»Aha!« murmelte er in seiner gewohnten nachlässigen Art. »Das bezieht sich wohl auf Eure Prophezeiung im Green-Ribbon-Klub, nicht wahr?«
»Wenn meine Worte Eurer Majestät gegenüber vielleicht verdreht worden sind .«
»Nein, da könnt Ihr unbesorgt sein. Ich bezahle mehr Spione als Mylord Shaftesbury selbst. Aber warum mußtet Ihr die Nachricht ihm bringen? Warum seid Ihr nicht zu mir gekommen?«
»Zunächst, Majestät, hatte ich mit Mylord einiges abzurechnen. Dann auch wieder wußte ich, daß Ihr dieser sogenannten >Verschwörung< keinen Glauben schenken würdet. Oh, Ihr werdet Eure Gegner letzten Endes überlisten und vernichten. Aber drei Jahre des Schreckens und Blutvergießens werden darüber hingehen. Während unschuldige Katholiken verfolgt werden wie nie zuvor, werdet Ihr keinen Finger rühren, um sie zu retten. Da Ihr päpstlich gesinnt seid, werdet Ihr Mitleid mit ihnen haben. Aber die Begnadigung eines Katholiken würde einen Bürgerkrieg heraufbeschwören, und vorläufig ist an eine Vergeltung nicht zu denken. Beim Unterzeichnen der Todesurteile werdet Ihr sogar ausrufen: >Möge das Blut über die kommen, die sie verurteilen, denn Gott weiß, daß ich mit Tränen in den Augen unterzeichnet«.
Fenton brach der Schweiß aus, und er zitterte am ganzen Körper von der Anstrengung, mit der er versuchte, Glauben zu erzwingen. Charles warf ihm einen seltsamen Blick zu. »Dies alles«, fügte Fenton hinzu, »wird geschehen, wenn es nicht auf irgendeine Weise verhindert wird.«
»Wie, zum Beispiel?«
Die tiefe Stimme schien den Alkoven zu füllen. Fenton wagte seinen kühnsten Vorstoß.
»Eure Majestät werden das Parlament nicht vor 1677 einberufen .«
»Und warum nicht?«
»Weil die Euch vom französischen König gezahlten Subsidien erst dann erschöpft sind. Darf ich vielleicht auf die hunderttausend Pfund anspielen, die im Jahre 1674 vereinbart wurden?« Charles blickte ein wenig verlegen drein. Er hatte verschiedene Male Bestechungsgelder von seinem Vetter Ludwig angenommen, während er immer bestrebt war, Englands Interessen denen Frankreichs voranzustellen. Aber die bloßen Gerüchte davon brachten die Mitglieder des Unterhauses in Wut.
»Hier, Majestät«, fuhr Fenton fort, »haben wir nun die reinste Ironie. Der augenblickliche französische Gesandte, M. Savarigny, wird durch einen anderen, nämlich M. Barrillon, ersetzt. Ich fürchte sehr, daß der französische König Euch ebensowenig traut wie Ihr ihm.«
»Nanu, was für ein argwöhnischer Geselle!«
»M. Barrillon wird in Zukunft das tun, was M. Savarigny jetzt schon in kleinerem Maße tut: Er wird die tugendhafte, fromme Landpartei, die hochgesinnten Green-Ribbon-Anhänger bestechen, damit sie noch fanatischer gegen Euch hetzen!« Charles spitzte die Lippen. »Na, wenn ich das nur beweisen könnte .!«
»Majestät, die Korrespondenz zwischen Barrillon und König Ludwig von Frankreich - die der Nachwelt erhalten bleibt - wird eine Liste fast aller Bestochenen enthalten, darunter viele Mitglieder des Unterhauses und des Oberhauses. Wenn Ihr doch nur Barrillons Briefe oder Abschriften davon in die Hände bekommen könntet.!«
»Halt, Mann, nicht so hastig!«
Schweigen folgte diesen Worten. Das Gemurmel der Unterhaltung und die Klänge der Musik, bisher von beiden unbemerkt, drangen in die Nische, während Charles regungslos dasaß. Langsam wandte er den Kopf.
»Sir Nicholas«, sagte er, »Ihr behauptet immer wieder, daß diese Briefe existieren >werden<. Ich habe nur eine Frage, und zwar eine ganz einfache: Woher wißt Ihr, daß sie existieren werden?«
»Weil ich sie gelesen habe!«
»Gelesen?«
»Ja! Solche Geheimdokumente konnten zweifellos zu der Zeit nicht veröffentlicht werden. Das geschah erst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Man findet sie unverkürzt im zweiten Band von .« Fenton brach entsetzt ab.
Jetzt hatte er tatsächlich den einen unabänderlichen Fehler begangen.
