Der Bursche seufzte, schüttelte fast bedauernd den Kopf und machte einen weiteren Schritt auf Elder zu, und Elder drückte ab.
Nichts geschah. Elder starrte das mattsilberne Stück Metall in seiner Hand fassungslos an und drückte noch einmal ab und noch einmal. Der Bursche vor ihm gab ihm ausreichend Zeit, seiner Verblüffung Herr zu werden. Dann stürzten sie sich wie auf ein geheimes Kommando auf sie.
Zwei warfen sich auf Elder, vier auf Hrhon und jeweils zwei Burschen auf Angella und Kara, während der Rest damit beschäftigt war, sich auf der engen Straße gegenseitig zu behindern.
Daß die Angreifer die beiden Frauen unterschätzten, war ein Fehler, den zumindest zwei von ihnen sofort bitter bereuten.
Kara riß ihr Schwert aus der Scheide und empfing den ersten mit einem Stoß des Schwertknaufs, der ihn die Hälfte seiner Zähne kostete und ihn mit einem gurgelnden Schrei zurücktaumeln ließ. In der gleichen Bewegung wirbelte die Waffe herum, verwandelte sich in einen schimmernden Kreis aus Stahl und befreite den zweiten Burschen von seinem Schwert. Dann sprang Kara nach vorn, fegte einem dritten Angreifer die Beine unter dem Leib weg und versuchte, die Kehle des Mannes zu treffen, als er stolperte.
Ihr Hieb ging ins Leere. Sie strauchelte, vom Schwung ihrer eigenen Bewegung mitgerissen, und versuchte, mit einem raschen Schritt das Gleichgewicht wiederzufinden. Sie wäre wahrscheinlich trotzdem gestürzt, wäre nicht einer der Angreifer so dumm gewesen, nach ihrem Schwert zu greifen, um ihr die Waffe aus der Hand zu reißen.
Sein Fehler kostete ihn zwei oder drei Finger, und der plötzliche Ruck half Kara, ihre Balance wiederzuerlangen. Mit einem Tritt schleuderte sie den Mann vollends zu Boden, schmetterte einem anderen die flache Seite der Klinge ins Gesicht und hatte sich für einen Moment Luft verschafft.
Es sah nicht gut aus.
Schon nach kurzer Zeit ähnelte die Straße einem Schlachtfeld. Ein halbes Dutzend Männer lag verwundet oder sterbend am Boden, aber die Übermacht war einfach erdrückend.
Angella hatte ihre beiden Gegner niedergeschlagen und stand mit gespreizten Beinen und leicht vorgebeugtem Oberkörper da, die Hände pendelten locker neben ihren Hüften. Elder hatte endlich eingesehen, daß sein Laser nicht funktionierte, er hatte sein Schwert gezogen und stocherte damit in der Luft herum, um die Männer vor sich auf Distanz zu halten. Seine freie Hand drückte noch immer wie wild auf dem Knopf an seinem Gürtel herum.
Hrhon wehrte sich nach Kräften, aber Kara verstand plötzlich, was Gendik vorhin gemeint hatte: Als einzigen Gegner schienen die Angreifer ihn richtig eingeschätzt zu haben. An jedem seiner Arme hingen gleich drei Burschen und versuchten, ihn zu Boden zu zerren, zwei weitere stießen mit ihren Schwertern nach ihm. Hrhons wild austretende Beine hielten sie noch auf Distanz. Aber früher oder später würde einer von ihnen einfach Glück haben und seine Klinge durch einen Spalt in seinem Panzer stoßen.
Die nächste Attacke trugen die Angreifer sowohl entschlossener als auch klüger vor. Gleich zwei Burschen mit langen Schwertern und ein dritter mit einer mit rostigen Nägeln gespickten Holzlatte drangen auf Kara ein. Mit einer blitzschnellen Hieb- und Stichkombination trieb sie die beiden ersten wieder auf Distanz zurück, traf sie aber nicht. Dafür mußte sie selbst einen Treffer des Knüppels in Kauf nehmen.
Die Nägel vermochten ihre Jacke nicht zu durchdringen, aber die pure Wucht des Schlages ließ sie aufstöhnen. Mit einem Konterschlag kappte sie die Latte um die Hälfte, traf aber auch den Mann wieder nicht. Und die beiden anderen griffen erneut an.
