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»Um was für einen Anschlag handelt es sich?« fragte Fenton heiser.

»Seine Majestät«, fuhr Meg unbeirrt fort, während ihr Haar seine Wange berührte, »war höchst erstaunt, als ich so sprach. Ich sehe ihn noch vor mir mit seinem düsteren Gesicht und diesen Augen, die einen so unauffällig erforschen, dazu das Sonnenlicht auf den gemalten Fensterscheiben .«

»Meg! Hör auf mit dem Geschwätz! Was hat's mit diesem Anschlag auf sich?«

Er fühlte, wie ein Zittern durch ihren ganzen Körper lief. »Aber der König war in gnädiger Stimmung, da er entdeckt hatte, daß die Anklagen gegen Lydia grundlos waren. Ein infamer Schurke gab vor, einen Brief von Lydia gelesen zu haben. Ein solcher Brief existierte überhaupt nicht. Weißt du seinen Namen?«

»Wer war es?«

»Ein Mann, dessen Ehre du vor den Augen der Green-Ribbon-Lords zuschanden gemacht hast. Sobald sein Bein wieder geheilt war, schlich er sich davon und bot Whitehall seine Dienste an. Aber nach Aufdeckung seines Betruges mit dem Brief ist er dann wieder zum Green-Ribbon zurückgekehrt.«

»Doch nicht etwa Captain Duroc?«

»Mein - mein früherer Beschützer, Captain Duroc.«

Fenton wurde von einer solchen Wut gepackt, daß er kaum zu atmen vermochte. Seine linke Hand fiel auf den Degenknauf. In Gedanken sah er die sehr große, ganz in Weiß gekleidete Gestalt, wie sie aalglatt und höhnend vor ihm gestanden hatte.

»Also überzeugte ich Seine Majestät davon«, fuhr Meg in lauterem, aber ebenso raschem Ton fort, »daß er ein Schiff, irgendein Schiff senden müsse, um dich zu entführen. Heute brauchte ich nur in Begleitung eines Wärters, der mir verliebte Kulleraugen machte, in den Tower zu marschieren und dann bei Colonel Howard Zuflucht zu suchen, bis . Nein«, flüsterte sie atemlos, »ich darf nicht länger so müßig reden. Ich muß dir von Mylord Shaftesburys bösem Anschlag erzählen. Nun! Er beabsichtigt.« Meg brach jäh ab.

Das mächtige Gebrüll eines Löwen im Zwinger durchbrach die nächtliche Stille. Ein zweiter Löwe antwortete, dann ein dritter und ein vierter. Dazwischen ertönten schrille Schreie und das heisere Fauchen der anderen Raubtiere.

Meg und Fenton standen beide wie erstarrt. Eine von der Themse herüberwehende Brise ließ das Laub der Bäume auf dem Tower-Anger rascheln. Am nordöstlichen Fenster blitzte ein schwacher Lichtstreifen auf.

Fenton lief zu diesem Fenster hinüber und entdeckte die Ursache: an einem oberen Fenster im Wakefield Tower, zweifellos in dem Raum, wo Wärter und Soldaten beim Trinkgelage versammelt waren, hatte jemand den schweren Vorhang zur Seite gezogen, so daß der Lichtschein nach draußen fiel. Ein Schatten erschien am Fenster. Da der Wakefield Tower keine hundert Meter entfernt war, schallten die Stimmen deutlich herüber.

»Bei Gott!« brüllte ein Offizier der Fußgarde in angeheitertem Ton. »König Charles ist heute abend gut bei Stimme!«

»König Charles?» stieß Meg hervor, die neben Fenton getreten war.

»Sachte! Keine Angst!« beruhigte sie Fenton, obwohl es ihn heiß und kalt überlief. »Der größte Löwe in der Menagerie wird immer nach dem regierenden Monarchen genannt.« Der Löwe brüllte von neuem.

»Potztausend!« gellte eine andere Stimme vom Fenster des Wakefield Towers. »Wir haben Sir Roberts Gastfreundschaft schon viel zu lange in Anspruch genommen. Es muß eine Viertelstunde auf Mitternacht sein.«

»Kopf hoch, mein Freund, und leeren wir noch einen letzten Humpen auf einen verdammt guten Krieg!«

Meg flüsterte Fenton aufgeregt zu: »Sir Robert, der ein nüchterner Mann ist, kann sie nicht über Mitternacht hinaus halten. Er gerät in Verdacht, wenn man entdeckt, daß du entkommen bist.« Die Brise hatte sich inzwischen verstärkt, und plötzlich flog die schwere Tür zum Postengang, die Meg nicht ganz fest geschlossen hatte, auf und krachte gegen die Wand mit einem Lärm wie ein Kanonenschuß.

