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Giles warf ihm noch einen prüfenden Blick zu und verließ das Zimmer. Fenton zog indessen ein Paar weiche, helle Reitstiefel mit leichten Sporen aus dem Schrank, die ihm weit bis über die Knie reichten. Er warf einen leichten Mantel um und stülpte sich einen Hut auf die Perücke.

Den dreiarmigen Kerzenleuchter haltend, versuchte er, leise die Treppe hinunterzuschleichen. Aber selbst bei äußerster Vorsicht klirrten die Sporen ein wenig auf Holzböden. Er hatte Angst, daß Lydia aus ihrem Zimmer eilen würde.

Erleichtert atmete er auf, als er endlich unten in seinem Studierzimmer war. Aus dem Bücherschrank zog er den Band heraus, in den er den Zettel mit Meg Yorks zwei Adressen gelegt hatte. Eine davon, dachte er, als er den Zettel fand, ist jetzt nutzlos. George hatte ja erwähnt, daß sie Captain Duroc verlassen habe. Aber die andere . Er glättete das Stückchen Papier und las: »>Die Goldene Frau<, Liebesgasse, Cheapside.«

In ein paar Minuten war Sweetquean bereit. Dick, eine Laterne in der Hand, hielt die Zügel. Ein seltsamer Schmerz - ob körperlicher oder seelischer Natur, konnte er nicht sagen - überkam Fenton, als er den Fuß in den tiefen Steigbügel setzte.

»Ein schöner Abend, Sir«, sagte Dick.

»Ja«, erwiderte er, »ein schöner Abend.«

Fenton ritt auf Charing Cross zu; er ließ der Stute die Zügel schießen. Eine dünne Mondsichel stand am dicht mit Sternen besäten Himmel.

Von Charing Cross bog er in den Strand ein, ritt unter dem Torbogen von Temple Bar hindurch und dann die absteigende Fleet Street hinunter. Sweetquean nahm Ludgate Hill im Galopp. Dort zog Fenton die Zügel an, um sich zu orientieren. Trotz der Beleuchtung durch Mond und Sterne herrschte Finsternis, da es keine Straßenlampen gab. Hin und wieder glühte das Licht eines Wirtshausfensters warm und rot in der Dunkelheit. Fenton dachte an frühere Zeiten, aber nicht an das London dieses Jahrhunderts, als er die Stute um den St.-Pauls-Kirchhof herum nach Cheapside traben ließ.

Er erinnerte sich daran, wie er und Mary Grenville -oder Meg York - in ihrem früheren Dasein zusammen im Park geritten waren: nicht im St.-James-Park, sondern im Hyde Park, der jetzt Waldland war. Es fiel ihm wieder ein, wie sie bei Richmond in der Themse geschwommen hatten. Mary war im Alter von achtzehn Jahren eine tüchtige Schwimmerin gewesen, aber er hatte sie mit über fünfzig Jahren noch um drei Längen geschlagen. Nein. Er durfte sich bei dieser Frau nicht Mary Grenville vorstellen; er mußte in ihr Meg York sehen, eine erwachsene Frau, die einer Wildkatze glich.

Klipp, klopp! klangen die Hufe seiner Stute auf dem Kopfpflaster von Cheapside. In diesem Quartier hatte das Große Feuer gewütet. Die meisten der Gebäude waren neu. Fenton lenkte die Stute in die Liebesgasse.

»Niemand«, hatte Meg geflüstert, »weiß, daß ich dort bin. Keiner kann mich finden oder belästigen. Es ist keine feine Gegend. Um so besser.«

Über der engen Gasse mit den hohen Häusern war ein schmaler Sternenstreifen zu sehen. Plötzlich erschien ein großer roter Feuerschein am Himmel, der dann rosa wurde und allmählich ganz verblaßte. Er rührte von der gewaltigen Seifensiederei in der Nähe her, die er ganz vergessen hatte. Glücklicherweise wehte der Wind aus einer anderen Richtung. Aber der rötliche Schein zeigte ihm das Haus, das er suchte. Es war ein kleines, neues Backsteinhaus, eine hohe Treppe führte zur Haustür. Keines der Fenster war erleuchtet. Fenton band Sweet-quean an einen Pfosten, rannte die Stufen hinauf und setzte den Klopfer in Bewegung, daß das Echo durch die Straße hallte. Bald darauf wurde die Tür geöffnet von einer uralten einäugigen Frau.

