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«Es ist nicht gerecht, nein, das ist es nicht«, hörte sie eine alte Frau jammern, nachdem sie sich zur Nachtruhe gelegt hatten.»Wir haben niemanden verraten, alle sind einfach gekommen und haben sich genommen, was sie wollten, genauso wie dieser Haufen hier.«»Immerhin hat uns Lord Beric keine Gewalt angetan«, flüsterte ihr Freund.»Und der rote Priester bei ihm hat sogar für alles bezahlt, was sie sich holten.«

«Bezahlt? Er hat mir zwei meiner Hühner gestohlen und mir ein Stück Papier mit einem Zeichen in die Hand gedrückt? Kann ich zerfetztes Papier essen, frage ich dich? Legt es Eier?«Sie blickte sich um, aber es waren keine Wachen in der Nähe, und so spuckte sie dreimal aus.»Einmal für die Tullys, einmal für die Lannisters und einmal für die Starks.«

«Es ist eine Sünde und eine Schande«, zischte ein Greis.»Der alte König hätte so etwas nicht zugelassen.«»König Robert?«fragte Arya.

«König Aerys, die Götter mögen ihn segnen«, erwiderte der Greis, doch zu laut. Die Wache schlenderte herüber, um sie zum Schweigen zu bringen. Dabei verlor der alte Mann seine beiden letzten Zähne, und die Unterhaltung war für diese Nacht vorbei. Neben den Gefangenen führte Ser Gregor ein Dutzend Schweine, einen Käfig mit Hühnern, eine magere Milchkuh und neun Wagen mit gesalzenem Fisch mit. Der Berg und seine Männer hatten Pferde, die Gefangenen hingegen mußten zu Fuß gehen, und jene, die zu schwach waren, wurden getötet, ebenso wie jene, die dumm genug waren, die Flucht zu wagen. Des Nachts zerrten die Soldaten Frauen mit sich in die Büsche; die meisten von ihnen schienen das zu erwarten und folgten widerstandslos. Ein besonders hübsches Mädchen mußte jede Nacht mit vier oder fünf Kerlen gehen, bis sie schließlich mit einem Stein auf einen von ihnen einschlug. Ser Gregor zwang alle, dabei zuzuschauen, wie er ihr den Kopf mit einem einzigen Hieb seines zweihändigen Schwertes abschlug.»Laßt die Leiche für die Wölfe liegen«, befahl er und reichte das Schwert seinem Knappen, damit der es säubere.

Arya warf einen verstohlenen Blick auf Needle, welches ein schwarzbärtiger Glatzkopf namens Polliver am Gürtel trug. Gut, daß sie es mir abgenommen haben, dachte sie. Ansonsten hätte sie vermutlich auf Ser Gregor eingestochen, und die Wölfe würden sie ebenfalls fressen.

Polliver war nicht ganz so gemein wie die anderen, auch wenn er Needle gestohlen hatte. In der Nacht, in der man sie erwischt hatte, waren die Lannisters namenlose Fremde für sie gewesen, die unter ihren Helmen mit Nasenschutz einer dem anderen glichen, inzwischen jedoch kannte sie einen jeden von ihnen. Man mußte sich merken, wer faul war und wer brutal, wer klug und wer dumm. Man mußte bedenken, daß der, den sie Dreckschnauze nannten, zwar die schmutzigsten Ausdrücke benutzte, die ihr je zu Ohren gekommen waren, aber einem dennoch ein zweites Stück Brot gab, wenn man ihn darum bat, während der fröhliche alte Chiswyck und der leise Raff eine solche Frage mit einer Ohrfeige belohnten.

Arya beobachtete sie und lauschte ihnen und pflegte ihren Haß, wie Gendry früher seinen Helm gepflegt hatte. Dunsen trug diesen nun, und dafür haßte sie ihn. Sie haßte Polliver wegen Needle, und sie haßte den alten Chiswyck, weil er sich für komisch hielt. Und Raff den Liebling, der Lommy den Speer durch die Kehle getrieben hatte, haßte sie mehr als alle anderen. Sie haßte Ser Armory Lorch wegen Yoren, sie haßte Ser Meryn Trant wegen Syrio, den Bluthund, weil er den Schlachterjungen Mycah umgebracht hatte, und Ser Ilyn und Joffrey und die Königin wegen ihres Vaters, und wegen Desmond und den anderen, und sogar wegen Lady Sansas Wolf. Der Kitzler flößte ihr fast zuviel Furcht ein, um ihn zu hassen. Manchmal vergaß sie seine Anwesenheit beinahe. Wenn er keine Verhöre führte, war er nur ein gewöhnlicher Soldat, ziemlich ruhig zudem, und sein Gesicht unterschied sich nicht von tausend anderen.

