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Kara hatte sich nicht getäuscht. Es verging eine Weile, aber dann hörten sie beide das Geräusch noch einmal, ein Laut, als bewege sich ein riesenhafter Fisch mit majestätischer Langsamkeit durch das Wasser, das Klatschen der Wellen, die sich an stählernen Flanken brachen. Und plötzlich flammte ein grellweißer Lichtbalken auf und trieb ihnen die Tränen in die an das graue Zwielicht gewöhnten Augen.

Der Scheinwerferstrahl griff aus einer Entfernung von zwei oder vielleicht auch drei Meilen auf den Strand und verwandelte eine Nacht, die vielleicht seit Anbeginn der Zeiten gedauert hatte, jäh in den Tag. Das Licht riß jede noch so winzige Einzelheit aus dem Dunkel und war so intensiv, daß Kara sich einbildete, das Wasser unter seiner Berührung zischen zu hören.

Zuerst sehr schnell, dann ein zweites Mal sehr langsam glitt der Strahl über den Strand, verharrte einen Moment auf dem durchsichtigen Zelt, wobei er winzige weiße Sterne in seinen transparenten Wänden auflodern ließ. Dann richtete er sich für einen Moment auf die schwebende Kristallscheibe und kehrte wieder zum Zelt zurück. Kara war plötzlich sehr froh, der Verlockung widerstanden zu haben, in der Wärme und Trockenheit dort auf das Eintreffen von Elders Männern zu warten. Als sie aus eng zusammengekniffenen Augen zum Zelt hinübersah, bemerkte sie ein winziges Licht, das rot auf dem Funkgerät zu flackern begonnen hatte.

»Ihre Leute«, sagte Elder, der auch das Licht gesehen hatte. »Sie rufen sie.«

»Und wenn sie nicht antworten -«

»-dann werden sie herkommen und nachsehen«, führte Elder den Satz zu Ende.

Kara dachte besorgt an die beiden Gräber, die nicht sehr weit vom Zelt entfernt lagen. Wenn der Scheinwerferstrahl sie erfaßte, dann würden sie nicht nur argwöhnen, daß hier irgend etwas nicht stimmte, sondern es plötzlich wissen.

Unvermittelt erlosch der grelle Lichtbalken wieder, aber noch bevor die Dunkelheit wie eine Woge über ihnen zusammenschlagen konnte, hörten sie ein pfeifendes Zischen, und weit auf dem Meer stieg ein grellgelber Stern in die Höhe, der einen funkensprühenden Schweif hinter sich herzog. Ein flackerndes Licht, das beinahe die Farbe der Sonne hatte, verwandelte den Strand in ein sinnverwirrendes Durcheinander aus hellen reflektierenden Flächen und tintenschwarzen Schatten.

Kara blinzelte verwirrt zum steinernen Firmament hinauf. Es war nicht die erste Leuchtkugel, die sie sah, wohl aber die erste, die am Ende ihrer Bahn anhielt und flackernd weiterbrannte, wie von unsichtbaren Seilen gehalten.

Elder deutete plötzlich aufgeregt über das Meer, und als Karas Blick seiner Bewegung folgte, sah sie etwas, das sie noch sehr viel mehr verblüffte als die von unsichtbaren Kräften gehaltene Leuchtkugel.

Ob es wirklich ein Schiff war, konnte Kara ebensowenig sagen wie sie es wagte, seine Größe zu schätzen. Aber das Gebilde war riesig; es mußte aus Metall oder sehr schwerem Holz bestehen, denn die Wellen, die gegen seine Flanken klatschten, vermochten es nicht um einen Deut zu erschüttern.

Und aus seiner Mitte erhob sich ein runder, an der Vorderseite abgeflachter Turm, an dessen Spitze der ausgeschaltete Scheinwerfer nachglühte wie ein riesiges, langsam verlöschendes Auge.

»Was ist das?« flüsterte Kara.

Elder fuhr erschrocken zusammen und legte den Zeigefinger auf die Lippen, als befürchte er, schon die leisesten Worte könnten auf dem Meer gehört werden. »Ich weiß es nicht. Aber es sieht gefährlich aus«, preßte er hervor.

Nervös hob Kara den Blick und sah zum Schacht empor. »Wo bleiben deine Leute?«

»Ich kann nur hoffen, daß sie nicht ausgerechnet jetzt auftauchen«, sagte Elder düster. Kara sah ihn verständnislos an, und Elder fügte mit einer Kopfbewegung auf das Gebilde im Wasser hinzu: »Was immer es ist - ich bin sicher, daß es bis an die Zähne bewaffnet ist. Sie würden sie abschießen wie junge Spatzen!«

Kara schauderte bei der Vorstellung. Elder hatte recht. Wenn sie an die unheimliche Präzision dachte, mit der das grüne Licht Hrhon und die beiden Männer erfaßt hatte, dann konnten sie nur hoffen, daß die angeforderte Verstärkung noch eine Weile auf sich warten ließ.