»Ja«, keuchte sie, während sie ihn im Schein eines in einer Öllampe schwimmenden Dochtes auf das genaueste inspizierte, »Ihr seid der Mann. Eine Treppe hoch, und dann sucht ein Zimmer, das nach der Straße geht. Meiner Treu, die Dame hat dieses Haus nicht eine Minute verlassen, aus Angst, Ihr würdet sie nicht antreffen. Einer hat diesen Geschmack«, sagte die Alte achselzuckend, »und der andere jenen.«

Fenton eilte die Treppe hinauf. Die Tür des Vorderzimmers stand ein wenig offen, und schwaches Kerzenlicht fiel auf den Flur. Und dann blieb er plötzlich stehen.

Irgend jemand im Zimmer, zweifellos Meg, spielte leise eine Tenorviola, und aus ihrer schönen Altstimme klangen Freude, Stolz und Triumph.

»Bürger, hört ihr das Freudengeheul? Durch die Stadt tönt der heitere Schalclass="underline" Drei Männer mit Degen und drei mit der Keul' brachten den Tyrannen zu Fall.«

Fenton wurde es fast übel, und er klammerte sich an das Treppengeländer. Dieses Lied widerte ihn an. Jedes Wort brachte ihm Lydia in den Sinn. Er stolperte blindlings den Flur entlang und stieß die Tür auf. Der Bogen der Tenorviola glitt von den Saiten. Fenton und Meg blickten einander an.

»Ihr habt es mächtig lange anstehen lassen«, sagte Meg und warf unbekümmert den Kopf in den Nacken, »mir Eure Aufwartung zu machen.« Dann änderte sich ihr Ton. »Nick, was ist mit dir?« Das Zimmer hatte zwei Fenster nach der Straße zu. Zwischen ihnen war ein offener Kamin. An jedem Fenster stand ein riesiger geschnitzter Stuhl, der mit bunten Kissen aus Schwanendaunen bedeckt war. Eine einzige Kerze brannte in einem goldenen Halter auf dem Kaminsims über einem leichten Holzfeuer. Meg, die ein purpurrotes Samtkleid mit Kaskaden von venetianischen Spitzen am tiefausgeschnittenen Mieder trug, saß auf der rechten Seite des Kamins.

Das Instrument war ihr aus der Hand geglitten, und ihr dunkles Haar glänzte im Schein des trüben Lichtes.

Da Fenton ihren Geschmack kannte, war er nicht überrascht, den kleinen viereckigen Raum so üppig ausgestattet zu finden wie irgendeinen im Palast. Es waren mehrere gepolsterte Stühle und eine Ottomane vorhanden. Aber die Gobelins und die Gemälde mit den Liebesszenen erinnerten ihn an Georges Beschreibung des .

Meg sprang hastig auf. »Einen Augenblick!« sagte Fenton.

Sein Gesicht war kreidebleich, und ihm zitterten die Beine. Sein rechter Arm schmerzte so heftig, daß er nicht rasch genug den Degen hätte ziehen können, um sein Leben zu retten. »Zunächst einmal«, sagte Fenton heiser in modernem Englisch, »wollen wir - wie schon einmal - die Ausdrucksweise dieses Jahrhunderts fallenlassen und so sprechen, wie wir es gelernt haben!« Das trübe Kerzenlicht und das flackernde Feuer ließen Schatten über Megs weiße Schultern spielen. In ihren Augen unter den gesenkten Lidern leuchtete ein Blick des Verstehens. »Gewiß, wenn Sie es wünschen. - Professor Fenton, warum sind Sie hier?«

»Weil ich ein geschlagener Mann bin«, antwortete er rundheraus. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich kam hierher, um . um .«

»Um Mitleid zu suchen?« fragte Meg mit giftiger Liebenswürdigkeit: Eifersucht und Haß strömten von ihr aus. »Sie haben sich wohl mit dieser. dieser. dieser Lydia in der Wolle gehabt, wie?«

»In gewissem Sinne, ja.«

»Und jetzt kommen Sie angekrochen!« Meg richtete sich auf. »Ausgerechnet Sie!« Fenton betrachtete den bunten Teppich.

»Sie!« sagte Meg bitter. »Oh, ich kenne Mr. Reeve ebenfalls. Wer kennt ihn nicht? Und ich habe eine Abschrift seiner Verse. Er nennt Sie den Helden der >Schlacht< von Pall Mall. Darauf war ich stolz. Ja! Und entsinnen Sie sich noch, wie Sie in unserem früheren Dasein die Kampagne planten, die die ganze deutsche Verteidigungslinie fast zerschmetterte? Ja! Und wie Sie den ersten Angriff an der Spitze Ihres Bataillons selber unternahmen?«

»Seltsamerweise habe ich neulich nachts davon geträumt.«

»Und jetzt kommen Sie mitleidheischend zu mir? Einen kriechenden Mann kann ich nicht ausstehen. Verlassen Sie mich! Gehen Sie!« schrie sie ihn an.