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»Halt dein Maul, verdammt noch mal!«

Der rotköpfige Giles schrumpfte zusammen wie eine gestochene Blase und blickte tiefverletzt drein. »Na, na«, knurrte Fenton, »hab's nicht böse gemeint.«

»Und ich will Euch doch nur gute Dienste leisten, Sir!« sagte Giles. »Und dieses Frauenzimmer, diese Magdalen York, sie soll das Haus verlassen, sobald wir eine Glaskutsche holen können. Wohin sie geht, steht in ihrem Belieben. Ich bin mit ihr fertig. Verstanden?« Fenton brach ab, weil Giles, das lange Gesicht zur Seite geneigt, ihn mit einem Blick betrachtete, in dem weder Unterwürfigkeit, Zustimmung noch Frechheit lagen. »Was zwackt dich nun, Giles?«

»Nichts für ungut, bester Herr«, erwiderte Giles. »Es ist nur, daß ich dieselben Worte schon so oft von Euch gehört habe.« Fenton richtete sich kerzengerade im Bett auf. Leise trat Giles an den Tisch zu Häupten des Bettes. Auf diesem stand jetzt ein schweres silbernes Tablett mit einem fast ebenso schweren silbernen Becher, der dampfend heiße Schokolade enthielt. Geschickt hob Giles das Tablett auf und ließ es auf Fentons Schoß gleiten. Ebenso geschickt und rasch zog er die anderen Bettvorhänge auf und befestigte sie alle mit einer Schlinge an den Bettpfosten. Fenton blickte sich verstohlen im Zimmer um.

Ein grauer, bedeckter Himmel zeigte sich hinter den beiden Fenstern. Vom Bett aus waren nur windbewegte Baumwipfel zu sehen. Die Vorhänge aus schwerem mattweißem, mit roten Fäden durchwehtem Brokat waren alle zurückgezogen und mit Schlingen befestigt. Auf dem Boden lag ein Teppich in so bunten Farben und verschlungenen orientalischen Mustern, daß Fenton die Augen schloß. Das Mobiliar bestand aus düsterer, harter, unnachgiebiger Eiche. Die niedrige Decke und die braungetäfelten Wände wirkten bedrückend.

Er zog eine Grimasse, als er seine Schokolade trank. Sie war körnig und viel zu süß; aber ein junger Gaumen kann alles vertragen. Giles beobachtete ihn scharf.

»Herr, Ihr müßt Euch sputen!« stöhnte der DienerSchreiber, die Hände ringend. »Die Stunde ist vorgerückt.«

»Wie spät?«

»Nach acht. Und Lord George wird bald hier sein.«

»Nennst du das spät?« fragte Fenton, während er ein Gähnen vortäuschte. »Nun mal rasch Rede und Antwort gestanden, Rotkopf: was für einen Tag haben wir heute? Und was für einen Monat? Und wo wir schon mal dabei sind, potz Geck, was für ein Jahr?«

Giles warf ihm einen merkwürdigen Blick zu, unterdrückte jedoch eine unverschämte Bemerkung und setzte ihn davon in Kenntnis, daß es Dienstag, der zehnte Mai im Jahre des Herrn 1675 sei. Dann war der gestrige Abend, dachte Fenton, ein Teil dieses Tages. Natürlich nach Mitternacht! Der Teufel hielt seinen Pakt genau ein. Und Lord George mußte natürlich George Harwell, der zweite Sohn des Grafen von Bristol, sein. Er war Sir Nicks engster Freund und Zechkumpan. »Eure Kleider, guter Herr!« sagte Giles, der von einem Stuhl zum anderen flog, auf denen die verschiedenen Kleidungsstücke ausgelegt waren. »Schlicht, doch mit einem farbigen Einschlag zum Zeichen Eures vornehmen Standes? Rock und Hose aus schwarzem Samt, schwarze Strümpfe und Euren Clemens-Hornn-Degen?«

Verdrießlich blieb Giles neben einem hohen Stuhl stehen, über dem ein schmales ledernes Degengehenk mit silberner Schnalle lag.

»Wird wohl ein Blutvergießen geben heute«, setzte er hinzu. »Ich fürchte, Ihr geht manchmal zu weit.«

»Blutvergießen?« rief Fenton. »Zu weit gehen?« Davon hatte im Manuskript nichts gestanden. Vielleicht war es nicht geschehen oder aus Zartgefühl unterdrückt.

»Seid Ihr mit meiner Wahl einverstanden, Herr?«

Fenton betrachtete die Kleidungsstücke. Von zahlreichen Bildern her wußte er genau, wie sie aussahen, wenn sie getragen wurden. Aber er hatte keine Ahnung, wie er sie anlegen sollte. Also erteilte er den einzig möglichen Befehl, der zugleich der passende Befehl dieser Zeit war.