Sehr langsam näherte sich der eiserne Fisch dem Ufer. Kara und Elder beobachteten ihn aus der sicheren Deckung ihres Felsens heraus, wagten es aber nicht, ihr Versteck zu verlassen, obgleich das riesige Scheinwerferauge nicht noch einmal aufleuchtete. Aber die Besatzung mußte entweder Verdacht geschöpft haben, oder sie waren von Natur aus sehr mißtrauisch. Das Fahrzeug änderte mehrmals seinen Kurs, aber es hielt schließlich nicht vor den Riffen an, wie Kara erwartet hatte, um Männer auf Booten oder den kleinen Flugscheiben an Land zu schicken. Statt dessen glitt es einige Minuten lang vor der natürlichen Sperre hin und her, und fuhr dann durch eine Spalte in den Felsen, die Kara bisher nicht einmal gesehen hatte.

Einen Moment lang erfreute sie sich an der Vorstellung, daß der riesige Eisenfisch im nächsten Augenblick einfach auf den felsigen Meeresgrund auflaufen und festsitzen würde.

Aber der Eisenfisch tat ihr nicht den Gefallen, sich selbst den Bauch aufzuschlitzen, statt dessen stiegen plötzlich rings um seinen metallenen Leib Luftblasen empor. Das Wasser brodelte, schien zu kochen und verwandelte sich in weißen Schaum, und dann erhob sich das Schiff, bis es nur noch auf dem Wasser zu fahren schien!

Kara sah aus den Augenwinkeln, wie Elder erstaunt zusammenfuhr. Gebannt beobachteten sie, wie das bizarre Gebilde unaufhörlich herankam. Sein Leib mußte fast so lang wie ein Drachen sein, und es bot mit Sicherheit Platz für hundert oder mehr Männer. Wasser perlte in breiten Strömen von dem mit schwarzen Stahlplatten gepanzerten Rumpf, an dem auch überall kleinere Lichter brannten. Zischend und auf einer gewaltigen Bugwelle aus kochendem Wasser reitend, näherte sich der Gigant dem Ufer. Ein abgestorbener, riesiger Wurzelstrang war ihm im Weg, aber er machte sich nicht die Mühe, ihm auszuweichen, sondern zermalmte das Holz mit seinem stumpfen Bug.

Es war dieser Augenblick, der Kara schlagartig wieder zu Bewußtsein brachte, in welcher Gefahr Elder und sie schwebten. Zwei Schwerter und eine altersschwache Laserpistole waren ein bißchen wenig...

»Hast du eine gute Idee?« fragte sie.

Elder nickte. »Wie wäre es damit: Kennst du zufällig ein paar nützliche Zaubersprüche?«

Kara ersparte sich eine Antwort. Ihre Gedanken überschlugen sich. Das Schiff bewegte sich noch immer äußerst langsam, aber auch so blieben ihnen allerhöchstens noch zehn Minuten.

Wenn ihnen bis dahin nichts eingefallen war, konnten sie sich genausogut auch gegenseitig umbringen. Nach dem, was sie den beiden Posten angetan hatten, würden die Männer auf diesem Schiff kurzen Prozeß mit Elder und ihr machen.

Wenn sie Glück hatten.

Ihr Blick fiel auf eines der riesigen Holzstücke, das nahe dem Ufer im Wasser dümpelte. Rasch sah sie noch einmal zum Boot hinüber und verlängerte seinen Kurs in Gedanken. Es konnte klappen. Mit ein wenig Glück konnte es klappen.

»Kannst du schwimmen?« fragte sie.

Elder sah sie irritiert an, und Kara machte eine Kopfbewegung zum Trümmerstück. Es dauerte einen Moment, aber dann begriff er, was sie vorhatte. »Ja.«

»Das trifft sich gut«, sagte Kara. »Ich nämlich nicht.«

Elder riß erstaunt die Augen auf, sagte aber nichts. Nachdem er sich seines gelben Umhanges entledigt hatte, krochen sie auf dem Bauch liegend und jede noch so winzige Deckung ausnutzend zum Ufer und glitten ins Wasser. Kara wußte, daß sie dennoch leicht zu entdecken sein mußten, wenn sich irgend jemand die Mühe machte, den Strand ein wenig aufmerksamer im Auge zu halten. Nach wenigen Augenblicken erreichten sie unbehelligt das Wasser und glitten durch die eisige Kälte auf den zyklopischen hölzernen Findling zu.