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»Ich schwöre es bei der ritterlichen Ehre, die mir geblieben ist.«

»Dann trennt Euch von ihr«, bat Lydia und umklammerte seine Hand. »Erlaubt ihr nicht, unter diesem Dach zu weilen. Nicht eine Nacht, nicht eine Stunde mehr. Herzliebster, ich flehe Euch an! Sie wird Euch vernichten; ich weiß es! Sie wird .«

Blitzschnell nahm Meg einen Handspiegel vom Tisch und schleuderte ihn nach Lydia. Er traf weder Lydia noch Fenton, sondern segelte durch die offene Tür und zerbrach klirrend im Flur.

Meine Güte, dachte Professor Fenton von Cambridge, diese Menschen haben keine Hemmungen. Obwohl er sich zu beherrschen suchte, spürte er, wie ihm die Adern am Hals vor Zorn schwollen.

»Kanaille!« kreischte Meg.

»Hure!« keifte Lydia.

»Molkengesicht!«

»Brander!«

»Brander, wie?« wiederholte Meg, der bei dieser tödlichen Beleidigung der kalte Schweiß ausbrach. Ohne auf den Sitz ihres Negliges zu achten, wirbelte sie herum und deutete auf die unordentlich über den Ankleidetisch verstreuten Tücher und Salben, mit deren Hilfe sie ihr Make-up entfernt hatte.

»Und bin ich es etwa, die die Franzosenkrankheit hat«, fragte sie, wieder herumwirbelnd, »so daß ich mein Gesicht nur unter einer dicken Puderschicht zu zeigen wage? Pah! Oder ist es die anscheinend unschuldige, die tugendhafte Gemahlin - Enkelin eines verurteilten und gehängten Königsmörders -, die in Wirklichkeit eine Gefahr für die Männer ist, weil sie .« Abermals hielt Meg inne.

Fenton fühlte, wie ihm das Blut zu Kopf stieg. Es wurde ihm ganz schwarz vor den Augen, und er war seiner selbst nicht mehr mächtig. Mit beiden Händen wirbelte er den schweren Stuhl in der Luft herum, als sei er aus Sperrholz gemacht, um ihn Meg York auf den Kopf zu schmettern. Meg, zum ersten Male wirklich in Angst und Schrecken, wich schreiend zurück und fiel auf Hände und Knie, wobei sie ihr Gesicht hinter dem langen, vornüberfliegenden Haar verbarg. Mit ihren Fingern krallte sie sich in den hellen Teppich, daß der Staub aufwirbelte.

Daß sie mit dem Leben davonkam, lag einmal daran, daß Sir Nick zu sehr nach ihr lüstete und daher zauderte, sie zu töten; und zum anderen, daß Professor Fenton, der sich gleichsam abmühte, den Deckel eines Sarges zu schließen, spürte, wie der Kampf nachließ und der Deckel zuklappte.

Fentons Arme und Beine zitterten, als er den Stuhl zu Boden senkte. Der Ekel stieg ihm in die Kehle. Als ihm sein eigenes bleiches Gesicht mit den schwarzen, geschweiften Augenbrauen und dem dünnen Schnurrbart aus dem Spiegel entgegenstarrte, erkannte er sich nicht und blickte sich wild nach einem anderen um. Allmählich wurde er ruhiger.

»Hoffentlich habe ich Euch nicht erschreckt, Madam«, sagte er heiser - zu Lydia, nicht zu Meg.

»Ein wenig«, gab Lydia zur Antwort. »Aber nicht so sehr, wie Ihr annehmt. Ihr werdet sie nun doch wohl fortschicken?« Hinter Fentons Rücken ertönte ein höhnisches Kichern. Meg, die immer noch zwischen Tisch und Bettrand am Boden hockte, blickte ihn durch den Vorhang ihres langen schwarzen Haares an. Sie kniff die Augen zusammen und lachte mit geschlossenen Lippen. Er wußte, daß, von einem angsterfüllten Augenblick abgesehen, dieses Teufelsweib einen königlichen Spaß an dem ganzen Vorfall gehabt hatte. Fenton schritt auf die Tür zu.

»Es soll geschehen, wie Ihr es wünscht«, versprach er Lydia und preßte seine Hand auf ihre nackte Schulter. »Indessen- nicht heute nacht. Diese Nacht, teures Weib, schlafe ich allein, da ich nachdenken muß. Und vor allem«, sagte er barsch, als er sich in der Tür umwandte, »wünsche ich Euch allen beiden angenehme Ruhe!« Er schlug die Tür hinter sich zu, schlurfte einige Schritte in Richtung seines eigenen Schlafzimmers, legte dann den Kopf gegen die Wandtäfelung und versuchte, eine Weile nachzudenken. Hatte wohl je ein Mann, so fragte er sich, mit einem so furchtbaren Problem zu ringen gehabt?

