und deutete auf die Ostwand der Halle. »Noch vor einem Augenblick wurde drüben am Kamin an mehreren Tischen Karten gespielt. Wartet dort, und ich werde mich beeilen, Seine Majestät zu finden!«

»Ich danke Euch bestens.«

»Hm - ein Wort im Vertrauen, Sir Nicholas. Verwundert Euch nicht über Dinge, die Ihr vielleicht zu sehen bekommt. Merkt Euch wohclass="underline" nur aus Galanterie gestatten wir den Damen zu betrügen.« Plötzlich stellte sich Mr. Chiffinch auf die Zehenspitzen und blickte über die Stuhlreihen hinweg zum östlichen Kamin. »Ei«, meinte er, während sich sein breites Gesicht mit den blauen Äderchen zu einem Lächeln verzog, »jetzt spielt Madam Gwynn allein mit Mr. Ralph Montagu. Also, in zwei Minuten, ich schwör's!« Mit diesen Worten eilte er davon.

Und ich werfe einen Blick hinter die Kulissen, dachte Fenton. Ich sehe, was nur die Augen von Toten geschaut haben. Ich muß gut Obacht geben!

Die Helligkeit, die fettgetränkte Hitze, der berauschende Duft der Blumen, das Stimmengewirr, die Musik - dies machte ihn eine Weile benommen, so daß er das Gefühl hatte, es sei alles wirklich nur ein Traum.

Aber er riß sich zusammen und blickte sich langsam nach einem Gesicht um, das er vielleicht identifizieren konnte. Er ging zwischen den Stuhlreihen hindurch zu dem Kartentisch am östlichen Kamin. Er hatte Madam Gwynn schon mehrere Male gesehen, da sie beide in derselben Straße wohnten. Madam Gwynn ließ sich von jedem Nelly nennen mit der Begründung, daß sie nichts Besseres sei als alle anderen. Fenton hatte hin und wieder ihr hübsches, sanftes Gesicht an einem efeuumsponnenen Fenster gesehen oder beobachtet, wie sie in eine übermäßig geschmückte Sänfte stieg. Leider muß hier erwähnt werden, daß Nelly nicht immer sanft und auch nicht immer nüchtern war. Aber an diesem Abend war sie äußerst hübsch und charmant. Vor dem lodernden Feuer stand ein sehr großer runder Tisch aus polierter Eiche, so daß die beiden Spieler ziemlich weit voneinander entfernt saßen. Das Licht spielte glitzernd über den riesigen Haufen von Goldmünzen bei Nellys Ellbogen.

Ihre goldenen Haare waren auf ihrem Kopf aufgetürmt und mit Perlen durchwirkt. Sie trug zahlreiche Ketten und Ringe und ein weites veilchenfarbenes Gewand. Das ovale Gesicht glühte vor Erregung, und die braunen Augen tanzten. »Ei!« rief sie. »Wer gibt?«

»Ich glaube, Madam«, erwiderte ihr Gegner leichthin, »daß ich an der Reihe bin.«

»Liebster Mr. Montagu!«

Etwa ein halbes Dutzend Gäste - Galane mit ihren Damen - standen am Feuer, um das Spiel zu beobachten. Fenton, der den Namen Ralph Montagu überhört hatte, als Chiffinch ihn erwähnte, horchte gespannt auf.

Mr. Montagu, dessen geziertes Gehabe die Frauen liebten, hatte ein häßliches Gesicht mit brünettem Teint und trug eine flachsfarbene Perücke, die von den roten Rosen im Hintergrund scharf abstach. Neben ihm lag ebenfalls ein großer Haufen von Goldmünzen. Mr. Montagu war listig, schmeichlerisch, habgierig und so kaltherzig und tückisch wie ein Tiger.

Durch das Studium alter, vergilbter Manuskripte konnte Fenton das schmeichlerische Wesen dieses Mannes durchschauen. Er wußte, daß Mr. Montagu - falls niemand ihn daran hinderte - in der Zukunft Verrat am König üben würde . »Aber Nelly«, zwitscherte eine der zuschauenden Damen. »Dieses >Put<-Spiel, ich verstehe es einfach nicht. Lomber oder Pikett kenne ich wohl. Wie .?«

»Es ist ein ordinäres Spiel und paßt zu mir«, entgegnete Nelly mit strahlendem Lächeln. »Lomber und Pikett sind so langweilig, so gräßlich langweilig!« Sie zuckte ihre geschmeidigen weißen Schultern. »Dieses fette Brandschiff, die Herzogin von Portsmouth, würde schaudern, wenn sie es hörte.« Delikat spie sie über ihre Schulter.

»Aber das Monstrum«, fuhr sie fort, »ist nicht in London, sondern auf dem Kontinent. Auch die andere führende Mätresse, die Herzogin von Cleveland, ist schon vor langem in tiefster Empörung nach dem Kontinent gereist.«

»Und gibt es keine andere?« fragte Mr. Montagu mit seinem seidigsten Lächeln.

»Ich bin des Königs Hure«, erwiderte sie mit holder Stimme. »Es ist mir noch nicht zu Ohren gekommen, daß ich die eines anderen bin. Mr. Montagu, ich möchte meiner Freundin dieses Kartenspiel zeigen. Bitte, gebt mir meine Karten.«

Die prächtig bemalten Karten waren bereits gemischt und abgehoben. Montagu erhob sich graziös und legte mit ebensoviel Grazie drei Karten, mit der Bildseite nach unten, vor Nelly hin. »Dies ist meine Hand, Holdeste«, erklärte Nelly dem zimperlichen Mädchen mit dem Fächer. »Mr. Montagu gibt sich seine Karten und nimmt Platz. Bevor wir nun wetten«, plapperte Nelly weiter, »darf jeder eine Karte ablegen und sich eine andere dafür nehmen. Und wer die niedrigste Hand hält, hat gewonnen.«

Beide Spieler nahmen die Karten vom Tisch: Nelly voller Eifer, Montagu kühl und gelassen, mit einem starren Lächeln. Sie spielten eine Weile schweigend.

»Es betrübt mich sehr«, sagte Montagu plötzlich, als bitte er sie kindisch um Verzeihung, »daß ich über eine Dame triumphieren muß. Aber Fortuna ist nun mal so -selbst dem lieblichsten Gesicht gegenüber blind.«

Damit legte er seine Karten auf den Tisch. Ein Gemurmel erhob sich unter den Zuschauern. »Einen Augenblick, bitte«, säuselte Nelly. »Seht Euch dies nur an!«

Karte für Karte legte sie mit zierlichen Bewegungen hin. Sie hatte gewonnen.

Tödliches Schweigen. Es war natürlich Betrug auf beiden Seiten, ein so eklatanter Betrug, daß die Zuschauer sofort eine nichtssagende Plauderei begannen. Doch Fenton spürte das allgemeine Entzücken über Montagus Niederlage, der nie Karten spielte, wenn er nicht seines Sieges gewiß war. Montagu sprang auf die Füße.

»Madam, ich.«, begann er mit erstickter Stimme. Dann beherrschte er sich aber und ging um den Tisch herum auf den Gang zu.