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Eine Kolonne Reiter kam, vom Hufschlag und stählernem Klirren begleitet, unter dem Fallgatter hervor. Clegane trat dicht an den König heran und legte eine Hand auf den Griff seines Langschwerts. Die Besucher waren reichlich mitgenommen, ausgezehrt und staubig, und dennoch trugen sie als Standarte den Löwen der Lannisters — golden prangte er auf purpurrotem Feld. Einige waren in rote Umhänge gekleidet und hatten Kettenhemden angelegt, wie sie bei den Soldaten der Lannisters üblich waren, doch die meisten waren freie Ritter und Söldner, deren Rüstungen aus Einzelstücken bestanden und die von scharfem Stahl starrten… und dann waren da noch andere, riesige Wilde aus den Ammenmärchen, die Bran so gern gehört hatte. Diese Männer trugen schäbige Felle und gegerbtes Leder, langes Haar und verfilzte Barte. Manche hatten den Kopf oder die Hände mit blutgefleckten Verbänden verbunden, während anderen Augen, Ohren oder Finger fehlten.

In ihrer Mitte ritt auf einem großen Rotfuchs in einem eigentümlich hohen Sattel, der ihn von vorn bis hinten umschloß, der zwergenwüchsige Bruder der Königin, Tyrion Lannister, den man überall den Gnom nannte. Er hatte sich den Bart stehen lassen, um sein eingedrücktes Gesicht zu verhüllen, der zu einem gelben und schwarzen Wirrwarr aus drahtigen Haaren herangewachsen war. Über seinen Rücken hing ein Mantel aus schwarzem Pelz, der mit weißen Streifen durchsetzt war. Er hielt die Zügel in der Linken und trug den rechten Arm in einer weißen Schlinge, ansonsten wirkte er noch immer so grotesk, wie Sansa ihn von seinem Besuch auf Winterfell in Erinnerung hatte. Seine vorgewölbte Stirn und seine ungleichen Augen machten ihn zu dem häßlichsten Mann, den sie je gesehen hatte.

Tommen gab seinem Pony trotzdem die Sporen und galoppierte unter Freudengeschrei über den Hof. Einer der Wilden, ein großer, ungeschlachter Mann, dessen Gesicht so behaart war, das die untere Hälfte vollständig hinter dem Bart verschwand, packte den Jungen, riß ihn aus dem Sattel und stellte ihn neben seinem Onkel auf den Boden. Tommens atemloses Lachen hallte von den Mauern wider, und Tyrion klopfte ihm auf die gepanzerten Schultern. Überrascht sah Sansa, daß die beiden gleich groß waren. Myrcella rannte ihrem Bruder hinterher, und der Zwerg hob sie in die Höhe und wirbelte das kreischende Mädchen im Kreis.

Nachdem der kleine Mann sie wieder abgesetzt hatte, drückte er ihr einen sanften Kuß auf die Stirn und watschelte über den Hof auf Joffrey zu. Zwei seiner Männer folgten ihm dichtauf — ein schwarzhaariger, schwarzäugiger Söldner mit katzenhaften Bewegungen und ein hagerer junger Mann mit einer leeren Augenhöhle. Tommen und Myrcella trotteten hinter ihnen her.

Der Zwerg beugte ein Knie vor dem König.»Euer Gnaden.«

«Ihr«, sagte Joffrey.

«Ich«, bestätigte der Gnom,»obwohl ein höflicherer Gruß angebracht wäre, wo ich doch zum einen Euer Onkel und zum anderen der Ältere bin.«

«Man sagte, Ihr wäret tot«, warf der Bluthund ein.

Der kleine Mann warf dem Größeren einen Blick zu. Eines seiner Augen war grün, das andere schwarz, aber beide hatten dieselbe Kälte gemeinsam.»Ich habe mit dem König geredet, nicht mit seinem Köter.«

«Ich bin froh, daß Ihr nicht tot seid«, verkündete Prinzessin Myrcella.

«Darin sind wir uns gewiß einig, süßes Kind. «Tyrion wandte sich an Sansa.»Mylady, mein Beileid angesichts Eurer schweren Verluste. Den Göttern mangelt es wahrlich nicht an Grausamkeit.«

Sansa fiel keine Erwiderung ein. Wie konnten ihm ihre Verluste leid tun? Verspottete er sie? Nicht die Götter waren grausam, sondern Joffrey.

