Выбрать главу

»Du warst nicht schlecht, Kleines«, sagte er fröhlich. »Für ein dummes Kind.«

»Bitte nicht«, stöhnte Kara. Sie versuchte vergeblich, den Kopf zurückzubiegen, um der rasiermesserscharfen Klinge auszuweichen. Blut lief warm und klebrig über ihren Hals. Als sie den Kopf zur Seite drehte, sah sie, wie sich der Hornkopf mit staksigen, mühsam aussehenden Schritten in Bewegung setzte, um Hrhon nachzusetzen.

Die Klinge ritzte ihre Kehle. »Bitte nicht?« flüsterte sie noch einmal. »Ich gebe auf.«

Der Mann zögerte. Er war nicht überzeugt, aber verunsichert. »Wie?« fragte er.

Hätte Kara genickt, hätte sie sich wahrscheinlich die Kehle aufgerissen. So wiederholte sie gepreßt: »Ich gebe auf. Wirklich.«

»Kein Trick?« vergewisserte sich der Mann mißtrauisch.

»Bestimmt nicht«, krächzte Kara. »Ich will nicht... sterben.«

Der Mann zögerte noch einen Moment, dann trat er ein Stück zurück und machte eine auffordernde Bewegung mit der freien Hand. »Steh auf. Und keine falsche Bewegung.«

Kara betete zu allen ihr bekannten Göttern (die, die sie nicht kannte, schloß sie vorsichtshalber gleich mit in ihr Stoßgebet ein), daß jede ihrer Bewegungen richtig war; sie löste mit übertriebener Gestik die Hand vom Schwert und stand auf. Die Klingenspitze an ihrem Hals folgte ihr getreulich. Der Druck ließ keinen Deut nach.

»Vielleicht lasse ich dich wirklich am Leben«, sagte der Bursche. »Du siehst eigentlich ganz hübsch aus.«

»Das wäre nett«, antwortete Kara, lächelte und ließ sich in die Schwertklinge hineinfallen, womit der Mann überhaupt nicht gerechnet hatte.

Im allerletzten Moment drehte sie Kopf und Oberkörper zur Seite. Das Schwert schnitt fingertief in ihren Hals, ohne jedoch eine lebenswichtige Ader zu treffen, glitt unter ihre Jacke und durchbohrte ihre Schulter unter dem Schlüsselbein. Kara schrie vor Schmerz, als die Klinge in ihrem Rücken wieder austrat, aber gleichzeitig packte sie den Arm des Angreifers und brach ihm mit einem einzigen Hieb das Handgelenk.

Der Kerl brüllte. Kara rammte ihm das Knie zwischen die Beine, versetzte ihm einen Hieb mit dem Ellbogen zwischen die Schulterblätter und riß das Knie zum zweiten Mal in die Höhe, so daß es in seinem Gesicht landete.

Sie und ihr Gegner brachen fast gleichzeitig zusammen. Kara sank auf die Knie, kämpfte einen Moment mit aller Macht dagegen an, das Bewußtsein zu verlieren, und hob die Hand zu dem Schwert, das noch immer in ihrer Schulter steckte. Ihr war übel, und sie hatte entsetzliche Angst, aber sie mußte es tun, solange sie überhaupt noch die Kraft dazu hatte.

Der Schmerz, mit dem die Klinge ihre Schulter durchbohrt hatte, war grauenhaft gewesen.

Der Schmerz, mit dem sie es wieder herauszog, war unvorstellbar.

Sie mußte wohl doch für einen Moment das Bewußtsein verloren haben, denn das nächste, woran sie sich erinnerte, war, auf dem Gesicht in einer rasch größer werden Lache ihres eigenen Blutes zu liegen. Es konnten nur ganz wenige Augenblicke vergangen sein, denn der Hornkopf hatte Hrhon noch nicht erreicht, und rings um sie herum tobte der Kampf mit unverminderter Heftigkeit weiter. Kaum eine Handspanne vor sich gewahrte sie das Gesicht des Mannes, der sie niedergeschlagen hatte. Seine Augen waren trübe vor Schmerz, aber er war bei Bewußtsein und erkannte sie.

»Das war... nicht besonders fair von dir«, murmelte er. Blut lief aus seinem Mund und seiner zerschlagenen Nase.

»Wer hat je behauptet, daß ich fair bin, du Idiot?« gab Kara ebenso leise zurück. Dann nahm sie ihre letzte Kraft zusammen und schlug ihm den Ellbogen gegen die Schläfe. Und bevor sie das Bewußtsein verlor, löste sie das kleine Kästchen von seinem Gürtel und zerschmetterte es.

