Aber das Erscheinen des Teufels bewirkte, daß Fenton mit einem halberstickten, feinen alten Fluch aufsprang, ehe ihn die Traumwelt umfing. Dann ließ er sich wieder nieder und zeigte sich von einer Höflichkeit, die sich mit der des Teufels messen konnte. »Guten Abend, mein lieber Herr«, antwortete Fenton kühl. Es entstand eine Pause. Der Teufel schien bekümmert zu sein. »Professor Fenton, habe ich Euch in irgendeiner Weise verletzt? Ist meine Anwesenheit unwillkommen?«
»Ihr seid immer willkommen«, räumte Fenton ein, »schon allein Eurer Wortfechterei wegen. Doch habt Ihr einen höchst ungelegenen Augenblick für Euren Besuch gewählt.«
»Aha!« meinte der Teufel, dem die Erleuchtung kam. »Ihr habt dabei wohl die - hm - junge Dame im Sinn, wie?«
»Die in kurzer Zeit hier erscheinen wird.« Der Teufel war aufs tiefste schockiert.
»Aber, mein lieber Freund!« protestierte er. »Nehmt Ihr auch nur für eine Sekunde an, daß ich diese löbliche kleine Affäre stören würde? Nein, nein, nein! Solche Affären sind mir in den meisten Fällen höchst nützlich. Ah, ich verstehe! Ihr betrachtet meine Anwesenheit zu einer solchen Zeit als peinlich und taktlos, ja?«
»Nicht taktlos. Ich weise nur darauf hm, daß Ihr hier seid.«
»Nanu!« schmunzelte der Teufel. »Ich hatte eigentlich nicht erwartet, daß Ihr so konventionell sein würdet. Wenn dem so ist, könnt Ihr Euer Schäferstündchen wohl auf einen anderen Zeitpunkt verschieben.«
»Habt Ihr in Eurer eigenen ausgedehnten Erfahrung, Sir, dieses Argument in dem bestimmten Augenblick ganz überzeugend gefunden?«
Der Ton des Teufels veränderte sich leicht.
»Kommt Euch gar nicht der Gedanke, Professor Fenton, daß Ihr gewisse Dinge, die Eure eigene Seele angehen, ein wenig leichtfertig behandelt?«
Jetzt spürte Fenton in der Gefühlswoge, die aus dem großen Stuhl strömte, die ersten Anzeichen von Bosheit. Der Teufel war, bildlich gesprochen, riesengroß geworden. Wenn er sich auch so gelassen gab wie ein Herr in seinem Klub, so war seine Macht doch deutlich spürbar. Mit anderen Worten: Er war wie ein Mann, der eine Handvoll Trümpfe hält und dies allmählich durchblicken läßt. Natürlich hatte er von Anfang an gewußt, daß Meg hier war. Wie bei der früheren Begegnung wurde Fenton auf einmal von einer eisigen Furcht gepackt. Er wandelte auf sehr gefährlichen Pfaden; dessen war er sich durchaus bewußt. Aber um bei der Metapher zu bleiben: Der Teufel hatte wohl viele Trümpfe, aber nicht das Trumpf-As. Fenton mußte seine Karten nun äußerst geschickt spielen.
»Da habt Ihr recht«, gab Fenton zu und ließ etwas Demut in seiner Stimme mitschwingen. »Ich habe diese Dinge vielleicht zu sehr auf die leichte Achsel genommen. Ich bitte Euch um Verzeihung.«
»Gewährt, gewährt!« erwiderte der Teufel höflich. »Ich wollte Euch nur an Eure Position erinnern. Schließlich haben wir ja tatsächlich vor einiger Zeit einen gewissen. einen gewissen Pakt unterzeichnet.«
»Allerdings.«
»Habe ich die Bedingungen unserer Vereinbarung erfüllt?«
»Offen gestanden, Sir, habt Ihr mich verteufelt an der Nase herumgeführt!«
»Aber Ihr wolltet doch Sir Nick Fenton sein. Und siehe da, Ihr seid's! Immerhin! Ich muß Euch daran erinnern, daß es selbst nicht in meiner Macht stand, manchen Eurer >Bedingungen< nachzukommen. Da ich etwas zerstreut bin, habe ich es versäumt, Euch darauf hinzuweisen.«
»Ach so?« Abermals durchfuhr Fenton ein eisiger Schrecken. »Leider, ja«, seufzte der Teufel. »Doch hättet Ihr selbst einsehen müssen, daß ich machtlos war, wenn es sich um Forderungen handelte, die der Geschichte widersprachen. Mein lieber Professor« - seine Stimme klang ein wenig verletzt -, »ich habe Euch ganz deutlich darauf aufmerksam gemacht, daß niemand die Geschichte ändern kann.«
»Niemand?«
Der Teufel setzte eine selbstgefällige Miene auf. »Weder ich selbst noch mein. mein Widersacher«, erklärte er mit einem flüchtigen Blick nach oben. »Vor unendlich langer Zeit - eine Spanne, die - verzeiht mir - über Euer Ermessen hinausgeht - planten mein Widersacher und ich die Geschichte dieses winzigen Planeten. Wir lagen natürlich miteinander in Fehde. Einmal trug er den Sieg davon, ein andermal ich. Aber sie liegt nun unabänderlich fest. Ich hatte ihn schon beinahe vergessen, diesen alten, staubigen Plan, der aufgerollt in irgendeinem obskuren Fach der Zeit liegt.« Besänftigend, einschläfernd, fast hypnotisierend klang diese Stimme. Dann auf einmal kicherte der Teufel und zeigte sich wieder von einer anderen Seite.
