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»Ja, ja, ja!« rief Fenton. »Um Mitternacht beginnt der 10. Juni. Dann muß ich zu Hause sein, damit Lydia nichts zustößt!«

»Potz Geck!« bemerkte der Besucher, der in grauenvoller Weise George Harwell imitierte. »Dieser Mann muß wohl von Sinnen sein!«

Fenton hastete zum erlöschenden Feuer und hielt das Zifferblatt an die glühenden Holzscheite. Die Uhr war um halb zehn stehengeblieben, genau um die Zeit, als er über Megs Schwelle trat. Er steckte die Uhr langsam wieder in die Tasche. Dann stürzte er sich auf die Gestalt im Sessel und griff mit beiden Händen nach der vermutlichen Kehle. Aber er packte ins Leere. Langsam wich Fenton zurück, und wieder tauchte die wechselnde Silhouette auf, deutlich zu sehen im aufsteigenden Feuerschein der Seifensiederei.

Und abermals kicherte der Besucher in aufreizender Weise. »Sieh mal, mein Kind«, wandte er sich an Meg, »wie Euer Hektor zusammenschrumpft wie ein gebrannter Wurm, wenn er an Lydias Gefahr denkt, und wie versessen er auf sie ist! Kann ich Euch nie davon überzeugen?«

Meg kniete jetzt auf der Ottomane, vor Wut mit den Zähnen knirschend und mit verzerrtem Mund.

»Verweilt noch einen Augenblick, Professor Fenton«, säuselte der Teufel. »Ich bitte Euch um Verzeihung, daß ich annahm, Ihr hättet den Verstand verloren. Ich habe inzwischen darüber nachgedacht, und ich glaube, es gibt eine ganz einfache Erklärung für das, was mich vorhin verblüffte.«

»Wovon redet Ihr eigentlich?«

»Ich denke, guter Mann, Ihr habt für den vergangenen Monat selbst Euren Kalender geführt, nicht wahr?« Ungehalten über diese Verzögerung, eilte Fenton zur Ottomane, um sich Cape, Degen und Perücke zu holen. Meg schlug nach ihm wie eine Katze; doch er stieß sie beiseite. Er schnallte sich gerade das Degengehenk um, als die nächsten nachdenklich geäußerten Worte des Besuchers ihn aufhorchen ließen. »Dieser Kalender war abgeschlossen und lag in einem verschlossenen Schrank. Ihr habt ihn niemandem gezeigt und mit keinem die Tage verglichen! Stimmt's? Mit niemandem habt Ihr über diesen Tag, den 10. Juni, den Ihr so fürchtetet, gesprochen. Habe ich recht?«

»Ich.«

»Und doch«, fuhr die Gestalt im Stuhl fort, »erwähnte Mr. Jonathan Reeve noch an diesem Abend an Eurer Tafel, daß die >Schlacht< in der Pall Mall in der Nacht des 7. Juni stattgefunden habe. Nun überlegt mal! Nach dieser >Schlacht< habt Ihr zwei Tage lang geruht. Am Abend des dritten Tages, nämlich heute, gabt Ihr eine Abendgesellschaft. Stimmt's?« Mit Händen, die vor Entsetzen wieder ruhig geworden waren, befestigte Fenton sein Cape an der linken Schulter und stülpte sich die Perücke auf.

»Es war etwas dumm von Euch«, murmelte der Teufel, »wenn auch verzeihlich. Ihr habt vergessen, daß Ihr am Tage nach der >Schlacht< den ganzen Tag und die folgende Nacht unter der Wirkung von Opiumtinktur geschlummert und Euren Kalender nicht angerührt habt. Am nächsten Tage schriebt Ihr den >achten< an Stelle des >neunten<. In Eurer Aufzeichnung habt Ihr einen Tag überschlagen.«

»Tod und Verdammnis! Was soll das heißen?« schrie Fenton.

»Heute war der 10. Juni - und Eure Gemahlin liegt im Sterben.«

Das Schweigen dauerte unerträglich lange.

»Lügner!«

»Daß Euch die Pest, Professor Fenton! Warum sollte ich mir die Mühe machen, Euch etwas vorzulügen? Ihr werdet es selbst in Kürze entdecken.«

»Die Zeit! Wie spät ist es?«

»Laßt mich noch einmal wiederholen: es spielt keine Rolle. Wenn ich vielleicht die Zeiger Eurer Uhr zum Stehen brachte, so war das nur eine sanfte Mahnung für Euch: vor einem Monat habt Ihr Euch über mich lustig gemacht und behauptet, daß ich mit Daten und Uhren jonglierte. Bleibt noch einen Augenblick«, sagte er überredend, »und ich will Euch sagen, warum Eure Gemahlin jetzt im Sterben liegt. Zum Teil ist Eure Nachlässigkeit daran schuld.«

»Meine Nachlässigkeit?«

»Aber gewiß. Ihr kehrtet heute abend ziemlich gedrückter Stimmung vom Whitehall-Palast zurück. Irgend jemand, gegen den Ihr nicht den geringsten Verdacht hegtet, verabreichte Mylady Fenton eine ungeheuer große Portion Arsenik. Von Schmerzen gefoltert, sandte sie eine Mrs. Judith Pamphlin mit einer Botschaft zu Euch. Ihr habt Mrs. Pamphlin immer für. treu ergeben gehalten?«

»Ja.«

»In gewissem Sinne war sie's auch. Aber ist Euch nie der Gedanke gekommen, daß Judith Pamphlin ihre Herrin lieber tot als in Euren Händen sah?« Fenton stand wie versteinert da.