Kara sprang zur Seite, spürte instinktiv die Gefahr hinter sich und ließ sich mit einer halben Drehung auf das linke Knie fallen. Ein halber Meter Stahl zischte so dicht über ihren Kopf hinweg, daß sie den Luftzug spüren konnte, aber fast im gleichen Augenblick traf ihr Schwert auch das Schienbein des Mannes, der sie angegriffen hatte. Er brach mit einem gellenden Schrei zusammen. Kara warf sich zur Seite, als der Mann sie unter sich zu begraben drohte, kam mit einer Rolle wieder auf die Füße und riß gleichzeitig die Waffe an sich, die der Mann fallengelassen hatte.
»Angella!«
Angella stieß einen Mann von sich, der mit einer dreizinkigen Harke nach ihrem Gesicht zu stoßen versuchte, riß den Arm hoch und griff nach dem Schwert, das Kara schleuderte.
Sie fing es auf, mußte aber im gleichen Augenblick einen Schwerthieb gegen den anderen Arm hinnehmen. Der schwarzsilberne Stoff ihrer Jacke färbte sich rot.
Der Angreifer fand nicht viel Zeit, sich an seinem Erfolg zu freuen. Angella tötete ihn fast im gleichen Moment, und Kara wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihren eigenen Gegnern zu.
Die Burschen begannen allmählich, eine gewisse Taktik zu entwickeln, die Kara nicht besonders gefiel. Immer zwei von ihnen griffen absolut gleichzeitig an, während der dritte ein wenig später nachsetzte, so daß Kara gewärtig sein mußte, jedesmal zumindest einen Treffer hinzunehmen. Noch schützte sie das zähe Drachenleder ihrer Jacke, aber es gab praktisch keinen Muskel in ihrem Körper, der nicht schmerzte. Früher oder später würde sie wirklich getroffen werden. Angella war bereits verwundet.
Als die beiden Männer das nächste Mal heranstürmten, schlug Kara nicht nach ihren Schwertern, sondern sprang in die Höhe, drehte sich um ihre eigene Achse und trat mit aller Gewalt zu. Ihr Fuß zerschmetterte den Unterkiefer des Mannes; gleichzeitig kam Kara wieder auf die Füße und führte einen schnellen Stich, der den zweiten Angreifer niederstreckte. Der dritte zog sich hastig zurück. Wieder hatte Kara sich eine Atempause verschafft.
Die Situation wurde immer brenzliger.
Obwohl Kara und die anderen etliche Gegner ausgeschaltet hatten, wuchs die Zahl der Angreifer noch. Die Männer hatten Verstärkung bekommen, denn der Hinterhalt war sorgfältig geplant gewesen. Lange würden sie sich nicht mehr halten können.
Mit einem raschen Blick überzeugte sie sich davon, daß Angella allein zurechtkam, und sprang dann an Elders Seite.
Der Hauptmann blutete aus einem Dutzend kleinerer Wunden.
Er wankte. Sein Atem ging schnell und stoßweise. Er schlug heftig mit dem Schwert um sich, ohne allerdings zu treffen, und seine andere Hand drückte noch immer an seinem Gürtel herum. »Offizier in Not!« keuchte er. »Verdammt noch mal, ich brauche Hilfe!« War er verrückt geworden?
Kara schaffte ihm zwei seiner Gegner vom Hals und mußte sich dann mit einem hastigen Sprung selbst in Sicherheit bringen, denn Elder drosch blindlings auf alles ein, was sich bewegte. Kara schleuderte einen dritten Mann mit einem Tritt zu Boden und zerrte Elder dann mit sich ein Stück auf Hrhon zu. Der Waga brüllte aus Leibeskräften und hatte bereits drei oder vier Männer einfach niedergetrampelt, aber auch sein Schuppenpanzer war über und über mit Blut bedeckt.
Kara beschloß, das Risiko einzugehen und Elder einen Moment alleinzulassen; sie eilte zu Hrhon und stieß einem der Burschen, die den Arm des Waga hielten, das Schwert in den Rücken. Der andere drehte sich mit einem zornigen Knurren zu ihr herum, beging aber den tödlichen Fehler, Hrhons Hand loszulassen.
Einen Augenblick später packten Kara und der Waga Elder einfach bei den Schultern und zerrten ihn zu Angella hinüber.
Rücken an Rücken hatten sie eine bessere Chance, die Angreifer auf Distanz zu halten. Drei oder vier von ihnen fielen, ehe sie wußten, wie ihnen geschah. Aber die verbliebene Übermacht war immer noch erdrückend. Kara kämpfte. Je mehr sie erschlugen, desto mehr schienen sie zu werden.