«Wildlinge sind auch früher schon ins Reich eingefallen. «Jon kannte die Geschichten von Old Nan und Maester Luwin.»Raymim Rotbart hat sie zu Zeiten des Großvaters meines Großvaters nach Süden geführt, und vor ihm gab es einen König namens Bael der Barde.«
«Und lange vor ihm waren es der Gehörnte Lord und die Bruderkönige Gendel und Gorne, und in den alten Tagen Joramun, der ins Horn des Winters stieß und die Riesen weckte. Jeder von ihnen ist an der Mauer gescheitert oder spätestens jenseits davon an der Macht von Winterfell… aber heute ist die Nachtwache nur mehr ein Schatten ihrer selbst, und wer bleibt außer uns, um den Wildlingen Widerstand zu leisten? Der Lord von Winterfell ist tot, sein Erbe marschiert mit seinem Heer nach Süden, um gegen die Lannisters zu kämpfen. Ich habe Mance Rayder kennengelernt, Jon. Er ist ein Eidbrüchiger, ja… dennoch hat er Augen im Kopf, und kein Mann hat es je gewagt, ihn Hasenherz zu nennen.«
«Was werden wir unternehmen?«fragte Jon.
«Ihn suchen«, antwortete Mormont.»Gegen ihn kämpfen. Ihn aufhalten.«
Dreihundert, dachte Jon, gegen die entfesselte Wut der ganzen Wildnis. Seine Finger öffneten und schlossen sich.
Theon
Unleugbar handelte es sich um eine Schönheit. Aber dein erstes Schiff ist immer eine Schönheit, dachte Theon Greyjoy.
«Nun, das ist mal ein hübsches Grinsen«, sagte eine Frauenstimme hinter ihm.»Dem Lord gefällt, was er sieht, nicht wahr?«
Theon drehte sich um und schenkte der Frau ein beifälliges Lächeln. Ihm gefiel tatsächlich, was er sah. Auf den Iron Islands geboren, das erkannte er auf den ersten Blick; schlank und langbeinig, kurzgeschnittenes schwarzes Haar, wettergegerbte Haut, kräftige, geschickte Hände, ein Dolch an ihrem Gürtel. Ihre Nase war zu groß und zu scharf für das schmale Gesicht, aber ihr Lächeln wog das auf. Sie mochte einige Jahre älter sein als er, jedoch höchstens fünfundzwanzig. Und ihren Bewegungen zufolge war sie es gewöhnt, ein Deck unter den Füßen zu haben.
«Ja, ein lieblicher Anblick«, sagte er,»wenn auch nicht halb so lieblich wie Ihr.«
«Oho. «Sie grinste.»Ich sollte mich hüten. Des Lords Zunge trieft von Honig.«
«Probiert sie und findet es selbst heraus.«
«Demnach trügt mich mein Verdacht nicht?«erwiderte sie und betrachtete ihn kühn. Auf den Iron Islands gab es Frauen — nicht viele, aber immerhin einige — , die zusammen mit ihren Männern auf Langschiffen anheuerten, und es hieß, Salz und Meer veränderten sie und weckten einen mannhaften Appetit in ihnen.»Wart Ihr solange auf See, Lord? Oder gab es dort, wo Ihr herkommt, keine Frauen?«
«Frauen genug, doch keine glich Euch.«
«Und woher wollt Ihr das wissen?«
«Meine Augen können Euer Gesicht sehen. Meine Ohren hören Euer Lachen. Und mein Gemächt ist so hart wie ein Mast.«
Die Frau trat vor und legte eine Hand in seinen Schritt.»Nun, ein Lügner seid Ihr nicht«, sagte sie und drückte zu.»Tut es sehr weh?«
«Fürchterlich.«
«Armer Lord. «Sie ließ ihn los und trat zurück.»Leider bin ich eine verheiratete Frau, und zudem jüngst schwanger geworden.«
«Die Götter sind gütig«, sagte Theon.»Auf diese Weise kann ich Euch keinen Bastard anhängen.«
«So oder so, mein Gemahl würde es Euch nicht danken.«
«Nein, aber Ihr vielleicht.«
«Und aus welchem Grund sollte ich das tun? Lords hatte ich schon zuvor. Sie sind aus dem gleichen Holz geschnitzt wie andere Männer auch.«
«Hattet Ihr schon einmal einen Prinzen?«fragte er.»Wenn Ihr runzlig und ergraut seid und Eure Brüste Euch bis zum Bauch hängen, könnt Ihr den Kindern Eurer Kinder erzählen, daß Ihr einst einen König liebtet.«
