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Thorn hob sein Gewehr, und Elder bedachte nun ihn mit einem bleichen, verächtlichen Blick. »Was wirst du tun?« fragte er. »Mich umbringen? Bitte.«

»Du weißt, daß er es könnte«, sagte Kara. »Ich meine, wirklich könnte.«

»Dann tut es!« stieß Elder hervor. »Tut, was ihr wollt - aber ich werde euch ganz bestimmt nicht mein Schiff ausliefern. Auch nicht, wenn es mein Leben kostet.«

»Ich habe nichts anderes von dir erwartet«, sagte Kara ruhig.

Sie gab Hrhon einen heimlichen Wink, Elder fester zu halten.

»Aber weißt du... Wir werden dich nicht umbringen. Siehst du das da?« Sie deutete mit einer Kopfbewegung in den Gang hinaus. »Möchtest du ihr Schicksal teilen?«

Elder sagte auch jetzt nichts, aber Kara bemerkte, daß er insgeheim die Muskeln spannte, um die Festigkeit von Hrhons Griff zu testen. Das Ergebnis, zu dem er kam, machte ihm wohl endgültig klar, wie aussichtslos seine Lage war. Nervös und fahrig fuhr er sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Sein Blick tastete immer unsicherer über die Ansammlung wimmernder, zusammengesunkener Gestalten draußen im Gang.

»Komm mit!« befahl Kara. Hrhon sorgte dafür, daß Elder ihr folgte, während sie sich vorsichtig einer der wimmernden Gestalten näherte. Der Mann hatte nur sehr wenig des glitzernden weißen Staubes abbekommen. Trotzdem war sie sehr vorsichtig, als sie ihn mit der einen Hand an der Schulter berührte und herumdrehte und die andere in sein Haar grub, um seinen Kopf zurückzuzwingen, damit Elder in sein Gesicht sehen konnte. »Siehst du das?« fragte sie hart. »Sieh genau hin, Elder! Du warst doch so wild auf Donays Erfindungen, nicht? Das hier hat er extra für euch gemacht! Gefällt es dir?«

Elder war einer Panik nahe. Mit aller Kraft bäumte er sich in Hrhons Griff auf, aber der Waga zwang ihn unbarmherzig tiefer, bis sich sein Gesicht dem des Wahnsinnigen bis auf eine Handbreit genähert hatte. »Was... was habt ihr mit ihm getan?« stammelte er.

»Ihn nicht getötet«, sagte Kara kalt. »Weißt du, Elder, du hast mir vielleicht ein bißchen zuviel über euch erzählt. Ich weiß, daß du keine Angst vor dem Tod hast. Für dich ist es nur ein Spiel, nicht wahr? Für euch alle ist es nichts als ein großes spannendes Spiel. Ich weiß, daß wir euch nicht töten können. Aber das haben wir auch gar nicht vor.«

»Was... was habt ihr... getan?« krächzte Elder.

»Die Spielregeln geändert«, antwortete Kara. Sie raffte ein wenig des hoffentlich wirkungslos gewordenen Staubes von der Schulter des Mannes auf und blies es Elder ins Gesicht. Er kreischte und warf sich zurück, aber sofort packte Hrhon sein Haar und hielt ihn fest.

»Eines von Donays neuen Spielzeugen«, sagte Kara. »Diese kleinen Lieblinge hier greifen nicht eure Körper an. Sie zerstören den Geist.« Sie ließ einige Sekunden verstreichen, damit ihre Worte angemessen wirken konnten. »Wie würde dir das gefallen, Elder? Was würdest du davon halten, so zu leben? Und ich schwöre dir, daß ich dafür sorgen werde, daß du lange lebst. Sehr lange.«

Elder starrte das Gesicht des Wahnsinnigen vor sich an. Seine Lippen zitterten, und seine Augen schienen aus den Höhlen quellen zu wollen, aber er brachte keinen Laut mehr heraus.

Und für einige Sekunden tat er Kara beinahe leid. Sie glaubte nicht, daß sie in der Lage war, nachzuvollziehen, was er in diesem Moment empfand, was es für einen Mann wie ihn, der ein zwei Jahrhunderte langes Leben geführt hatte, bedeuten mußte, doch plötzlich verwundbar zu sein.

»Bitte«, stammelte er. »Tut das nicht.«

»Ein Wort von dir genügt«, sagte Kara. Sie streckte die Hand aus, löste das kleine Funkgerät von Elders Gürtel und hielt es vor sein Gesicht. »Sag deinen Leuten, daß sie den Widerstand aufgeben sollen.« Sie schlug mit der anderen Hand ihren Mantel zurück, so daß Elder die beiden verbliebenen Gläser mit weißem Staub sehen konnte, die sie darunter verborgen gehabt hatte. »Oder ich schwöre dir, daß ich diese beiden Gläser in das Ventilationssystem dieses Schiffes schütten werde. Ich weiß, wie man das macht. Thorn hat es mir verraten.«

»Das... das kannst du nicht tun«, stammelte Elder. »Du... du kannst nicht... du kannst nicht zweitausend Menschen umbringen.«

»Nein?« fragte Kara ruhig. »Kann ich nicht?« Sie lachte leise. »Seltsam, noch vor zwei Stunden habe ich das gleiche von dir gedacht. Ich habe mich getäuscht.«

»Sie... sie würden mir nicht gehorchen«, sagte Elder mit zitternder Stimme. »Ich... ich bin nicht der Kommandant dieses Schiffes.«

»Versuche es!« verlangte Kara.

