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>Nein<, sagte Eure Gemahlin, >kein Doktor kann mir helfen. Aber wenn du einen Geistlichen holen willst, dann soll es einer der Staatskirche sein. Denn das ist der Glaube meines Mannes, und jetzt ist es auch meiner.<« Giles hielt inne. »Sagtet Ihr etwas, Sir?«

»Nein. Ich . nein.«

»Weiß Gott, ich will Euch nicht länger quälen. Aber mit einem Umstand muß ich Euch noch bekannt machen. Immer, wenn es ihre Arbeit erlaubte, hat die Pamphlin vor der Tür Eurer Gemahlin Wache gehalten.«

»Das ist wahr. Ich selbst habe es oft bemerkt.«

»Gut! Die Pamphlin hat inzwischen folgende Aussage gemacht: Als sie am Abend des 10. Juni auf ihrem Posten stand, hörte sie Eure Gemahlin rufen und vor Schmerzen stöhnen. Sie ist dann an die Tür Eurer Gemahlin geeilt, die sie unverriegelt fand, und ins Zimmer gegangen. Könnte das stimmen?«

»Ja«, erwiderte Fenton. »In letzter Zeit gingen Lydia. meine Frau und ich sehr oft in dem Zimmer ein und aus. Sie hat die Tür nicht mehr verriegelt, wenn sie allein war.«

»Und doch«, sagte Giles, »hätte die Pamphlin Eurer Gemahlin das Gift verabreichen können, ja? Als ihre alte Kinderfrau hätte sie die gnädige Frau überreden können, einen vergifteten Trank zu sich zu nehmen, nicht wahr?«

Fenton schien sich das genau zu überlegen.

»Es ist möglich«, erwiderte er. »Aber Arsenik ist ein langsam wirkendes Gift. Selbst wenn sie es beim Abendessen genommen hat, muß es eine übergroße Dosis gewesen sein.«

»Ei, gewiß beim Abendessen«, murmelte Giles mit zusammengepreßten Zähnen. »Obwohl ich nicht sagen kann, auf welche Weise. Verflucht! Ich habe mir schon den Kopf zerbrochen über die Schuld dieser Frau. Ich hasse sie. Deshalb möchte ich gerecht sein. Aus diesem Grunde habe ich Euch auch überredet, sie nicht mit Eurem eigenen Degen zu töten, als Ihr damals halb von Sinnen nach Hause kamt. Aber ich will Euch eins sagen: Die alte Hexe liegt angekettet in einem kleinen Raum, streng bewacht von den Dienstboten. Kein Mensch kann diese Leute noch lange zurückhalten. Sie möchten sie töten, schon allein aus dem Grunde, weil sie Euch nicht gesagt hat, daß Eure Gemahlin im Sterben lag, und Euch ohne dieses Wissen aus dem Hause gehen ließ.«

Giles seufzte wie jemand, der sich vergeblich um eine Entscheidung bemüht hat.

»Herr«, fügte er schlicht hinzu, »was soll ich jetzt bloß tun?«

»Was die Pamphlin angeht«, sagte Fenton, »so werde ich mir die Sache durch den Kopf gehen lassen und selbst mit den Dienstboten sprechen.«

»Gut!« sagte Giles erleichtert. »Aber, Giles, du hast mir ja gar nichts erzählt!« Giles war völlig verblüfft. »Gar nichts, Sir?«

»Nur von der Nacht, in der meine gute, teure Frau . zur ewigen Ruhe gegangen ist. Was ist hinterher geschehen?«

»Sir, da kann ich Euch nur mit Euren eigenen Worten erwidern: gar nichts«, sagte Giles, der in seiner Erleichterung wieder in den alten, kecken Ton verfiel.

»Aber ein Arzt im Hause? Ein Todesfall durch Vergiftung? Da ist doch sicherlich ein Friedensrichter .?«

»Zum Schluß meines kleinen Berichts will ich davon erzählen.« Giles setzte wieder eine grimmige Miene auf. »Wohlgemerkt, muß ich noch einmal auf den Abend des 10. Juni zu sprechen kommen. Zuerst kam der Geistliche, ein stiller, ruhiger Mann. Dann erschien der einzige Doktor, den wir zu dieser Stunde erreichen konnten: der reinste Hansnarr! Eure Gemahlin schrie laut auf, als er sie anrührte. >Hm!< sagt er kopfschüttelnd und dann wieder >Hem! Dies ist ein überaus mysteriöser Fall!< Schließlich konnte ich das Geschwafel nicht mehr mit anhören und zog ihn auf den Flur. Dort fragte ich ihn, ob er sie in Gottes Namen heilen könne. >Nun<, sagt der Arzt, indem er den Finger an die Nasenspitze legt, >es handelt sich hier um eine Entzündung des Darmes, vielleicht auch um eine Vergiftung. Das kann ich erst sagen, wenn die arme Dame tot ist. Aber ich bin sehr beunruhigt, guter Mann, und hole am besten einen Friedensrichtern« Hier verstärkte sich der bittere Ausdruck in Giles' Gesicht. »>Magister der Medizin<, sage ich, »Ihr müßt so handeln, wie es Euch beliebt. Doch bevor Ihr einen Friedensrichter bemüht, möchte ich Euch die Namen derer aufzählen, die an diesem Abend an der Tafel meiner Gebieterin speisten.< Und ich nannte sie. >Mylord Danby <, ruft der alte Doktor. >Nein, dann will ich mich nicht einmischen; 's ist eine Darmentzündung, keine Vergiftung. Ich werde es schriftlich niederlegen. Ihr könnt sie begraben, wann Ihr wollt.<

