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Kara biß die Zähne zusammen, richtete sich mit einem Stöhnen auf und begann ihre gelähmte Arm- und Beinmuskulatur zu massieren, so gut sie es mit einer Hand vermochte. Sie hatte keine Ahnung, wieviel Zeit ihr blieb - aber viel war es bestimmt nicht. Selbst wenn ihre Feinde die artistischen Kunststücke der Krabbe beobachtet hatten und ihren Absturz für einen Unfall hielten, würden sie sehr schnell heraufkommen und nach dem Rechten sehen. Oder eine zweite Krabbe schicken, deren Maschinengewehr vielleicht nicht mit Hartgummigeschossen geladen war.

Dieses Risiko mußte sie eingehen.

Sie massierte wie besessen ihren Arm und das rechte Bein.

Den Gedanken, Elder irgendwie aufzuwecken, gab sie schon nach dem ersten Blick in sein schlaffes Gesicht auf. Sie würde allein zurechtkommen müssen.

Es war noch keine Minute vergangen, als sie ein hohes, unangenehmes Summen hörte. Ein bleicher, gelbgefärbter Lichtstrahl tastete über die Tunnelöffnung. Kara erstarrte. Ihre Gedanken überschlugen sich, dann tat sie instinktiv das einzig Richtige: Sie sank zu Boden und spielte die Bewußtlose.

Das Summen wurde lauter, und dann kehrte das gelbe Licht zurück und richtete sich auf ihr Gesicht und ihre halb geschlossenen Augen. Sie wagte es nicht zu blinzeln, deshalb ertrug sie den Schmerz, den ihr die grellen Lichtpfeile zufügten, die ihre Netzhaut trafen. Nach einem Augenblick löste sich der Lichtstrahl von ihrem Gesicht und wandte sich Elder zu.

Kara konnte zwei hoch aufgerichtete Schatten draußen vor dem Tunnel erkennen. Es waren zwei Männer, die in einteilige, fremdartig anmutende Kleider gehüllt waren. Ihre Gesichter verbargen sich hinter gebogenen Scheiben aus rauchfarbenem dunklen Glas, das alles bis auf die Mund- und Kinnpartie bedeckte, und auf den Köpfen trugen sie buckelige Helme, aus denen jeweils zwei kurze Antennen ragten. Der eine führte ein schweres Gewehr mit sich, dessen Lauf aus Glas zu bestehen schien, der zweite hielt den Scheinwerfer, mit dem er in den Gang hineinleuchtete. Aus ihren Gürteln ragten die Kolben schwerer Laserpistolen. Und sie schienen einen halben Meter vor dem Tunnelende einfach in der leeren Luft zu stehen!

Der Scheinwerferstrahl kehrte noch einmal zu ihr zurück und wandte sich dann erneut Elder zu. Offensichtlich hielten die beiden ihn für den gefährlicheren Gegner.

Ein Irrtum, den zu berichtigen Kara ihnen keine Zeit mehr ließ.

Sie sprang den Burschen mit der Lampe an, als er das Bein hob und mit einem übertriebenen großen Schritt in den Tunnel hineinspringen wollte. Ihre Bewegung kam völlig überraschend: sie packte ihn, zerrte ihn mit einem harten Ruck zu sich herunter und versetzte ihm einen Schlag mit der flachen Hand auf die Kehle. Noch während er keuchend neben ihr zusammenbrach, wirbelte sie herum und ergriff den zweiten Mann. Mit einem harten Ruck drückte sie ihn gegen die Felswand neben dem Tunneleingang. Glas splitterte. Sie hörte einen gurgelnden Schrei, ließ los und sah, wie der Fremde zurücktaumelte und beide Hände vor das Gesicht schlug. Blut und Glassplitter rieselten zwischen seinen Fingern hervor. Er stolperte zurück, trat plötzlich ins Leere und stürzte, ohne daß ihm ein Schrei über die Lippen kam.

Ein Geräusch hinter ihr warnte sie. Sie fuhr herum, riß die Arme hoch und vollführte eine instiktive Ausweichbewegung zur Seite. Trotzdem wäre ihre Reaktion zu spät gekommen, hätte der Mann sie angesprungen, um sie in die Tiefe zu stoßen.

Statt dessen versuchte er, seine Waffe zu ziehen.

Kara trat sie ihm aus der Hand, kaum daß er sie aus dem Halter gezogen hatte, riß ihn mit der linken Hand zu sich heran und rammte ihm das Knie in die Rippen.

Der Fremde mußte eine Panzerung unter seiner Montur tragen, denn ein stechender Schmerz schoß durch ihr ohnehin malträtiertes Bein. Die Wucht des Stoßes ließ den Burschen gegen die Wand torkeln, aber er schleuderte ihn weder zu Boden noch nahm er ihm den Atem.

