«Geh«, befahl Tyrion ihr.»Auf dich haben wir es nicht abgesehen.«
«Shagga will sie haben.«
«Shagga will jede Hure in dieser Stadt der Huren haben«, beschwerte sich Timett, Sohn des Timett.
«Ja«, erwiderte Shagga ohne einen Anflug von Scham.»Shagga würde ihr ein kräftiges Kind machen.«
«Wenn sie ein kräftiges Kind will, weiß sie, an wen sie sich wenden muß«, beendete Tyrion den Streit.»Timett, bring sie raus… und bitte sanft.«
Der Burned Man zog das Mädchen vom Bett und zerrte sie aus dem Zimmer. Shagga blickte ihnen mit traurigen Augen nach wie ein Welpe. Die junge Frau stolperte über die Trümmer der Tür hinaus in den Gang, und Timett half mit einem kräftigen Schubs nach. Über ihren Köpfen krächzten die Raben.
Tyrion zog die weiche Decke vom Bett und brachte Grand Maester Pycelle darunter zum Vorschein.»Sagt mir, Maester, heißt die Citadel es gut, wenn Ihr Euch mit den Dienstmädchen einlaßt?«
Der alte Mann war ebenso nackt wie das Mädchen, obgleich er einen deutlich weniger hübschen Anblick bot. Zum ersten Mal sah Tyrion die sonst unter gesenkten, schweren Lidern halb verborgenen Augen weit aufgerissen.»W-was hat das zu bedeuten? Ich bin ein alter Mann, Euer ergebener Diener…«
Tyrion setzte sich aufs Bett.»So ergeben, daß Ihr einen meiner Briefe an Doran Martell meiner Schwester überreicht habt.«
«N-nein«, kreischte Pycelle.»Nein, das ist die Unwahrheit, ich schwöre, ich war es nicht. Varys, es war Varys, die Spinne, ich habe Euch vor ihm gewarnt — «
«Lügen alle Maester so erbärmlich schlecht? Ich habe Varys erzählt, ich würde Prinz Doran meinen Neffen Tommen als Mündel überlassen. Ich sagte Littlefinger, ich hätte vor, Myrcella mit Lord Robert von der Eyrie zu vermählen. Niemandem hingegen habe ich anvertraut, daß ich Myrcella in Dorne angeboten habe… dies stand allein in dem Brief, den ich Euch anvertraute.«
Pycelle griff nach einer Ecke der Decke.»Vögel können verloren gehen, die Botschaften werden gestohlen oder verkauft… Varys war es, ich könnte Euch Geschichten über diesen Mann berichten, daß Euch das Blut in den Adern gefrieren würde…«
«Meiner Lady gefalle ich heißblütig besser.«
«Täuscht Euch nicht, für jedes Geheimnis, welches Euch der Eunuch ins Ohr flüstert, hält er sieben zurück. Und Littlefinger…«
«Ich weiß alles über Lord Petyr. Ihm darf man fast so wenig Vertrauen schenken wie Euch. Shagga, schneide ihm seine Männlichkeit ab und verfüttere sie an die Ziegen.«
Shagga packte die riesige Axt mit der Doppelklinge.»Halbmann, hier gibt's keine Ziegen.«
«Laß dir etwas einfallen.«
Brüllend sprang Shagga vor. Pycelle kreischte und näßte sein Bett; Urin spritzte in alle Richtungen, während er zu flüchten versuchte. Der Wildling packte ihn am Ende seines wallenden weißen Bartes und trennte mit einem einzigen Hieb der Axt drei Viertel davon ab.
«Timett, glaubst du, unser Freund wird sich zuvorkommender verhalten, nachdem er sich nun nicht mehr hinter seiner Gesichtszierde verstecken kann?«Tyrion wischte sich mit dem Bettlaken die Pisse von den Stiefeln.
«Bald wird er die Wahrheit sagen. «Die leere Höhle von Timetts ausgebranntem Auge war ein finsteres Loch.»Ich kann riechen, wie er nach Angst stinkt.«
Shagga warf die Handvoll Haare auf die Binsen am Boden und griff nach dem Rest des Bartes.»Haltet still, Maester«, drängte ihn Tyrion.»Wenn Shagga wütend ist, zittern seine Hände.«
«Shaggas Hände zittern nie«, widersprach der riesige Mann, hielt Pycelle die halbmondförmige Klinge unter das bibbernde Kinn und säbelte Pycelle ein paar weitere Bartsträhnen ab.
«Wie lange spioniert Ihr schon für meine Schwester?«fragte Tyrion.