11

Von Angella erfuhr sie später, daß der Hornkopf im gleichen Moment, in dem sie das Steuergerät zerschlug, schlagartig das Interesse an Hrhon verloren und zu toben begonnen hatte. Das Ungeheuer hatte sich wahllos auf Freund oder Feind gestürzt.

Nur sehr wenige von den Banditen, die an dem Hinterhalt beteiligt gewesen waren, hatten sein Wüten überlebt. Anschließend war der Hornkopf weitergezogen und hatte drei komplette Straßenzüge in Schutt und Asche gelegt, ehe es der Stadtgarde gelungen war, ihn zu töten.

Drei Tage später nach dieser Schlacht wurde Kara von Angella aus dem Heilschlaf erweckt. Zweiundsiebzig Stunden totentiefer Schlaf und Angellas Magie hatten die tiefe Wunde in ihrer Schulter fast und das halbe Dutzend kleinerer Verletzungen, das sie davongetragen hatte, vollkommen verheilen lassen. Ihr Körper hatte den Blutverlust verkraftet, und sie fühlte sich frisch und ausgeruht, als hätte sie monatelang geschlafen. Trotzdem hätte Angella sie drei weitere Tage schlafen lassen, hätte nicht für diesen Abend Gendik seinen Besuch angekündigt.

Angella hatte darauf bestanden, daß Kara die Zeit bis dahin noch in ihrem Zimmer und im Bett verbrachte. Der magische Heilschlaf wirkte manchmal Wunder, aber er barg auch Gefahren, denn er mobilisierte die geheimen Kraftreserven des Körpers, so daß sich derjenige, der daraus erwachte, nur zu oft fühlte, als könne er die sprichwörtlichen Bäume ausreißen - und manchmal zu spät begriff, daß dieses Gefühl trog. So mancher hatte seine Kräfte überschätzt und prompt einen Rückfall erlitten, der tödlich enden konnte.

Bei Kara bestand diese Gefahr allerdings nicht - ganz einfach, weil sie keinen Moment allein gelassen wurde. Nachdem Weller zu ihr gekommen war, um sich in allen Einzelheiten die Geschichte ihres Kampfes erzählen zu lassen, wechselten sich Hrhon, Angella und Elder darin ab, Kara die Zeit zu vertreiben und ihr den Rest der Geschichte zu erzählen, den sie nicht mehr aus eigenem Erleben kannte. Viel war allerdings nicht mehr passiert. Nachdem der Angriffswille der Banditen einmal gebrochen war, war es Angella und dem Waga ein leichtes gewesen, sie in die Flucht zu schlagen.

Als es dämmerte, kam Elder zum zweiten Mal zu ihr und erklärte, daß Gendik und ein zweiter, hochrangiger Würdenträger der Stadt auf dem Weg seien und in wenigen Augenblick eintreffen mußten. Kara ging zum Fenster und warf einen Blick auf den Hof hinaus. Es war noch niemand zu sehen.

»Also gut«, seufzte Angella. »Dann laßt uns hinuntergehen und alles für den Empfang unserer hohen Gäste vorbereiten.«

Kara sah sie aufmerksam an. Täuschte sie sich, oder hörte sie eine ganz sanfte Spur von Spott in ihrer Stimme? Nein - sie täuschte sich nicht. Das Glitzern in Angellas Augen, bevor sie ihre Maske aufsetzte und damit wieder zur gesichtslosen Führerin der Drachenkämpfer wurde, verriet es ihr.

Auch Kara wandte sich zur Tür. Gedankenverloren rieb sie sich über den Arm, den sie in einer Schlinge vor dem Körper trug. Die Schulter schmerzte nur noch ein wenig, aber sie fühlte sich noch immer taub an.

»Kara?«

Sie blieb stehen, während Elder das Zimmer verließ, und sah Angella fragend an.

»Nur eines«, begann Angella. »Und ich bitte dich, mir ausnahmsweise einmal zuzuhören.«

»Ja?«

»Ganz gleich, was ich oder Gendik oder irgendein anderer nachher sagen oder tun - du wirst schweigen und nur antworten, wenn du gefragt wirst, ist das klar?«

Kara nickte. »Wenn du es wünschst«, sagte sie.

»Nein, ich wünsche es nicht. Ich befehle es dir.«

Kara spürte, wie sich ein Lächeln der Verwirrung auf ihre Züge stehlen wollte, doch im letzten Moment unterdrückte sie es. Mit völlig ausdruckslosem Gesicht antwortete sie: »Wie Ihr befehlt, Herrin.«

Angella wollte an ihr vorübergehen, aber da hielt Kara sie zurück. »Gestattet Ihr mir eine Frage, Herrin?«