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Ähnlichkeit mit Charles dem Ersten auf dem Schafott. »Ihr habt weniger Zeit, als Ihr glaubt.«

Die Tür schloß sich hinter dem Vizegouverneur und wurde abermals verriegelt. Fenton starrte darauf und fühlte alle Hoffnung dahinschwinden. Vierzehn lange Tage hindurch hatte er versucht, Colonel Howards Vertrauen zu gewinnen. Er kehrte zu seinem Lager zurück und setzte sich nieder. Von dem Pfad her, der durch den Bogen zur anderen Seite des Middle Towers führte, konnte er das Trampeln und Scherzen der Besucher hören, die sich in Begleitung eines Wärters den Tower ansehen durften.

Von der Menagerie erschallte das Husten und Bellen einer Hyäne. Der lange Nachmittag mit seinem von Rauch verdunkelten Licht ging zu Ende. Es wurde Zeit für die Menschenmenge, nach Hause zu gehen. Bald würden die Abendschatten auf das graue Gemäuer fallen.

Immer, wenn Fenton allein war, weilte er in der Phantasie bei Lydia. Sie war jetzt zurückgekehrt, um ihn zu beruhigen. Meistens erschien sie ihm, wie er sie an jenem Abend beim Glanz des Silbers und der Wachskerzen gesehen hatte, während Mr. Reeve das alte Liebeslied leise auf der Zither erklingen ließ. Sie saß auf dem Stuhl, den vor kurzem Colonel Howard eingenommen hatte. Der Blick ihrer blauen Augen war liebevoll, aber traurig. Ein heller Schimmer lag auf ihrem braunen Haar. Die halbgeöffneten Lippen versuchten zu lächeln. Ihre Hände waren gefaltet und die Arme ihm ein wenig entgegengestreckt. Und Fenton sprach laut mit ihr.

»Warte auf mich, vergiß es nicht. Es war bitter, daß es mir nicht gelang, den Vizegouverneur zu überreden. Es macht aber nichts. Ich bin noch nicht geschlagen. Da ich den Namen des Giftmischers kenne.«

Fenton hielt inne, voller Bedauern, daß er diese Worte gesprochen hatte. Denn Lydia floh bei dem Wort »Giftmischer«, obwohl sie einen verzweifelten Versuch zu machen schien, seine Hand zu berühren.

Seine Phantasie erlaubte ihm nicht, sie zu sehen, wenn er an Gift dachte.

Aber der Giftmischer war natürlich Kitty Softcover, seine frühere Köchin.

Seine Phantasie ließ Kitty, die Dirne von Alsatia, vor ihm erscheinen: klein, in schmutziger Kleidung mit ihrem schönen roten Haar und der feinen weißen Haut, aber mit schlechten Zähnen und gierigen Augen, die immer nach Diamanten und Smaragden schielten.

»Alte Schlampe«, redete er sie an, »dich habe ich vom ersten Augenblick an in Verdacht gehabt und auch mit Giles darüber gesprochen. Ich fand am Schloß der Haustür Spuren der Seife, mit der du einen Abdruck für einen Schlüssel genommen hattest, und gab sofort Anweisung, einen Riegel von innen anbringen zu lassen. Aber es ist vergessen worden, wie ich feststellen mußte, als Captain O'Callaghan mich als Gefangenen abführte.« Es war ihm, als ziehe Kitty haßerfüllt ihre Oberlippe zurück und winde sich gleichzeitig wie eine Schlange, um ihn zu betören. »Aber wo hättest du alte Schlampe eine neue große Portion Arsenik bekommen können, um Mylady zu vergiften? Erst hier im Tower habe ich wieder an meinen Besuch mit Lord George im Laden des Apothekers William Wynnel in der Totenmannsgasse gedacht.«

In Gedanken hörte er Kitty lachen.

»Es war deutlich zu merken, daß der alte Mann in dich vernarrt war. Wärest du zu ihm zurückgekehrt, hätte er dir zum zweitenmal so viel Gift gegeben, wie du wünschtest. Darauf möchte ich jede Wette eingehen, Schmeichelkatze. Du hast mich und meine Frau gehaßt. Hast du nicht vor meinen Augen eine Schale Sektmolke mit Arsenik vergiftet? Am Abend des 10. Juni bist du in mein Haus gekrochen. Vielleicht, um zu stehlen? Du bist aber geblieben, um zu töten. Meine Freunde brauchen nur Magister Wynnel zu ergreifen und die Wahrheit aus ihm herauszupressen. Dann können wir dich dem Richter aushändigen.« Aber Kitty war verschwunden, weil Fentons Gedanken stockten. Er fuhr sich mit der Hand über die feuchte Stirn, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und versuchte wieder nachzudenken . Fast sofort - so kam es ihm wenigstens vor - schien eine innere Stimme klagend zu rufen: »Nimm dich in acht, nimm dich in acht, nimm dich in acht!«

Fenton setzte sich aufrecht hin und spürte bei dieser Bewegung einen heftigen Schmerz in seinen verkrampften Schultern. Vorübergehend glaubte er, in pechschwarze Finsternis gehüllt zu sein. Doch als er seine Augen öffnete, sah er, daß der Vollmond durch die vergitterten Fenster schien und alles im Raum deutlich erkennen ließ.