«Und mein Beileid gilt auch Euch, Joffrey«, fügte der Zwerg hinzu.»Wofür?«

«Für den Verlust Eures königlichen Vaters; ein großer ungestümer Mann mit schwarzem Bart; Ihr werdet Euch an ihn erinnern, wenn Ihr es nur versucht. Er war König vor Euch.«»Ach, er. Ja, sehr traurig. Ein Keiler hat ihn getötet.«»Haben >sie< Euch das erzählt, Euer Gnaden?«Joffrey runzelte die Stirn. Sansa spürte, daß sie etwas sagen sollte. Was hatte Septa Mordane ihr stets eingebleut? Die Rüstung einer Dame ist die Höflichkeit, ja. Sie legte ihren Harnisch an.»Meine Hohe Mutter hat Euch gefangengenommen, und das tut mir leid,

Mylord.«

«Das tut vielen, vielen Leuten leid«, erwiderte Tyrion,»und bevor es mit mir vorbei sein wird, könnte es einigen noch viel, viel mehr leid tun… Dennoch möchte ich Euch meinen Dank für Euer Mitgefühl aussprechen. Joffrey, wo finde ich Eure Mutter?«

«Sie tagt mit meinem Rat«, antwortete der König.»Euer Bruder Jaime verliert eine Schlacht nach der anderen. «Er warf Sansa einen wütenden Blick zu, als sei dies ihre Schuld.»Er ist von den Starks gefangengenommen worden, wir haben Riverrun verloren, und jetzt nennt sich ihr dummer Bruder König.«

Der Zwerg lächelte schief.»In letzter Zeit nennen sich eine Menge Leute König.«

Joff wußte nicht recht, was er mit dieser Bemerkung anfangen sollte, doch merkte man ihm sein Mißtrauen deutlich an.»Ja. Gut. Ich freue mich, daß Ihr noch lebt, Onkel. Habt Ihr mir ein Geschenk zum Namenstag mitgebracht?«

«Das habe ich. Meinen Verstand.«

«Robb Starks Kopf wäre mir lieber gewesen«, sagte Joff mit einem verschlagenen Seitenblick auf Sansa.»Tommen, Myrcella, kommt.«

Sandor Clegance verweilte noch einen Moment.»An Eurer Stelle würde ich meine Zunge hüten, kleiner Mann«, warnte er, ehe er seinem Lehnsherrn folgte.

Sansa blieb bei dem Zwerg und seinen Ungeheuern zurück. Sie überlegte fieberhaft, was sie sagen könnte.»Ihr habt Euch am Arm verletzt«, brachte sie schließlich heraus.

«Einer Eurer Nordmannen hat mich mit dem Morgenstern getroffen, in der Schlacht am Grünen Arm. Ich bin ihm entgangen, indem ich mich vom Pferd fallen ließ. «Sein Grinsen wurde sanfter, während er ihr Gesicht betrachtete.»Ist

es die Trauer um Euren Vater, die Euch so sehr bekümmert?«

«Mein Vater war ein Hochverräter«, erwiderte Sansa sofort.»Und mein Bruder und meine Hohe Mutter sind gleichfalls Hochverräter. «Diese Antwort hatte sie gelernt.»Ich dagegen bin meinem geliebten Joffrey treu.«

«Ohne Zweifel. So treu wie das Rotwild, das von Wölfen eingekreist ist.«

«Löwen«, flüsterte sie ohne nachzudenken. Sie blickte sich nervös um, aber niemand war in der Nähe.

Lannister ergriff ihre Hand und drückte sie.»Ich bin nur ein kleiner Löwe, Kind, und ich schwöre, daß ich nicht über Euch herfallen werde. «Er verneigte sich und fügte hinzu:»Doch nun müßt Ihr mich entschuldigen. Ich habe eine dringliche Angelegenheit mit der Königin und ihrem Rat zu besprechen.«

Sansa blickte ihm nach. Sein Körper schwankte bei jedem Schritt grotesk von einer Seite zur anderen. Er spricht freundlicher als Joffrey, dachte sie; aber die Königin hat auch freundlich mit mir geredet. Dennoch bleibt er ein Lannister, ist er doch ihr Bruder und Joffs Onkel. Und kein Freund. Einst hatte sie Prinz Joffrey von ganzem Herzen geliebt und bewundert, und seiner Mutter, der Königin, vertraut. Diese Liebe und dieses Vertrauen hatten sie ihr mit dem Kopf ihres Vaters vergolten. Diesen Fehler würde Sansa niemals wieder begehen.

Tyrion

Im weißen Gewand der Königsgarde erweckte Ser Mandon Moore den Eindruck eines Toten im Leichenhemd.»Ihre Gnaden hat angeordnet, die Ratssitzung nicht zu stören.«