»Also brachte Euch Mrs. Pamphlin nur die Botschaft, daß Eure Gemahlin Euch zu sprechen wünsche. Das war alles, was sie sagte, und keine Folter im Newgate-Gefäng-nis hätte mehr aus ihr herauspressen können. Ihr hättet einen Schwindel, einen Trick vermuten müssen, als Ihr erfuhrt, daß Mrs. Pamphlin im Gemach Eurer Gemahlin gewesen war. Aber nein. Ihr eiltet aus dem Haus, um bei einer anderen Frau Euer Glück zu suchen.« Meg, die wieder auf der Ottomane kniete, wandte sich mit veränderter Stimme an den Besucher.

»Ich bin die demütigste Eurer Dienerinnen«, flehte sie. »Aber quält ihn nun nicht mehr!«

Ein merkwürdiges Geräusch ertönte: als striche eine große, schuppige Hand über die eichene Armlehne des Sessels. »Mein Kind«, schnurrte der Besucher, »Ihr seid sehr reizvoll, besonders wenn Ihr so nachlässig mit dem Neglige umgeht. Aber ich jemanden quälen? Wie entsetzlich!«

Und die Gestalt im Sessel schien sich, ungeheuer amüsiert, an Fenton zu wenden.

»Geht nun«, sagte er. »Eure Gemahlin liegt in diesem Augenblick im Todeskampf. Und wenn Ihr mit Windeseile rittet oder auf Flügeln durch die Luft flögt, Ihr könntet nicht bei ihr sein, ehe sie stirbt.«

Fenton rannte hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Sie hörten das Klirren seiner Sporen, das Poltern seiner Stiefel auf den Stufen. Dann klappte die Haustür zu, und es herrschte Stille. Und abermals das Geräusch, als striche eine große, schuppige Hand über die Armlehne. Meg schauderte vor Ekel. Das Feuer im Kamin war fast erloschen. »Und nun, meine Liebe«, girrte der Teufel. Fünfundzwanzig Minuten später galoppierte Fentons schwarze Stute schaumbedeckt in die Pall Mall. Sie bäumte sich auf, als er sie mit heftigem Ruck zum Stehen brachte, und hätte ihn beinahe abgeworfen. Leichenblaß rannte er auf die Haustür zu, die sich vor ihm öffnete, noch ehe er sie erreichte.

In der unteren Halle stand Sam, der seinen Amtsstab an die Wand gelehnt hatte und eine Kerze in der Hand hielt, und neben ihm Giles, der ebenfalls eine Kerze trug und einem Zusammenbruch nahe schien. Es war so still, daß sie die Blätter draußen rascheln hörten.

»Dies kann doch unmöglich sein«, sagte Fenton. »Ich habe es nur geträumt. Es ist nicht wahr. Meine gute, holdselige Frau, die lieblichste Frau, die je .« Er brach ab.

Giles, der dies offenbar nicht mit ansehen konnte, hatte sich abgewandt.

»Sir«, sagte er nach einer Weile, als seine bebenden Lippen es zuließen, »sie - sie ist vor etwa einer halben Stunde gestorben. Sie ist bei Gott.«

Eine Zeitlang starrte Fenton stumm zu Boden, auf eine zickzack-förmige Schramme im Holz. Als er aufblickte, hatte sich Giles wieder umgedreht.

»Sir«, sagte er, »wir haben Euch überall gesucht. Keiner wußte, wo Ihr zu finden wart. Sir, wer hat Euch enthüllt, daß Eure Gattin . im Sterben lag?«

»Der Teufel«, entgegnete Fenton.

Sam schreckte zurück. Die Kerze fiel ihm aus der Hand und zerbrach am Boden. Mit ruhiger, aber entschiedener Stimme schickte ihn Giles weg.

»Sir«, sagte Giles leise, »Euer Scherz ist unangebracht.«

»Sieh mich an! Bin ich zu Scherzen aufgelegt? Nun?«

Giles wich mit flackernder Kerze zurück. »Nein, Sir, ich dachte nur.«

»Bezichtigst du mich, Giles?«

»Ich Euch bezichtigen? Wessen?«

»Der Nachlässigkeit. Und du wärest völlig im Recht. Wer aber hat es getan? Wer hat sie vergiftet? Etwa Judith Pamphlin?« Fenton zog langsam den Degen aus der Scheide. »Wo ist diese Frau jetzt, Giles?«