»Hört mal, Professor Fenton!« sagte er liebenswürdig. »Wenn ich Euch in Sir Nick Fenton verwandelt habe, was habt Ihr da schon zu befürchten? Nichts. Selbst dann nicht, wenn ich . Euch zur Zeit Eures Todes abhole. Aber laßt uns von angenehmeren Dingen sprechen! Zum Beispiel von dieser jungen Dame .« Die Tür öffnete sich, und Meg stand auf der Schwelle. In der Linken trug sie eine brennende Kerze in einem Messingleuchter. Das dunkel glänzende Haar fiel ihr lose auf die Schultern. Mit der rechten Hand hielt sie das gelbe Neglige zusammen, das sie getragen hatte, als Fenton sie zum erstenmal als Meg York sah.
Selbst im Licht der Kerze hätte sie eigentlich das wechselnde, vage Schattengebilde am Fenster nicht sehen können. Und doch - das merkte Fenton, als er sich umdrehte -, wußte Meg Bescheid. Die Kerzenflamme schrumpfte sofort - vielleicht in einem Zugwind - zu einem blauen Funken zusammen und erlosch. Gerade bevor dies geschah, schien eine seltsame Veränderung mit Megs Gesicht vorzugehen.
Sie blieb wie angewurzelt stehen; der Schreck war ihr lähmend in die Glieder gefahren.
»Ah, meine Liebe«, sagte der Besucher. »Ihr braucht nicht formell zu sein. Ihr dürft Euch zu uns gesellen, wenn Ihr wollt.« Er sprach im Ton eines älteren Onkels, der mit einem achtjährigen Mädchen redet.
»Nein, nein, meine Liebe!« fügte er hinzu. »Ihr dürft Euch nicht zu meinem guten Freund, Professor Fenton, setzen. Meine Großzügigkeit in diesen Dingen ist ja wohl weithin bekannt. Aber dies würde. wie soll ich mich ausdrücken?. Eure Konzentration zu sehr beeinträchtigen. . Setzt Euch lieber auf die Ottomane, meine Liebe.«
Meg wandte sich von Fenton ab und ging schwankenden Schrittes zur Ottomane, auf der sie, das Neglige eng um sich ziehend, Platz nahm. Fenton wollte sprechen. Aber er war von Entsetzen gepackt und mußte sich erst räuspern.
»Eine Frage!« stieß er hervor. »Darf ich eine Frage stellen?«
»Mein lieber Professor! Aber selbstverständlich.«
»Als ich törichterweise darum bat, ins siebzehnte Jahrhundert versetzt zu werden, hat Mary Grenville Euch da ihre See . ich meine, sich erboten, Eurem Haushalt beizutreten, wenn sie mich begleiten könnte? Hat sie das etwa um meiner idiotischen Person willen getan?«
Der Besucher wich einer direkten Antwort aus. »Und wenn schon?« sagte er wie ein sich windender Krämer. »Sir«, entgegnete Fenton, »meine eigene Seele ist nur ein armseliges Ding. Aber ich biete sie Euch bereitwilligst an, wenn Ihr ihre Seele zurückgebt.«
Meg richtete sich auf.
»Nein«, rief sie Fenton zu. »Er besitzt nicht die Macht, einen solchen Handel abzuschließen, selbst wenn er dazu bereit wäre!« Meg brach ab, hielt die Hände vors Gesicht und sank auf die Couch zurück, als habe sie von einer ungeheuren Hand einen Schlag erhalten. Und doch hatte sich nichts im Raum bewegt; aber auch gar nichts.
Die Gestalt im Sessel schien sich verbindlich an Fenton zu wenden.
»Nun«, sagte der Besucher, »die junge Dame hat ganz recht. Seit ihrem achtzehnten Lebensjahr ist sie schon, wie Ihr Euch so taktvoll ausdrücktet, ein Mitglied meines Haushalts. Sie trat über, weil sie die Welt unerträglich langweilig fand und allzu viel für Männer übrig hatte.«
Fenton wollte etwas sagen, vermochte aber kein Wort hervorzubringen.