Pycelle atmete flach und in kurzen Stößen.»Was ich getan habe, geschah nur zum Wohle des Hauses Lannister. «Schweiß bedeckte die Stirn des alten Mannes, und weiße Haare klebten auf seiner runzligen Haut.»Immer… schon seit Jahren… fragt Euren Hohen Vater, ich war stets sein treuer Diener… ich war es, der Aerys veranlaßt hat, die Tore zu öffnen…«
Das überraschte Tyrion allerdings. Er war noch ein häßlicher Junge auf Casterly Rock gewesen, als die Stadt fiel.»Die Plünderung von King's Landing war somit Euer Werk?«
«Für das Reich! Nachdem Rhaegar tot war, fand der Krieg ein Ende. Aerys war verrückt, Viserys zu jung, Prinz Aegon ein Säugling, aber das Reich brauchte einen König… ich betete zu den Göttern, sie sollten Euren guten Vater dazu machen, aber Robert war zu mächtig, und Lord Stark hat zu schnell gehandelt… «
«Wie viele habt Ihr verraten, frage ich mich? Aerys, Eddard Stark, mich… König Robert ebenfalls? Lord Arryn, Prinz Rhaegar? Wo fängt es an, Pycelle?«Wo es endete, wußte er.
Die Axt kratzte über den Kehlkopf des Grand Maesters, strich sanft über die weiche Haut am Kinn und schabte die letzten Haare ab.»Ihr… wart nicht hier«, keuchte er, während die sich Klinge zu seinen Wangen hinaufbewegte.»Robert… seine Wunden… hättet Ihr sie gesehen… gerochen, Ihr hättet keinen Zweifel gehabt… «
«Oh, ich weiß, daß der Keiler Euch die Arbeit abgenommen hat… aber er hat sie nicht ganz erledigt, und so mußtet Ihr zweifelsohne nachhelfen.«
«Er war ein miserabler König… eitel, trunksüchtig, lüstern… er wollte Eure Schwester verstoßen, seine eigene Königin… bitte… Renly wollte die Jungfrau aus Highgarden an den Hof bringen, die seinen Bruder verführen sollte… bei den Göttern, es ist die Wahrheit…«
«Und was plante Lord Arryn?«
«Er wußte Bescheid«, sagte Pycelle,»über… über…«
«Ich weiß, was er wußte«, fauchte Tyrion, der nicht erpicht darauf war, daß Shagga und Timett es ebenfalls erfuhren.
«Er hat seine Gemahlin zurück auf die Eyrie geschickt und seinen Sohn als Mündel nach Dragonstone… er wollte handeln… «
«Deshalb habt Ihr ihn zuerst vergiftet.«
«Nein!«Pycelle wehrte sich schwach. Shagga knurrte und packte seinen Schädel. Der Mann hatte so riesige Pranken, daß er den Schädel des Maester wie eine Eierschale hätte zerdrücken können.
Tyrion schnalzte abfällig mit der Zunge.»Ich habe die Tränen von Lys unter Euren Tränken entdeckt. Und Ihr habt Lord Arryns eigenen Maester fortgeschickt und den Mann selbst behandelt, damit Ihr seines Todes auch ganz sicher sein konntet.«
«Eine Lüge!«
«Rasier ihn noch ein bißchen«, schlug Tyrion vor.»An der Kehle.«
Die Axt glitt wieder nach unten und schabte über die Haut. Pycelles Speichel bildete Bläschen auf seinen Lippen.»Ich
habe wirklich versucht, Lord Arryn zu retten. Ich schwöre es -
«
«Vorsichtig, Shagga, jetzt hast du ihn geschnitten!«
Shagga grunzte.»Dolf hat einen Krieger großgezogen, keinen Barbier.«
Als der alte Mann das Blut spürte, das an seinem Hals hinablief, erzitterte er, und die letzten Kräfte verließen ihn. Er wirkte geschrumpft, kleiner und gebrechlicher.»Ja«, winselte er,»ja, Colemon hat ein Brechmittel benutzt, deshalb habe ich ihn hinausgeschickt. Für die Königin war es wichtig, daß Lord Arryn starb, doch sprach sie es nicht laut aus, denn das war ihr unmöglich, weil Varys lauschte, er lauschte immer, aber ein Blick in ihr Gesicht genügte mir. Trotzdem habe nicht ich ihm das Gift verabreicht, das schwöre ich. «Der alte Mann weinte.»Varys wird es Euch bestätigen, es war der Junge, der Knappe, Hugh hieß er, bestimmt war er es, fragt Eure Schwester, fragt sie.«