Er mußte wohl geschlafen haben. Im Tower war kein Laut zu hören, nicht einmal ein Flüstern, nur das leise Plätschern des Wassers unten in der Tiefe.

Die Stille war unheimlich. Lautlos - als hätte er Angst -schob er sich an den Bettrand und stand auf. Auf Zehenspitzen ging er eine Zeitlang im Kreise umher, als ob ein Feind in einem schattigen Winkel lauere.

Es waren drei Fenster im Raum: eins ging nach Westen, eins nach Süden, auf den Fluß hinaus, und eins nach Nordosten. Die Luft war jetzt kühl. Geräuschlos schlich sich Fenton an das Nordostfenster. Er konnte keine einzige Laterne leuchten sehen, wohin er auch blicken mochte. Auch in den Türmen des Towers war kein Licht, nicht einmal im Wakefield Tower, in dem der Gouverneur seine Wohnung hatte. Selbst die Raben in den Bäumen auf dem Tower-Anger mußten jetzt schlafen.

Fenton erschauerte. Geräuschlos schlich er sich an das Südfenster, das über den Fluß hinausblickte. Selbst die Themse schien leer, abgesehen von einigen Fahrzeugen, die etwa dreihundert Meter entfernt an dem gegenüberliegenden Ufer vertäut lagen. Ein größeres Schiff, ein Rahsegler, hatte zwei grüne Laternen an der Rahe seines Großmastes. Jetzt konnte Fenton das Zischen der weißen Wassermassen unter dem Kai und an der Mauer hören. Aber sonst keinen Laut.

Halt! Da war ein anderes Geräusch.

Irgend jemand bewegte sich sehr leise über den Postengang auf seine Tür zu.

XXII

Fenton hob den schweren Stuhl auf, der an dem Tisch stand, schwang ihn in der Hand und fand, daß er als Waffe genügte. Er trug ihn auf Zehenspitzen zu einem halbdunklen Winkel jenseits des Westfensters und wartete.

Mit äußerster Vorsicht wurde erst der eine, dann der andere Riegel zurückgeschoben.

Aufgepaßt, dachte Fenton und umklammerte, vor Erregung zitternd, den Stuhl fester.

Zuerst dachte er an Meuchelmord. Aber wenn er auch unwiderruflich in der Vergangenheit eingekapselt war, so lebte er doch schließlich unter Charles dem Zweiten und nicht unter Richard dem Dritten. Die Zeiten waren vorbei, wo in den tiefen Verliesen des Towers unglückselige Menschen unter der Folter schrien oder schwarzgekleidete Männer mit geschwärzten Gesichtern die enge Todestreppe zum Bloody Tower, dem Blutigen Turm, hinaufschlichen.

Jetzt wurde ein großer Schlüssel ins Schloß gesteckt, und als er sich langsam drehte, schnappte das Schloß zurück wie der Hahn einer leeren Muskete.

Ein heller Streifen Mondlicht fiel auf den Boden, als sich die Tür öffnete. Fenton konnte seinen Besucher atmen hören. Es war eine Frau, die ein langes schwarzes Cape mit runder, spitzenbesetzter Kapuze trug.

Fenton stellte den Stuhl wieder auf den Boden. Er hätte sich denken können, wer kommen würde.

Es war Meg York, aber eine in undefinierbarer Weise veränderte Meg York. Vielleicht war das Mondlicht daran schuld. Sie legte den Schlüssel auf den Tisch und schob die Kapuze zurück. Ihr Haar fiel in langen schwarzen Locken auf ihre Schultern herab, und ihr Gesicht, das keine Spur von Härte oder Ironie zeigte, war das Gesicht Mary Grenvilles. Fenton überlief ein kalter Schauer, weil es ihm wie eine Maske erschien. Meg behielt eine Hand unter dem Cape, als trage sie eine Waffe. Unwillkürlich tasteten seine Hände wieder nach dem Stuhl.

Lautlos kam sie auf Fenton zu und blieb dicht vor ihm stehen. Es schien Mitleid und Verständnis in ihren Zügen zu liegen, was ihm bei einer Maske unheimlich vorkam. Als sie ihn anredete, geschah es fast im Flüsterton.