Zweimal in dieser Nacht hatte Sir Nick beinahe -beinahe aber nicht ganz - die Herrschaft über ihn gewonnen. Und nicht allein im Zorn. Der Teufel hatte so obenhin von Zorn gesprochen. Körperliches Verlangen, das irgendwie vage mit Zorn verknüpft zu sein schien und genauso machtvoll sein konnte, hatte der Teufel - der in Zukunft nicht unterschätzt werden durfte - jedoch nicht erwähnt. Aber körperliches Verlangen trat von selbst in Erscheinung, wenn man sich strotzende Gesundheit und das Alter von sechsundzwanzig Jahren ausbedungen hatte.

Er begann allmählich, Sir Nicks Charakter ein wenig zu verstehen. Sir Nick begehrte Meg York und würde sie niemals vertreiben oder zu Schaden kommen lassen. Aber Sir Nick liebte seine Frau ebenfalls. Konnte ein Mann im gesetzten Alter diese Gelüste beherrschen? Aber Achtundfünfzig war eigentlich noch kein Alter; hatte er überhaupt den Wunsch, diese Regungen zu unterdrücken? Es dämmerte Fenton mit Entsetzen, daß er im Innersten Sir Nicks Gefühle teilte.

Dabei hatte er versprochen, Meg am nächsten Tag den Laufpaß zu geben.

Doch dies war nicht das eigentliche Problem. Nein, bei weitem nicht! Das eigentliche Problem, das er aus dem säuberlich geschriebenen Manuskript von Giles Collins herausgeschält hatte, war folgendes:

Wenn er es nicht verhindern konnte, würde Lydia genau nach einem Monat an Vergiftung sterben. Und die Person, die er auf Grund gewisser Einzelheiten des Manuskripts seit langem als Mörderin in Verdacht hatte, war Meg York.

In seinen knirschenden Lederpantoffeln stolperte Fenton in sein Schlafzimmer.

III

Als Fenton am nächsten Morgen erwachte, hatte er nicht das Gefühl, geträumt zu haben. Er wußte sehr wohl, wo er sich befand. Ein schwacher morgendlicher Schimmer drang durch die Bettvorhänge aus ungebleichtem Linnen, die abermals fest zugezogen waren. Fenton hatte sich selten so glücklich, so übermütig und so erfrischt gefühlt. Er straffte seine Muskeln unter dem verwickelten Schlafrock und sog die Luft tief in die Lungen. Ja, es war erstaunlich, daß ein Mann sich so frisch fühlte im Alter von achtundf. nein, sechsundzwanzig Jahren. Besser noch! Seine gestrigen Sorgen erschienen ihm jetzt leicht. Meg aus dem Haus jagen und Lydias Leben retten - die einfachste Sache auf der Welt! Selbst wenn Meg keine Schuld trug, war es gut, wenn man sie loswurde.

»Die Welt, das Fleisch und der Teufel«, sann er laut, »ich habe sie alle drei herausgefordert.« Professor Fenton lächelte. »Ich besitze beides: die Weisheit des Alters und die Kraft der Jugend - eine gute Kombination, um mit allen dreien fertig zu werden.« Wie auf ein Signal hin wurden im nächsten Augenblick beide Vorhänge zu seiner Linken weit aufgezogen.

In der Öffnung stand ein hagerer, nicht sehr großer Mann in schlichter, dunkler Kleidung von guter Qualität. Er trug Kniehosen und seidene Strümpfe. Eine blitzartige Erinnerung an die alten Stahlstiche verriet Fenton sofort, daß es Giles Collins war, Sir Nicks Diener und Schreiber in einer Person. Sein feuerrotes Haar stand kerzengerade in die Höhe. Er hatte ein langes, mageres Puritanergesicht, aber lüsterne Augen und einen sinnlichen Mund. Seine angeborene Frechheit verleitete ihn dazu, seinem Herrn zu widersprechen, wobei er sehr weit ging. Aber wie Fenton aus anderen Quellen als Giles' eigenen Aufzeichnungen wußte, war er der treueste Diener, den man sich denken konnte. »Einen schönen guten Morgen, mein Herr und Gebieter«, sagte er unterwürfig.

Fenton rollte auf die Seite und ließ sich die Phrasen und den Akzent, die er gebrauchen mußte, durch den Kopf gehen. »Heda, du verwünschter Spitzbube«, brummte er. »Gehst schon so früh deinen Geschäften nach?«

»Ja, freilich. Und Euren ebenfalls. Wie ich sehe, wart Ihr gestern abend wieder benebelt. Nanu! Könnt Ihr denn nicht ein properes Nachtgewand anlegen, selbst wenn ich es für Euch zurechtlege?«

»Es ist verdammt lästig.«

»Wahr, in mancher Beziehung wahr!« pflichtete ihm Giles weise bei, während ein lüsternes Lächeln um seinen Mund spielte. »Ah, diese Damen! Wenn Madam York dies macht« - seine Beschreibung war drastischer, als sich hier wiedergeben läßt -, »oder wenn Madam York jenes macht.«