Im Wakefield Tower, wo sich jetzt viele Gestalten an die Fenster drängten, herrschte auf einmal tiefstes Schweigen. Fenton eilte an die offene Tür. Draußen konnte er einen Teil des Postenganges und die brusthohe Festungsmauer mit den bis zur Hüfte reichenden Scharten sehen. Er konnte den frischen Wind auf seinem Gesicht spüren und das Schäumen des Wassers in der Tiefe hören. Zwei Schritte, ein Sprung und .

»Himmel! Was ist denn am Middle Tower los?«

»Middle Tower? Es sind die Aufseher in der Menagerie, die die Türen der Käfige zugeknallt haben!«

Und was würde mit Meg geschehen, dachte Fenton, wenn ich sie verließe? Bedächtig schloß er die Tür und kehrte wieder zu ihr zurück.

Hoch oben auf dem Tower-Anger bewegte sich die Laterne eines Postens.

»Und wie steht's mit Lord Shaftesburys Anschlag?« fragte Fenton keuchend. »Oder sagen wir lieber: was für einen Tod hat die Geschichte für mich vorgesehen?«

Megs Knie bebten. Sie mußte sich an den Eisenstangen des Fensters festhalten.

»Du wirst entweder auf deiner Flucht von hier niedergeschlagen«, erwiderte sie, »oder .«

»Na, na, ich kann nicht auf zweierlei Art sterben!«

»Du - du kennst doch des Teufels merkwürdigen Humor«, sagte Meg stockend. »Entweder auf die eine oder die andere Weise. Aber du mußt die Geschichte ändern und beide Geschicke ab wenden! Denn der Teufel wollte mir nicht verraten, welches Schicksal dir beschieden ist.«

»Und die andere Todesart? Komm, schnell!«

»Oh, Gott, steh mir bei!« seufzte sie. »Meg!«

»Du wirst mit Steinen und Schmutz beworfen, wenn du halbtot auf deinem Sarg sitzt in dem Karren, der dich vom Newgate-Gefängnis nach Tyburn bringt, und in Tyburn wirst du an dem hohen Galgen hängen und unter einem Regen von Steinen langsam ersticken! Siehst du nun endlich, warum du dich in aller Hast auf das Schiff flüchten mußt?«

»Nein!«

»Kitty Softcover war an dem Abend, als Lydia starb, in deinem Haus. Aber diese Kreatur hat Lydia nicht vergiftet!«

»Nein ...? Wer war es dann?«

»Du hast Lydia vergiftet«, stieß Meg hervor. »Und Kitty Softcover hat dich beim Richter und bei Mylord Shaftesbury denunziert.«

XXIII

»Zieht die Vorhänge zu!« rief eine Stimme vom Wakefield Tower. »Noch einen letzten Humpen! Dann nehmen wir Abschied!« In dem kalten, von Schatten gestreiften Mondlicht blickte Fenton Meg an.

»Ich bin jetzt nicht zu Scherzen aufgelegt«, flüsterte er. »Aber, liebstes Herz, ich scherze nicht!«

»Es ist eine Lüge!« sagte Fenton.

Doch plötzlich ging ihm ein Licht auf. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.

»Ja, du verstehst!« Es war, als könnte Meg seine Gedanken lesen. »Du warst es natürlich nicht selbst. Es war nicht dein eigenes Ich, sondern Sir Nick.

Schon früher einmal hattest du ein ähnliches Erlebnis, nämlich beim Apotheker in der Totenmannsgasse. Um meinetwillen erfüllte dich Furcht - beim Gedanken, ich könnte eine Giftmörderin sein. Entsinnst du dich? Du gerietest darüber in Wut und verlorst für zehn Minuten dein Gedächtnis. Sir Nicks Seele triumphierte. Du verwandeltest dich in Sir Nick und tobtest dich aus. Mein lieber, lieber Nick, genauso war es bei deiner Rückkehr aus dem Whitehall-Palast. Deiner eigenen Uhr zufolge kehrtest du um halb neun heim. Du warst benommen und sehr erregt über Lydias vermeintliche Falschheit - eine leichte Beute für Sir Nick, falls der Zorn in dir mächtig werden sollte. Zu Hause bist du dann gleich in dein Schlafzimmer geeilt, wo du dich in einen Sessel ans offene Fenster setztest. Habe ich recht?«

Fenton nickte. Es fiel ihm schwer, die Lippen zu bewegen. »Aber Lydia«, stieß er endlich heiser hervor, »wurde doch schon langsam vergiftet, noch ehe ich Sir Nicks Gestalt annahm. Ich habe sie sogar geheilt! Vorher war ich ja überhaupt nicht hier! Wer hat denn da.?«

»Oh, kannst du es nicht erraten?«

»Sir Nick etwa?«