Выбрать главу

Von einer Burg, die sich bewegte, hatte Bran noch nie gehört. Er blickte sie unsicher an, konnte aber nicht recht entscheiden, ob sie ihn nur necken wollte oder nicht.»Ich wünschte, ich könnte euch dort besuchen. Glaubt ihr, euer Hoher Vater würde mich nach dem Krieg willkommen heißen?«

«Ganz gewiß, mein Prinz. Entweder dann, oder auch jetzt.«

«Jetzt?«Bran hatte sein ganzes Leben auf Winterfell verbracht. Er sehnte sich nach fernen Orten.»Ich könnte Ser Rodrik fragen, wenn er zurückkehrt. «Der alte Ritter war nach Osten unterwegs, wo er Schwierigkeiten ausräumen mußte. Roose Boltons Bastard hatte Lady Hornwood bei ihrer Rückkehr vom Erntefest entführt und sie noch in derselben Nacht geheiratet, obwohl er jung genug war, um ihr Sohn zu sein. Dann hatte Lord Manderly ihre Burg besetzt. Um die Ländereien der Hornwoods vor den Boltons zu schützen, hatte er geschrieben, dennoch war Ser Rodrik auf ihn beinahe genauso wütend wie auf den Bastard.»Ser Rodrik würde mich vielleicht reisen lassen. Maester Luwin bestimmt nicht.«

Jojen Reed saß mit untergeschlagenen Beinen unter dem Wehrholzbaum und betrachtete ihn ernst.»Es wäre gut, wenn du Winterfell verläßt, Bran.«

«Wirklich?«

«Ja. Und je eher, desto besser.«

«Mein Bruder hat den Grünen Blick«, sagte Meera.»Er träumt Dinge, die noch nicht passiert sind, die jedoch

manchmal wirklich geschehen.«

«Nicht manchmal, Meera. «Sie sahen sich an; er traurig, sie trotzig.

«Sag mir, was passieren wird«, verlangte Bran.

«Das tue ich«, erwiderte Jojen,»wenn du mir von deinen Träumen erzählst.«

Im Götterhain wurde es still. Bran hörte das Laub rascheln, und irgendwo planschte Hodor in den heißen Tümpeln. Er dachte an den goldenen Mann und die dreiäugige Krähe, erinnerte sich an das Knirschen der Knochen, die von seinen Kiefern zermahlt wurden, und an den Kupfergeschmack des Blutes.»Ich träume nicht. Maester Luwin gibt mir Schlaftrünke.«

«Helfen sie?«

«Meistens.«

Meera sagte:»In Winterfell weiß jeder, daß du nachts oft schweißgebadet und schreiend aufwachst, Bran. Die Frauen reden am Brunnen darüber, und die Wachen in ihren Quartieren.«

«Sag uns, was dir so große Angst macht«, forderte Jojen.

«Ich will nicht. Das sind doch nur Träume. Maester Luwin meint, Träume können etwas bedeuten oder auch nicht.«

«Mein Bruder träumt auch wie andere Jungen, und diese Träume können alles mögliche bedeuten«, erwiderte Meera,»aber die Grünen Träume sind anders.«

Jojens Augen hatten die Farbe von Moos, und manchmal, wenn er jemanden anblickte, schien er etwas ganz anderes zu sehen. So wie jetzt.»Ich habe von einem geflügelten Wolf geträumt, der mit grauen Steinketten an die Erde gefesselt war«, erzählte er.»Es war kein Grüner Traum, darum weiß ich, daß er wahr ist. Eine Krähe wollte die Kette durchpicken, aber der Stein war zu hart, und der Schnabel hackte nur winzige

Splitter ab.«

«Hatte die Krähen drei Augen?«

Jojen nickte.

Summer hob den Kopf von Brans Schoß und starrte den jungen Pfahlbaumann mit seinen dunkelgoldenen Augen an.

«Als ich klein war, wäre ich fast am Greywaterfieber gestorben. Da kam die Krähe zu mir.«

«Zu mir ist sie gekommen, nachdem ich gestürzt war«, platzte Bran heraus.»Ich habe lange geschlafen. Sie hat gesagt, ich müsse fliegen oder sterben, und dann bin ich aufgewacht, bloß war mein Körper zerschmettert, und ich konnte gar nicht fliegen.«

«Du kannst es, wenn du willst. «Meera hob ihr Netz auf, löste die letzten Knoten und legte es locker zusammen.