Sekundenlang starrte er sie nur an, suchte verzweifelt nach einem Zögern, irgendeinem Hinweis in ihrem Blick, daß sie nur bluffte, aber er fand nichts. Schließlich nickte er. »Also gut«, sagte er. »Drücke die große Taste auf der rechten Seite.«

Kara tat, was er gesagt hatte, und aus dem kleinen Gerät erklang wieder das Knistern und Rauschen.

»Hier spricht Commander Elder«, sagte Elder mit stockender, belegter Stimme. »Stellt den Widerstand ein! Ich wiederhole: Stellt sofort jeden Widerstand ein!«

Sekundenlang antwortete nur statisches Rauschen und Knistern auf seine Worte, dann hörte Kara eine leise, verzerrte Stimme, der man trotzdem das Erstaunen anmerkte. »Bitte, wiederholen Sie das, Commander!«

»Ich habe gesagt, ihr sollt aufhören!« brüllte Elder. »Das ist ein Befehl!«

Diesmal dauerte es beinahe zehn Sekunden, ehe er eine Antwort bekam. »Es tut mir leid, Commander, aber ich glaube, diesen Befehl können wir nicht befolgen.«

»Was soll das heißen!?« schrie Elder. »Ich habe gesagt -«

»Negativ«, unterbrach ihn die Stimme aus dem Gerät. »Ich gehe davon aus, daß Sie diesen Befehl unter Zwang geben.«

»Das ist nicht wahr!« schrie Elder. »Sie werden sich dafür verantworten müssen!«

»Das werde ich, Commander«, antwortete die Stimme aus dem Gerät, »sollte ich mich täuschen.«

Obwohl Kara den Schalter weiter drückte, brach das Knistern und Rauschen ebenso plötzlich ab wie die Stimme. Sie ließ den kleinen Sender sinken. Sie war nicht enttäuscht. Keiner von ihnen hatte damit gerechnet, daß die Verteidiger dieses Schiffes aufgeben würden, nur weil Elder es ihnen befahl.

»Ich habe es versucht«, sagte Elder.

Kara kam für gute drei oder vier Minuten nicht dazu, zu antworten, denn ein weiterer Drache landete hinter ihnen in der Halle, und erneut kletterten zwei Dutzend von Thorns Soldaten vom Rücken des Tieres. Einer davon kam mit weit ausgreifenden Schritten herbeigeeilt und wechselte einige halblaute Worte mit Thorn. Er nickte, schickte den Mann wieder fort und wandte sich dann an Kara.

»Sie sind jetzt an fünf Stellen eingebrochen«, sagte er. »Mit ein bißchen Glück schaffen wir es.«

»Mit ein bißchen Glück sind wir in einer halben Stunde alle tot, du Wahnsinniger!« sagte Elder. »Was glaubt ihr, damit erreichen zu können! Bildet ihr euch ein, die anderen würden zusehen? Sie sprengen uns alle in die Luft, ehe sie zulassen, daß dieses Schiff in eure Hände fällt!«

»O nein«, sagte Kara. »Das werden sie ganz bestimmt nicht tun, Elder.« Sie stand auf, beantwortete seinen verwirrten Blick mit einem Lächeln und wollte etwas sagen, als eine ungeheure Explosion das Sternenschiff erschütterte. Der Schlag war so gewaltig, daß sie alle von den Füßen gefegt wurden und einfach übereinanderstürzten. Das Heulen der Alarmsirenen, das bisher eine monotone, an den Nerven zerrende Begleitmusik zu der Schlacht dargestellt hatte, erlosch mit einem quäkenden Mißton, und für zwei oder drei Sekunden ging das Licht aus.

Als es flackernd wieder zum Leben erwachte, war es nicht mehr weiß, sondern rot.

Kara richtete sich benommen auf. Das Schiff bebte immer noch unter ihnen, als wolle es auseinanderbrechen, und ein dumpfes, nicht enden wollendes Grollen und Dröhnen lief durch seinen Rumpf. Der ersten, großen Explosion folgte eine Kette kleinerer Detonationen, die sich vom Heck her rasch zum Bug des Schiffes bewegten und doch dabei immer heftiger zu werden schienen. Lodernder Feuerschein drang durch das aufgesprengte Tor herein, und als Kara in seine Richtung blickte, sah sie, daß die Druckwelle die Drachen wie einen Fliegenschwarm durcheinandergewirbelt hatte. Ein Teil des Waldrandes war in Flammen aufgegangen, und außerhalb ihres Sichtbereiches blitzte es immer wieder grell und weiß auf, und jedesmal antwortete aus dem Leib des Schiffes ein schwerfälliges, drohendes Grollen und Zittern darauf.