Doch Charles' Stimme und Ausdruck blieben unverändert. »Gibt es sonst noch etwas«, fragte er freundlich, »wovor Ihr mich warnen möchtet?«
»Allerdings, Majestät, und wenn Ihr mich ins Tollhaus schickt! Es betrifft Mr. Ralph Montagu. Ihr dürft ihn nicht als Gesandten an den französischen Hof schicken .«
»Mr. Montagu ist ein sehr geistreicher Mann, wie ich höre. Dennoch habe ich nicht die Absicht, ihn zum französischen Gesandten zu ernennen.«
»Und doch werdet Ihr es tun, Majestät, glaubt mir! Nun, wer ist Eurer Majestät fähigster und treuester Minister? Ich wage zu sagen: Mylord Danby. Wenn Mr. Montagu in Ungnade aus Frankreich zurückberufen wird, bringt er in seiner Gehässigkeit eine Reihe von Briefen mit. Einer von diesen wird 1679 vor dem Unterhaus verlesen werden und Mylord Danby und beinahe Eure Majestät selbst zu Fall bringen.«
»Nun laßt uns einmal überlegen«, sagte Charles sinnend. »Ich glaube, Euer Vater war ein guter Freund von Mylord Danby, nicht wahr?«
»Ich glaube wohl. Aber das hat durchaus nichts damit zu tun!«
»Mr. Montagu ist Euch wohl nicht sehr sympathisch, wie?«
»Ich gebe Euch mein Wort, daß ich den Mann vor heute abend noch nie gesehen habe.«
»Und wann habt Ihr Mylord Danby zuletzt gesehen?«
»Er - er hat heute abend in meinem Hause gespeist.«
»Heute abend«, wiederholte Charles nachdenklich. Und Fenton spürte, wie alle Kraft von ihm wich. Zum ersten und letzten Male in seinem Leben kniete er nieder. »Um Gottes willen, Majestät, schenkt meinen Worten Glauben! Alles, was ich gesagt habe, wird sich erfüllen!« Charles erhob sich und ging zu ihm hinüber. Er hob Fenton auf, klopfte ihm auf die Schulter und kehrte zu seinem eigenen Sessel zurück.
»Eine letzte Chance!« flehte Fenton unter Aufbietung seiner letzten Kräfte. »Stellt Ihr mir eine Frage. Nein, zwei Fragen! Wenn ich sie nicht beantworten kann, dürft Ihr mich für einen armen Irren halten.«
»Sir Nicholas, Ihr macht Euch noch ganz krank«, protestierte Charles. »Wenn es Euch Vergnügen bereitet«, fügte er hastig hinzu, »so sei es denn. Aha, ich hab's. Für die kommende Weihnachtszeit habe ich eine kleine Reise geplant. Nun, in wessen Hause und mit wem werde ich den 25. Dezember verbringen?«
Wieder einmal der 25. Dezember, der Sir Nicks und groteskerweise auch sein eigener Geburtstag war.
Ja, irgendwo war etwas von diesem Besuch erwähnt. Aber bei welchem Autor? Verzweifelt kramte Fenton in seinem Gedächtnis herum wie jemand, der in Koffern nach alten Papieren sucht. »Nun, 's ist nicht so wichtig«, versicherte ihm Charles heiter. »Auch die nächste Frage nicht. Wir befinden uns in der zweiten Woche des Juni. Nun, wo werde ich um diese Zeit im Jahre 1685 sein?«
Da Charles es vermied, Fenton anzusehen, und statt dessen die Ringe an seinen Fingern betrachtete, sah er nicht, wie das Gesicht seines Besuchers kreidebleich wurde. Denn es gab nur eine Antwort auf diese Frage.
Majestät, würde Fenton sagen müssen, an diesem Tage im Jahre 1685 werdet Ihr gerade etwas über vier Monate tot sein. Er vermochte nicht zu sprechen. Unmöglich, dem König diesen Schlag zu versetzen. Er würde ihm allerdings nicht glauben. Doch der Gedanke würde immer an ihm nagen. Die Tage dahineilen zu sehen, das Ticken der Uhr zu hören, die Krankheit zu fürchten, die das Ende herbeiführen würde . nicht auszudenken! Nur allzu deutlich sah er in seiner Phantasie die kalte Morgendämmerung in dem großen Schlafzimmer und hörte, wie eine schwache Stimme befahl, die Uhr aufzuziehen, während sich das graue Februarlicht durch die Fenstervorhänge stahl. Und Charles, der qualvolle Tage mit einem Scherz auf den Lippen durchlebt hatte, starb schließlich, den katholischen Glauben im Herzen. »Majestät«, antwortete Fenton mit klarer Stimme, »ich kann es Euch nicht sagen.«
»Und damit ist die Sache erledigt«, sagte Charles lächelnd. In verändertem Ton fuhr er fort: »Nein, ich heiße Euch nicht verrückt. Dieser prophetische Geist, dessen Äußerungen manchmal zutreffend, aber öfter falsch sind, macht sich in allen alten Familien bemerkbar. Henri etta besaß ihn auch. Das ist vielleicht der Grund .« Er brach unvermittelt ab und hob die Hand. »Nun, Sir Nicholas, Ihr sagt, Ihr seiet hier, um mich zu warnen. Aber, Schockschwerenot! Wie sehr muß ich Euch erst warnen!«