«Du bist der geflügelte Wolf, Bran«, sagte Jojen.»Als wir hier ankamen, war ich mir dessen nicht sicher, doch inzwischen bin ich es. Die Krähe hat uns geschickt, damit wir deine Ketten lösen.«

«Ist die Krähe am Greywater?«

«Nein. Die Krähe hält sich im Norden auf.«

«Auf der Mauer?«Bran hatte die Mauer immer schon sehen wollen. Sein Bastardbruder Jon diente dort in der Nachtwache.

«Jenseits der Mauer. «Meera Reed hängte sich das Netz an den Gürtel.»Als Jojen unserem Hohen Vater erzählte, was er geträumt hat, hat er uns nach Winterfell geschickt.«

«Und wie soll ich die Kette sprengen?«wollte Bran wissen.

«Öffne dein Auge.«

«Sie sind offen. Bist du blind?«

«Zwei. «Jojen zeigte darauf.»Eins, zwei.«

«Ich habe nur zwei.«

«Du hast drei. Die Krähe hat dir ein drittes geschenkt, doch du willst es nicht aufmachen. «Er sprach die ganze Zeit so langsam, daß Bran sich dabei wie ein kleines Kind fühlte.»Mit zwei Augen siehst du mein Gesicht. Mit dreien könntest du mein Herz sehen. Mit zweien siehst du die Eiche dort. Mit dreien könntest du die Eichel erkennen, aus der sie gewachsen ist, und den Stumpf, der eines Tages von ihr bleiben wird. Mit zwei Augen siehst du nur bis zu euren Mauern. Mit dreien könntest du bis zum Sommermeer im Süden schauen und über die Mauer im Norden hinaus.«

Summer stand auf.»So weit brauche ich nicht zu sehen. «Bran lächelte nervös.»Dieses Gerede über Krähen langweilt mich. Reden wir lieber über Wölfe. Oder über Eidechsenlöwen. Hast du schon einmal einen gejagt, Meera? Bei uns gibt es keine.«

Meera holte ihre Froschspeere aus dem Gebüsch.»Sie leben

im Wasser. In langsam fließenden Bächen und tiefen Sümpfen

— «

Ihr Bruder unterbrach sie.»Hast du von Eidechsenlöwen geträumt?«

«Nein«, sagte Bran.»Ich will nicht mehr über — «

«Aber von einem Wolf?«

Er machte Bran wütend.»Ich muß keinem meine Träume erzählen. Ich bin der Prinz. Ich bin der Stark in Winterfell.«

«War es Summer?«

«Sei still!«

«In der Nacht des Erntefests hast du geträumt, du seist Summer, hier im Götterhain, nicht wahr?«

«Hör auf!«schrie Bran. Summer schlich geduckt auf den Wehrholzbaum zu und fletschte die Zähne.

Jojen beachtete ihn nicht.»Als ich Summer berührt habe, habe ich dich in ihm gefühlt. Genauso wie jetzt.«

«Wie denn? Ich war im Bett und habe geschlafen.«»Du warst im Götterhain.«

«Das war nur ein böser Traum… «

Jojen stand auf.»Ich habe dich gespürt. Ich habe gespürt, wie du gefallen bist. Hast du davor Angst, zu fallen?«

Vor dem Fallen, dachte Bran, und vor dem goldenen Mann, dem Bruder der Königin, vor ihm habe ich auch Angst, aber am meisten vor dem Fallen. Trotzdem sprach er es nicht aus. Wie könnte er? Nicht einmal Ser Rodrik und Maester Luwin hatte er es sagen können, und bei den Reeds erging es ihm ebenso. Wenn er nicht darüber redete, würde er es vielleicht vergessen. Er hatte sich niemals daran erinnern wollen. Möglicherweise war es gar keine richtige Erinnerung.

«Fällst du jede Nacht, Bran?«fragte Jojen leise.

Ein leises, grollendes Knurren löste sich aus Summers Kehle, und diesmal lag nichts Spielerisches darin. Er pirschte sich heran, mit blitzenden Zähnen und glühenden Augen. Meera trat mit dem Speer in der Hand zwischen den Wolf und ihren Bruder.»Halt ihn zurück, Bran.«

«Jojen macht ihn wütend.«

Meera schüttelte ihr Netz zurecht.

«Es ist deine Wut, Bran«, sagte ihr Bruder.»Deine Furcht.«

«Nein. Ich bin kein Wolf. «Und doch heulte er des Nachts mit ihnen, schmeckte er in seinen Wolfsträumen Blut.