«Setzt Euch«, befahl Joff und deutete auf den leeren Stuhl neben seinem eigenen.»Habt Ihr schon gehört? Der Bettelkönig ist tot.«
«Wer?«Einen Augenblick lang fürchtete Sansa, er meine Robb.
«Viserys. Der letzte Sohn des irren Königs Aerys. Er ist schon durch die Freien Städte gezogen, bevor ich geboren wurde, und hat sich einen König genannt. Also, Mutter sagt, die Dothraki hätten ihn am Ende gekrönt. Mit geschmolzenem Gold. «Er lachte.»Ist das nicht lustig? Der Drachen war ihr Wappentier. Es ist fast so gut, als würde ein Wolf Euren abtrünnigen Bruder töten. Vielleicht verfüttere ich ihn an die Wölfe, nachdem ich ihn gefangengenommen habe. Habe ich es Euch schon erzählt? Ich beabsichtige, ihn zum Zweikampf herauszufordern.«
«Dem würde ich zu gern beiwohnen, Euer Gnaden. «Lieber, als du ahnst. Sansa sprach kühl und höflich, trotzdem furchte Joffrey die Stirn und versuchte zu ergründen, ob sie ihn verspottete.»Werdet Ihr heute am Turnier teilnehmen?«fragte sie rasch.
«Meine Hohe Mutter war der Meinung, es sei nicht angemessen, da das Turnier mir zu Ehren ausgerichtet wurde. Anderenfalls hätte ich den Sieg davongetragen. Nicht wahr, Hund?«
Des Bluthunds Mund zuckte.»Gegen diesen Haufen? Warum nicht?«
Er war der Sieger beim Turnier ihres Vaters gewesen, erinnerte sich Sansa.»Werdet Ihr Euch tjostieren, Mylord?«fragte sie ihn.
In Cleganes Stimme schwang tiefste Verachtung mit.»Es wäre der Mühe nicht wert, die Rüstung anzulegen. Dieses Turnier ist für Mücken.«
Der König lachte.»Mein Hund hat wütend gebellt. Vielleicht sollte ich ihm befehlen, gegen den Sieger des Tages anzutreten. Ein Kampf bis zum Tod. «Joffrey gefiel es, Männer auf Leben und Tod gegeneinander fechten zu lassen.
«Dadurch würdet Ihr nur einen Ritter verlieren. «Der Bluthund hatte den Eid des Ritters niemals abgelegt. Sein verhaßter Bruder dagegen war ein Ritter.
Ein Trompetenstoß ertönte. Der König setzte sich wieder und ergriff Sansas Hand. Einst hätte ihr Herz zu klopfen begonnen, aber das war, bevor er ihr Flehen um Gnade für ihren Vater beantwortet hatte, indem er ihr seinen Kopf präsentierte. Jetzt widerte sie seine Berührung an, doch sie war zu klug, sich dies anmerken zu lassen. Sie saß sehr still.
«Ser Meryn Trant aus der Königsgarde«, verkündete ein Herold.
Ser Meryn betrat den Hof von der Westseite her. Er trug eine weiße Rüstung, die mit Gold ziseliert war, und ritt ein milchweißes Schlachtroß mit grauer Mähne. Sein Umhang wehte wie ein schneebedecktes Feld hinter ihm. Er hielt eine vier Meter lange Lanze.
«Ser Hobber aus dem Hause Redwyne vom Arbor!«rief der Herold nun. Ser Hobber trabte von Osten auf einem schwarzen Hengst herein, der eine burgunderrote und blaue Schabracke trug. Seine Lanze war in der gleichen Weise gestreift, und sein Schild zeigte die Weintraube, das Wappen seines Hauses. Die Redwyne-Zwillinge waren ebenso wie Sansa unfreiwillig Gäste der Königin. Sie fragte sich, wessen Idee es gewesen war, sie an Joffreys Turnier teilnehmen zu lassen. Gewiß nicht ihre eigene, dachte sie.
Auf ein Zeichen des Turniermeisters hin legten die Kämpfer die Lanzen an und gaben ihren Tieren die Sporen. Die Wachen und Lords und Ladys auf der Tribüne stimmten anfeuernde Rufe an. Die Ritter trafen in der Mitte des Hofes unter lautem Krachen von Holz und Stahl aufeinander. Die weiße und die gestreifte Lanze zersplitterten. Hobber Redwyne wankte bei der Wucht des Aufpralls, hielt sich jedoch im Sattel. Am jeweiligen Ende der Bahn wendeten die Ritter ihre Pferde, warfen die gebrochenen Lanzen zu Boden und nahmen Ersatz von ihren Knappen entgegen. Ser Horas Redwyne, der Zwillingsbruder, rief Ser Hobber Ermunterungen zu.