Er blieb einen Moment lang reglos stehen und betrachtete sie verblüfft durch das getönte Glas vor seinem Gesicht. Als er sich dann wieder bewegte, tat er es auf eine Art, die Kara verriet, daß er in einer Kampftechnik ausgebildet war. Voller Unbehagen dachte sie an die beinahe tödliche Überraschung, die sie vor drei Tagen in Schelfheim erlebt hatte. Unwillkürlich glitt ihre Hand zum Schwert. Aber sie zog die Waffe nicht. Der Stollen war einfach zu eng, die Klinge hätte sie nur behindert.

Der andere schien ihr Zögern bemerkt zu haben, denn er stürzte plötzlich vor, um sie einfach über den Haufen zu rennen. Kara wich ihm im letzten Moment aus und streckte das Bein vor, um ihn ins Stolpern zu bringen, aber der Mann sprang mit einer fast eleganten Bewegung darüber hinweg und versetzte ihr aus dem Sprung heraus einen Tritt, der ihr das Gefühl gab, ihr Wadenbein wäre gebrochen.

Kara schrie auf, taumelte zur Seite und nutzte die Zeit, die der Mann brauchte, sich an der gegenüberliegenden Wand abzustoßen und herumzuwirbeln, um sich eine neue Taktik zu überlegen. Sie zitterte am ganzen Leib. Jeder Muskel ihres Körpers tat ihr weh, und ihre Bewegungen waren längst nicht mehr so geschmeidig und kraftvoll wie gewohnt. Sie konnte sich auf keinen langen Kampf mit diesem Burschen einlassen; nicht in ihrem Zustand.

Als er das nächste Mal heranstürmte, machte sie erst gar nicht den Versuch, ihm auszuweichen, sondern empfing ihn mit einer blitzschnellen Kombination aus drei fast gleichzeitig erfolgenden Hieben und Stößen, die er alle drei beinahe mühelos abwehrte. Dann erwischte ihn ein Schlag am Knie, den er nicht kommen gesehen hatte. Er schrie. Kara packte seinen vorgestreckten Arm und zerrte gleichzeitig mit aller Kraft das Schwert aus der Scheide. Dann krachte der stählerne Knauf auf die Brust des Mannes. Ob Panzer oder nicht - diesmal weiteten sich seine Augen vor Schmerz. Keuchend stieß er die Luft aus.

Kara zerrte ihn erneut zu sich heran und ließ seinen Körper über ihre plötzlich eingeknickte Hüfte abrollen. Der Bursche verlor den Boden unter den Füßen und prallte mit fürchterlicher Wucht auf den Fels.

Kara taumelte. Alles drehte sich um sie. Noch Momente, dann würde ihr schwarz vor Augen werden. Doch noch hatte sie ihre Arbeit nicht erledigt. Als der Mann es schaffte, sich vor dem Tunnelausgang wieder aufzurichten, sprang sie ihn an.

Ihre vorgestreckten Füße stießen gegen seine Brust und ließen ihn mit wild rudernden Armen nach hinten torkeln.

Und hinter ihm war nichts als Leere.

Kara hatte nicht mehr die Kraft, ihren Sturz aufzufangen.

Mit schmerzhafter Wucht prallte sie auf den harten Fels, zerschrammte sich Hände und Gesicht und kämpfte verzweifelt gegen die schwarze Bewußtlosigkeit, die in ihr emporkroch. In ihren Ohren gellte der Todesschrei des Mannes, der durch die düstere Tiefe glitt.

»Und das war für Hrhon«, murmelte sie, bevor ihr endgültig die Sinne schwanden.

15

Zwei Stunden später hatte sich auch Elder soweit erholt, daß sie ihr Versteck verlassen konnten. Wie eine erste, flüchtige Untersuchung Karas zeigte, war auch er nicht ernsthaft verletzt. Trotzdem hatte es ihn viel schlimmer erwischt als sie. Sein ganzer Körper war zerschrammt und zerschlagen, und Kara war nicht sicher, ob er nicht auch ein paar gebrochene Rippen davongetragen hatte.

»Was ist überhaupt passiert?« murmelte Elder benommen, während er unter Karas massierenden Händen allmählich in die Wirklichkeit zurückfand.

»Das Übliche«, antwortete Kara mit einem schiefen Grinsen, das ganz und gar nicht das widerspiegelte, was sie wirklich empfand. »Du hast dich diskret zurückgezogen und mich die ganze Arbeit machen lassen.«

»Die Krabbe?«

Kara schüttelte den Kopf. »Das war das kleinste Problem.«

Dann erzählte sie ihm mit knappen Worten, was geschehen war. Elder hörte ihr stirnrunzelnd zu. Erst als sie zu Ende gekommen war, sagte er: »Du hättest sie nicht beide töten dürfen.«