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»Mich warnen, Majestät?«

»Ich brauche Euch nicht zu sagen, daß Ihr ewig in Gefahr schwebt. Aber seid Ihr Euch dessen bewußt, daß Ihr einen Todfeind in Eurem Hause beherbergt?« Fenton drehte sich das Herz im Leibe um.

»Ich habe versucht, der Wahrheit auf den Grund zu kommen. Wollte Gott, ich könnte sie finden!« rief er aus. »Zum Beispiel!« sagte Charles und legte die Fingerspitzen zusammen, »wurdet Ihr am 10. Mai in einer kleinen, abgelegenen Straße, der Totenmannsgasse, von zwei Raufbolden angefallen, und zwar auf Anstiften des Green-Ribbon-Klubs. Doch woher konnten sie wissen, daß Ihr gerade zu der Zeit dort sein würdet? Irgend jemand muß ihnen einen Wink gegeben haben. Ist Euch der Gedanke noch nicht gekommen?«

»Majestät, daran habe ich als erstes gedacht. Sobald ich abends nach Hause kam, erkundigte ich mich bei meinem Türhüter, was für Briefe am Vormittag das Haus verlassen hätten. Sie schienen alle harmlos zu sein.»

»Dann ahnt Ihr also nicht, wer Euch verraten hat? Und das zu wiederholten Malen?«

»Ich fürchte, nein.«

»Sir Nicholas, es war Eure eigene Gattin.«

Es folgte ein kurzes Schweigen. Fenton stand auf und blickte in die halbverschleierten rotbraunen Augen. »Majestät«, sagte er in aller Ruhe, »Ihr lügt.« Abermals Schweigen. Selbst die leichten Geräusche der Festhalle schienen ausgelöscht zu sein.

Charles ließ die Hand schwer auf die Armlehne fallen. Seine kräftigen Finger umklammerten sie, und man hörte ein leises Krachen im Holz, als er sie seitwärts bog. Mit dem Fuß stieß er den schweren Schemel, auf dem sein Bein ruhte, fort, so daß er mit dumpfem Aufprall gegen einen ledernen Paravent flog und ihn beinahe umwarf. Fentons Blick wich und wankte nicht. Er sah die Wut der Stuarts, die immer gefährlich und unbestimmbar war. Er beobachtete, wie sie sich in den halbverhüllten Augen langsam verwandelte: zunächst in Verwirrung und dann in staunenden Zweifel. Dieser Mann, schienen die bestürzten Augen zu sagen, ist ja ehrlich. Der Zweifel wurde Überzeugung und schließlich sogar Bewunderung.

Charles erhob sich und stand hoch über seinem Gefährten. »Mann, ich liebe Euch dafür!« brummte er mit tiefer Stimme und so viel Aufrichtigkeit, wie er je empfinden konnte. »Welcher Kriecher, welcher Schmeichler an diesem Hof hätte das wohl zu sagen gewagt? Mein Bruder, ja; aber James ist zu ehrlich, um an seine Haut zu denken.«

Unvermittelt streckte Charles die Hand aus. »Hört auf mit dieser albernen Handküsserei«, sagte er, »ergreift meine Hand in Freundschaft, und denkt daran, daß ein unbesonnener Mann auch dankbar sein kann!«

Fenton stand mit gesenktem Kopf und geballten Fäusten vor ihm. »Ich bitte Euch demütigst um Verzeihung, Majestät, aber ich würde selbst die Hand des Schöpfers nicht anrühren, wenn er nicht seine Worte zurücknähme oder deren Wahrheit bewiese.« Charles machte eine leichte Verbeugung.

»Ja, Ihr habt recht«, sagte der König von England, der weit würdevoller den Tadel entgegennahm, als ein anderer Mann ihn zurückgewiesen hätte. »Ihr sollt Euren Beweis haben. Kennt Ihr die Handschrift Eurer Gattin?«

»Ich kenne sie sehr gut, Majestät.«

Aus einer Innentasche zog Charles einen dünnen grauen Briefbogen, der für das Siegel vierfach gefaltet, jetzt aber sehr zerknittert und mitgenommen war.

»Dieser Brief«, bemerkte er, »wurde beschlagnahmt, nachdem sein Inhalt auf mündlichem Wege an den Green-Ribbon-Klub weitergeleitet worden war. Bitte, lest ihn, Sir Nicholas.« Fenton versuchte, ihn mit steter Hand zu entfalten. Sein Auge erkannte sofort Lydias Handschrift und das Datum des 10. Mai, 10 Uhr morgens. Dann las er:

Er ist soeben von mir gegangen. Ich bin in seinem eigenen Schlafzimmer, wo er mir sagte, daß meine Krankheit von einem Doktor geheilt werden kann. Aber er ist nach unten gegangen, um die Diener, arme Kreaturen, mit einer guten Neunschwänzigen Katze zu stäupen. Das Stäupen, nehme ich an, dauert wohl über eine Stunde. Aber Ihr werdet ihn bestimmt zwischen Mittag und ein Uhr in der Totenmannsgasse finden, die wohl beim Strand ist, da er dies in meiner Gegenwart gesagt hat. Es mag früher oder später sein. Alles für eine gute Sache.