Doch im zweiten Durchgang richtete Ser Meryn die Lanzenspitze auf Ser Hobbers Brust und warf ihn aus dem Sattel, und der Gegner landete krachend auf der Erde. Ser Horas fluchte und eilte seinem geschlagenen Bruder zu Hilfe.
«Ein schlechter Ritt«, verkündete König Joffrey.
«Ser Balon Swann von Stonehelm«, ließ sich der Herold vernehmen. Breite weiße Schwingen verzierten Ser Balons großen Helm, und auf seinem Schild rangen ein schwarzer und ein weißer Schwan miteinander.»Morros aus dem Hause Slynt, Erbe von Lord Janos von Harrenhal.«
«Schaut Euch diesen tölpelhaften Emporkömmling an«, johlte Joff so laut, daß es der halbe Hof hören konnte. Morros, der lediglich Knappe war und auch dies noch nicht lange, hatte Schwierigkeiten damit, Schild und Lanze zu halten. Die Lanze war die Waffe des Ritters, soviel wußte Sansa, und die Slynts gehörten einem Geschlecht niederer Herkunft an. Lord Janos war lediglich der Kommandant der Stadtwache gewesen, ehe Joffrey ihm Harrenhal als Lehen übertragen und ihn in seinen Rat berufen hatte.
Hoffentlich stürzt er und bereitet sich selbst Schande, dachte sie verbittert. Hoffentlich tötet Ser Balon ihn. Nachdem Joffrey den Tod ihres Vaters verkündet hatte, war es Janos Slynt gewesen, der Lord Eddards Kopf am Haar packte und ihn in die Höhe hielt, damit der König und die Menge ihn betrachten konnten. Sansa hatte derweil laut geschluchzt und geschrien.
Morros trug einen schwarz-golden karierten Umhang über einer schwarzen Rüstung, in die goldene Schneckenverzierungen eingelegt waren. Auf seinem Schild prangte der blutige Speer, den sich sein Vater zum Wappen des neuen Hauses erwählt hatte. Aber der junge Mann schien nicht recht zu wissen, wie er den Schild handhaben sollte, während er sein Pferd vorandrängte, und Ser Balons Spitze traf das rechteckige Wappen. Morros ließ die Lanze fallen, rang um sein Gleichgewicht und verlor diesen Kampf. Ein Fuß verfing sich beim Fall im Steigbügel, und das durchgehende Streitroß schleifte ihn bis zum Ende der Bahn, wobei Morros' Kopf wieder und wieder auf den Boden schlug. Joff grölte spöttisch. Sansa war erschüttert und fragte sich, ob die Götter ihr rachsüchtiges Gebet erhört hatten. Aber nachdem man Morros Slynt von seinem Pferd befreit hatte, war er zwar blutüberströmt, lebte jedoch.»Tommen, wir haben den falschen Gegner für dich ausgewählt«, sagte der König zu seinem Bruder.»Der Strohritter tjostiert besser als der da.«
Daraufhin war die Reihe an Ser Horas Redwyne. Er hatte mehr Erfolg als sein Zwillingsbruder und bezwang einen älteren Ritter, dessen Roß mit silbernen Greifen in blauweißgestreiftem Feld geschmückt war. Mochte der alte Mann auch prachtvoll aussehen, so hatte er im Lanzenkampf nur wenig zu bieten. Joffrey verzog den Mund.»Was für eine armselige Vorstellung.«
«Ich habe Euch gewarnt«, sagte der Bluthund.»Mücken. «Der König begann sich zu langweilen. Das erfüllte Sansa mit Besorgnis. Sie senkte den Blick und entschloß sich, zu schweigen, gleichgültig, was geschähe. Wenn Joffrey Baratheons Laune sich verdüsterte, konnte ein beiläufiges Wort seinen Zorn entfesseln.
«Lothor Brune, freier Ritter in Diensten des Lords Baelish«, rief der Herold.»Ser Dontos der Rote aus dem Hause Hollard.«
Der fahrende Ritter, ein kleiner Mann mit verbeulter Rüstung ohne Wappen, erschien ordnungsgemäß am Westende des Hofes, nur sein Gegner ließ sich nicht blicken. Schließlich trottete ein Fuchshengst in purpur- und scharlachroter Seide herbei, doch Ser Dontos saß nicht darauf. Einen Augenblick später betrat der Ritter fluchend und taumelnd das Feld. Er trug einen Brustharnisch und einen federverzierten Helm und sonst nichts. Seine Beine waren weiß und dürr, und seine Männlichkeit wedelte obszön herum, während er dem Pferd nachsetzte. Die Zuschauer brüllten und schrien Beleidigungen. Schließlich packte Ser Dontos das Pferd am Zügel und versuchte aufzusteigen, doch das Tier stand nicht still, und der Ritter war zu betrunken und verfehlte mit den bloßen Füßen immer wieder den Steigbügel.