«Oh, jetzt reden wir schon von Liebe? Und ich dachte, nur von Gemächt und Scham.«
«Steht Euch der Sinn nach Liebe?«Er entschied, daß ihm dieses Mädchen gefiel, wer auch immer sie sein mochte; ihr scharfer Witz war eine willkommene Abwechslung zu der feuchten Düsternis von Pyke.»Soll ich mein Langschiff nach Euch benennen, und die Harfe für Euch spielen, und Euch im Turmzimmer meiner Burg einsperren, wo Ihr nur Juwelen tragen dürft, ganz wie jene Prinzessin aus den Liedern?«
«Ihr solltet das Schiff tatsächlich nach mir nennen«, gab sie zurück und ging auf den Rest nicht ein.»Schließlich habe ich
es gebaut.«
«Sigrin hat es gebaut. Der Schiffsbauer meines Vaters.«
«Ich bin Esgred. Ambrodes Tochter, Sigrins Frau.«
Er hatte nicht gewußt, daß Ambrode eine Tochter hatte oder Sigrin ein Weib… aber dem jüngeren Schiffbauer war er nur einmal begegnet, während er sich an den älteren kaum noch erinnerte.»Wenn Ihr bei Sigrin lebt, ist das eine Verschwendung.«
«Oho. Sigrin sagt, dieses schöne Schiff an Euch zu geben, sei Verschwendung.«
Theon fuhr auf.»Wißt Ihr, wer ich bin?«»Prinz Theon aus dem Hause Greyjoy. Wer sonst? Sagt mir die Wahrheit, Mylord, wie groß ist Eure Liebe für Eure neue Braut? Sigrin möchte es wissen.«
Das neue Langschiff roch nach Pech und Harz. Sein Onkel Aeron würde es morgen segnen, aber Theon war von Pyke herübergeritten, um es sich vor dem Stapellauf anzuschauen. Es war nicht so groß wie Lord Balons Krake oder die Eiserner Sieg seines Onkel Victarion, immerhin sah es schlank und schnell aus, wenn es auch noch auf dem Strand lag; der schwarze Rumpf war gute dreißig Meter lang, ein einzelner Mast reckte sich in die Höhe, fünfzig Ruder fanden unter Deck und hundert Mann auf Deck Platz… und vorn am Bug eine große Eisenramme in Form einer Pfeilspitze.»Sigrin hat mir gute Dienste geleistet«, gab er zu.»Ist es so schnell, wie es aussieht?«
«Schneller — wenn der Kapitän sein Handwerk versteht.«»Ich bin schon seit einigen Jahren nicht mehr auf einem solchen Schiff gesegelt. «Und noch nie zuvor habe ich eines befehligt, um bei der Wahrheit zu bleiben.»Trotzdem, ich bin ein Greyjoy und ein Eisenmann. Das Meer liegt mir im Blut.«
«Und Euer Blut wird ins Meer fließen, wenn Ihr so segelt, wie Ihr redet«, sagte sie.
«Eine so holde Jungfrau würde ich niemals falsch behandeln.«»Holde Jungfrau?«Sie lachte.»Eher ist sie eine Seehure.«»Da, nun habt Ihr den Namen gefunden. Seehure. «Das belustigte sie; ihre dunklen Augen funkelten.»Und Ihr wolltet sie nach mir benennen«, erwiderte sie und legte Gekränktheit in ihre Stimme.
«Das habe ich auch getan. «Er ergriff ihre Hand.»Helft mir, Mylady. In den grünen Landen glaubt man, eine Frau, die ein Kind trägt, bringe jedem Mann Glück, der mit ihr ein Bett besteigt.«
«Und was wissen sie dort über Schiffe? Oder über Frauen, was das betrifft? Außerdem habt Ihr Euch das ausgedacht.«
«Wenn ich es Euch gestehe, werdet Ihr mich dann noch lieben?«»Noch? Wann habe ich Euch je geliebt?«»Niemals«, gab er zu,»aber ich gebe mir alle Mühe, diesen Mangel zu beheben, meine holde Esgred. Der Wind ist kalt. Kommt an Bord meines Schiffes und laßt Euch von mir wärmen. Morgen wird mein Onkel Aeron den Bug mit Meerwasser bespritzen und dem Ertrunkenen Gott ein Gebet schicken, doch lieber würde ich sie mit der Milch meiner und Eurer Lenden segnen.«»Dem Ertrunkenen Gott könnte das mißfallen.«»Soll der Ertrunkene Gott sich doch selbst… Ach, wenn er uns Schwierigkeiten macht, werde ich ihn einfach noch einmal ersäufen. In vierzehn Tagen ziehen wir in den Krieg. Wollt Ihr mich in die Schlacht schicken, nachdem ich vor Sehnsucht kein Auge zutun konnte?«