»Kleide mich an!« gebot er und kam sich recht albern vor. dies führte ihn an einen Tisch, der zwischen dem linken Fenster und der Wand stand und Megs Ankleidetisch ähnelte. Der Diener hatte verschiedene Dinge darauf angeordnet: eine riesige silberne Waschschale, eine enorme Kanne mit heißem Wasser, ein sehr großes Rasiermesser mit gerader Klinge, das auf einem geölten Wetzschiefer lag - Fenton scheute ein wenig davor zurück -, mehrere stark parfümierte Seifen in Näpfen und erwärmte Tücher. Am Tisch stand ein gerundeter Stuhl mit einem tiefen Kissen. Auf Giles' breite, einladende Geste hin nahm Fenton darauf Platz. Geschickt wickelte Giles Fentons Kopfputz los. Höchst würdevoll, ohne einen Tropfen Wasser zu verspritzen, wusch er Fentons Hände - jede bis zu einer Stelle, die etwa fünf Zentimeter oberhalb des Handgelenkes lag-und trocknete sie mit großer Sorgfalt.

»Nun, das ist eine gute Leistung!« meinte der Professor, wobei er seine rechte Hand aus dem Ärmel schob und einer genauen Inspektion unterzog. »Fürwahr, eine bewundernswerte Leistung, so weit sie reicht. Reicht sie aber, so fragt man sich, weit genug? Wie, wenn ich gesonnen wäre, mir ein Bad bereiten zu lassen?«

Giles' rote Augenbrauen schossen in die Höhe, so daß sie zwei Halbkreise formten. »Guter Herr?« sagte er.

»Ich habe es aus guter Quelle«, erwiderte Fenton sinnend, »daß Königin Catherine von Braganza, als sie vor einer Dekade unseren König heiratete, in einem ihrer Gemächer im Whitehall-Palast eine große Badewanne aufstellen ließ mit einer Pumpe, die das Wasser hinaufschaffte.«

»Wir haben auch eine Badewanne«, bemerkte Giles beleidigt. »Und wohl ein halbes dutzendmal im Jahr, soviel ich weiß, muß Big Tom sie aus dem Keller heraufholen, weil Mylady Fenton oder Madam York ein solches Gezeter machen.«

»Wogegen du gemäßigter sein würdest, nicht wahr?«

»Ich sage nichts dazu«, erklärte Giles.

Während dieser Unterhaltung hatten die Finger seiner rechten Hand in einem Seifenschälchen gearbeitet und einen duftenden Rasierschaum hervorgezaubert. Dann fuhr er fort: »Aber die Damen unseres Hauses bringen es fertig, sich ohne ein ungeheuer großes Faß und zahllose Eimer frischen Wassers aus der Pumpe zu waschen. Ihr Verlangen, Hals, Arme und Schultern zu säubern, dünkt mich ganz natürlich, da diese in öffentlichen Plätzen wie Ballsälen und Spielhäusern zur Schau gestellt werden. Doch bei Gelegenheit waschen sie sich von oben bis unten.« Hier blinzelte er lüstern mit einem Auge, aber so ungekünstelt und heiter, daß selbst dieser Blick nicht unangenehm wirkte.

»Giles«, sagte sein Herr, »du bist ein lüsterner alter Kerl.«

»Alt oder jung, wer ist es denn nicht?« entgegnete Giles. »Etwas anderes zu simulieren, wäre Heuchelei, die in der Heiligen Schrift unzählige Male verurteilt wird.«

Mit der linken Hand legte Giles ein warmes Tuch sanft um Fentons Hals und schob dessen Kopf so weit zurück, daß sein Nacken wie in einem Schraubstock auf der runden Rückenlehne des Stuhles ruhte. Nun seifte Giles seinen Herrn geschickt ein. »Um bei dem Thema zu bleiben .«, bemerkte Giles.

»Potz Geck! Hörst du überhaupt nicht damit auf?«

»Sir Nick, Ihr flucht zuviel. Den Kopf zurück, bitte.«

Fentons Kopf wurde abermals zurückgeschoben, und sein Nacken erlitt Höllenqualen. »Nun, Frauen im allgemeinen, von der hochgestellten Madam Carwell -diese französische Sirene, die Seine Majestät umgarnt - bis zur niedrigen Mistreß Kitty, unserer Köchin, auf die ihr selbst so oft Euer lüsternes Auge geworfen habt.«

»Was?«

»Den Mund bitte schließen, guter Herr, sonst dringt der Schaum ein; so ist's gut. Frauen, sage ich immer, müssen ihren Körper duftender und reinlicher halten als wir armen Teufel, die sie durch ihre Schmeicheleien so plagen und ködern, daß sie infolge ihres eigenen Benehmens des öfteren unbekleidet sind.«