Jede Nacht sagte Arya ihre Namen auf.»Ser Gregor«, flüsterte sie in den Stein, der ihr Kissen bildete,»Dunsen, Polliver, Chiswyck, Raff der Liebling. Der Kitzler und der Bluthund. Ser Armory, Ser Ilyn, Ser Meryn, König Joffrey, Königin Cersei. «Zuhause in Winterfell hatte Arya mit ihrer Mutter in der Septe und mit ihrem Vater im Götterhain gebetet, doch auf der Straße nach Harrenhal gab es keine Götter, und diese Namen waren das einzige Gebet, das sie sich merken wollte.

Jeden Tag mußten sie marschieren, jede Nacht sagte sie die Namen auf, bis endlich der Wald lichter wurde und einer Landschaft mit sanften Hügeln, #mäandernden Bächen und sonnenbeschienenen Feldern wich, aus der die Hülsen niedergebrannter Burgen wie verfaulte Zähne aufragten. Noch einen Tagesmarsch dauerte es, bevor sie einen ersten Blick auf die Türme von Harrenhal werfen konnten, die sich in der Ferne dicht am blauen Wasser des Sees abzeichneten.

In Harrenhal würde es besser werden, versicherten sich die Gefangenen gegenseitig, allerdings war Arya sich dessen nicht so sicher. Sie erinnerte sich an Old Nans Geschichten über die Burg, die auf Furcht erbaut worden war. Harren der Schwarze hatte Menschenblut in den Mörtel gemischt, erzählte Old Nan immer und senkte die Stimme dabei, so daß die Kinder sich vorbeugen mußten, um sie zu verstehen, aber Aegons Drachen hatten Harren und seine Söhne im Inneren der riesigen Steinmauern verbrannt.

Arya kaute auf der Unterlippe, während sie einen schwieligen Fuß vor den anderen setzte. Nicht mehr weit, sagte sie sich; die Türme waren nur noch ein paar Meilen entfernt.

Dennoch sollte noch ein ganzer Tag verstreichen, und der größte Teil des nächsten, bis sie endlich die Vorposten von Lord Tywins Armee erreichten, die westlich der Burg in den verkohlten Ruinen einer Stadt hausten. Harrenhal täuschte den Beobachter aus der Ferne, weil es so riesig war. Seine kolossalen Außenmauern erhoben sich am See, nackt und steil wie eine Felswand, während oben auf den Wehrgängen die Reihen von Skorpionen aus Holz und Eisen so klein wirkten wie die Spinnentiere, nach denen sie benannt waren.

Der Gestank des Lannisterheeres stieg Arya in die Nase, lange bevor sie die Wappen auf den Bannern entlang des Seeufers erkennen konnten. Dem Geruch nach mußte sich Lord Tywin bereits eine Weile lang hier aufhalten. Die Latrinen um das Lager flossen über und waren von Fliegen umschwärmt, und sie sah schwachen grünen Flaum auf vielen der angespitzten Pfähle, die die Schutzzäune bildeten.

Das Torhaus von Harrenhal war so groß wie Winterfells großer Bergfried; die Steine waren gesprungen und verwittert. Von außen waren nur die Spitzen der riesigen Türme hinter den Mauern zu erkennen. Der kleinste von ihnen war doppelt so hoch wie der größte von Winterfell, aber er schien gar nicht wirklich in die Höhe zu streben. Arya erinnerten die Türme an die knotigen Finger eines alten Mannes, die nach einer vorbeiziehenden Wolke greifen. Sie dachte daran, daß Old Nan ihr erzählt hatte, der Stein sei geschmolzen und die Stufen hinuntergeflossen wie Kerzenwachs, als würde er glühendrot nach Harrens Versteck suchen. Arya glaubte ihr jetzt jedes Wort; jeder der Türme wirkte grotesk und unförmig, verbogen und zerlaufen.

«Ich will dort nicht hinein«, kreischte Heiße Pastete, als sich die Tore vor ihnen öffneten.»Da drin gibt es Gespenster.«

Chiswyck hörte ihn, doch diesmal lächelte er nur.»Bäckerjunge, du hast die Wahclass="underline" Gesell dich zu den Gespenstern oder werde selbst eins.«