Sir, wir waren völlig ratlos, da wir nur diesen Tölpel hatten. Eure Gemahlin ertrug jedoch alles mit großer Geduld. Wenn sie zu reden vermochte, sprach sie nur von Euch. Wir mußten ihr das lächerliche Ding holen, mit dem Ihr in den Zähnen herumstochert, und sie drückte es an ihre Brust wie ein Kruzifix. Und so starb sie, von einer solchen Liebe zu Euch erfüllt, wie man sie bei wenigen Frauen findet.« Jäh wandte sich Giles ab und stand auf.

Er trat an den Ankleidetisch und nahm ein kleines, fast volles Glas mit einer dunkelbraunen Medizin in die Hand. Dieses hielt er gegen das trübe Licht und betrachtete es eingehend, ehe er zurückkehrte und es neben die Kerze auf den Nachttisch stellte. Fenton blickte nachdenklich auf die Bettdecke.

»Du hast gut gesprochen«, sagte er, »und gut gehandelt. Ich sage dir meinen besten Dank dafür.« Giles verbeugte sich.

»In deinem Bericht«, fuhr Fenton fort, »steckt nur ein Fehler. Ich muß dir ein Geheimnis anvertrauen: meine Frau hat mich in Wirklichkeit nicht geliebt. Wollte Gott, es wäre anders!« Giles schien wie vom Donner gerührt.

»Ah!« sagte er in einem ganz anderen Ton, und es war Fenton, als hätte ihn Giles angezischt. »Hier ist noch etwas, was meinen Argwohn erweckte!«

»Argwohn?«

Vor Erregung zitternd, lehnte sich Giles halb über Fenton. »Es betrifft«, sagte er, »einen zerknüllten grauen Brief, den ich am nächsten Morgen dort - auf Eurem Ankleidetisch - fand, in der Handschrift Eurer Gemahlin. Und es betrifft Eure Rückkehr vom Whitehall-Palast am vorhergehenden Abend, als Ihr mir schwort, daß alles fröhlich und herzlich zugegangen sei, wogegen ich mit meinen eigenen Augen einen kranken, gebrochenen Mann vor mir sah.«

Fenton wandte den Kopf zur Seite.

»Deine Absichten sind gut, altes Faktotum. Aber was weißt du schon von diesem Abend?«

»Nicht viel, nur die Wahrheit. Ich bin nämlich der Sache auf den Grund gegangen.«

»Du?«

»Zum Teufel mit Eurer Ironie! Jawohl, ich, wer denn sonst? Habe ich nicht gehört, was Eure Gemahlin mir auf dem Totenbett sagte? Habe ich nicht den grauen Brief gelesen? Konnte ich mich nicht an Mr. Jonathan Reeve, Euren Freund, wenden, und steht ihm nicht die ganze Flüstergalerie von Whitehall zur Verfügung, wo eine Neuigkeit gegen die andere eingetauscht wird? Wenn ich Gold brauchte, um Geheimnisse hervorzulocken, hatte ich nicht Eure Geldschatulle? Sagt mir jetzt: habe ich unrecht gehandelt?«

»Nein.«

»Sir«, sagte Giles jetzt wieder in bescheidenem Ton, »Ihr glaubt immer noch, daß die Liebe Eurer Gemahlin nur Schauspielerei war und sie Euren Tod wünschte. Nun, vielleicht hattet Ihr Grund zu dieser Annahme.« Giles hob plötzlich seinen hageren Arm, als wolle er einen Eid ablegen. »Dennoch schwöre ich bei meiner unsterblichen Seele, daß sie Euch nie bei vollem Verstande an den Green-Ribbon-Klub verraten hat und daß ihre Liebe so echt war, wie ich sie geschildert habe! Und das kann ich beweisen.«

»Und doch«, fragte Fenton, »schrieb Lydia den Brief?«

»Allerdings«, gab Giles in aller Ruhe zu. »Sie schrieb ihn, als sie halb von Sinnen war und nicht ein noch aus wußte. Sie war kein leichtfertiges, tändelndes Mädchen, sondern eine Frau, die Freude, Haß und Kummer aufs tiefste empfand! Könnt Ihr Euch noch entsinnen - es sind zwar Wochen darüber hingegangen -, was am Morgen des 10. Mai geschah?«