Eure Lydia F.«

Es war merkwürdig. Etwas schien mit Fentons Augen nicht in Ordnung zu sein, und es zitterten ihm die Knie.

»Ich - ich sehe«, sagte er deutlich, »daß dies an eine Mrs. Wheeler, Schneiderin, >La Belle France<, Covent Garden, adressiert ist.«

Charles machte eine ungeduldige Bewegung. »Nun ja, sie müssen doch einen Sammelplatz für die Nachrichten ihrer Spione haben, und der ist gewiß nicht im >Königshaupt.< Dieser hier ist gut ersonnen; denn wer würde eine Schneiderin verdächtigen?«

»Waren«, Fenton räusperte sich, »waren noch andere Briefe vorhanden?«

»Ich glaube, ja. Einen davon hätten wir beinahe in die Hände bekommen, wenn nicht.«

»Wenn nicht meine Frau eine - eine andere Schneiderin gefunden hätte, nicht wahr?«

»Nun, in dieser Sache müßt Ihr Euch an meine Staatssekretäre wenden. Aber dieser eine Brief Eurer Gattin ist mir noch im Sinn. Unser Mann versuchte, ihn abzuschreiben, mußte aber eilends aufhören und ihn wieder versiegeln. Eine der Zeilen lautete: >Wenn Ihr ihn nicht das nächste Mal tötet, verlasse ich den Green-Ribbon-Klub.<«

Mechanisch wiederholte Fenton die Worte.

Dann versuchte er niederzuknien, aber das Zittern in seinen Beinen hinderte ihn daran.

»Majestät«, sagte er, »ich - ich möchte versuchen, eine Entschuldigung für meine törichten Worte vorzubringen.« Der König ergriff seine Hand und zog ihn empor. »Eure Entschuldigung ist akzeptiert, Sir Nicholas«, sagte Charles mit ernster Miene. »Reden wir nicht mehr davon. Aber Ihr seht doch . Nanu, Mann! Was ist denn los?«

»Ach, Majestät, ich bin nur über den Stuhl gestolpert. Jeder kann über einen Stuhl stolpern, auch Ihr.« Charles betrachtete ihn nachdenklich.

»Nun, was hat das für einen Grund? Hm! Wie ich von allen Seiten höre, lebt Ihr mit Eurer Gattin in bitterer Zwietracht und schreit Euch gegenseitig an vor Wut.«

»Eure Berichterstatter, Majestät, befinden sich . im Irrtum.«

»Nun, und selbst wenn es sich so verhält! Schockschwerenot! Was liegt schon an einem Frauenzimmer? Sie sind alle gleich in dem, was sie einem Manne bieten können.« Zögernd wandte er sich ab. »Doch muß ich bekennen, daß ich gern an die alten, längst vergangenen Tage mit Frances Stuart zurückdenke. - Laßt Euer Herz nicht mitsprechen, Mann!« sagte er mit leidenschaftlicher, erstickter Stimme und wandte sich wieder um. »Das ist die wichtigste Regel im Leben.«

»Ich werde versuchen, danach zu leben, Majestät. Habe ich nun Eure Erlaubnis, mich zu verabschieden?«

»Aber gewißlich, wenn Ihr es wünscht. Ihr habt Euch als treuer und zuverlässiger Untertan erwiesen, Sir. Gibt es keine Auszeichnungen, womit ich Euch belohnen kann?«

»Keine, obwohl ich die Huld Eurer Majestät zu schätzen weiß. Ich. einen Augenblick! Es gibt doch etwas, worum ich Euch bitten möchte!«

»Laßt es mich hören.«

»Am Rande von Whitehall lebt ein alter Mann, der sich Jonathan Reeve nennt, in Wirklichkeit aber der Graf von Lowestoft ist, obwohl ihm Titel und Güter unter Oliver entwendet wurden.«

»War er nicht«, unterbrach ihn Charles plötzlich, »mit Euch zusammen im >Königshaupt>? Gehörte er nicht zu den dreien«, und die tiefe Stimme zitterte vor Stolz, »die ein Hoch auf mich ausbrachten, als Ihr die Treppe gegen dreißig Degen verteidigtet!1«