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Viele der Reisenden waren bewaffnet; neben Dolchen und

Messern, Sensen und Äxten entdeckte Arya hier und dort auch ein Schwert. Einige hatten sich aus dicken Ästen Keulen gemacht oder knorrige Stöcke geschnitzt. Sie packten ihre Waffen fest und warfen den Wagen gierige Blicke zu, während sie vorbeirollten, doch am Ende ließen sie die Kolonne passieren. Dreißig waren zu viele, ganz gleich, was sie auch in den Wagen befördern mochten.

Sieh mit deinen Augen, hatte Syrio sie gelehrt, höre mit deinen Ohren.

Eines Tages erhob eine verrückte Frau am Straßenrand ein fürchterliches Geschrei.»Narren! Sie werden euch umbringen, Narren!«Sie war mager wie eine Vogelscheuche, ihre Augen lagen tief in den Höhlen, und die Füße hatte sie sich blutig gelaufen.

Am nächsten Morgen zügelte ein wohlgenährter Händler seine graue Stute neben Yoren und bot ihm an, die Wagen für ein Viertel ihres Wertes zu kaufen.»Es herrscht Krieg, und sie nehmen Euch ab, was sie wollen, daher solltet Ihr sie mir besser verkaufen, mein Freund. «Yoren wandte sich mit einer Drehung der krummen Schultern ab und spuckte aus.

Das war der Tag, an dem Arya das erste Grab bemerkte, ein kleiner Hügel neben der Straße, offensichtlich für ein Kind. In die aufgeworfene Erde hatte man einen Kristall gedrückt, den Lommy an sich nehmen wollte, doch der Bulle riet ihm, die Toten lieber ruhen zu lassen. Etliche Meilen später zeigte Praed auf weitere frische Gräber, eine ganze Reihe diesmal. Danach verging kaum ein Tag, ohne daß sie an einem Grabhügel vorbeikamen.

Einmal wachte Arya im Dunkeln auf und verspürte eine Furcht, deren Ursprung sie nicht begriff. Über ihnen teilte sich das Rote Schwert den Himmel mit tausend Sternen. Die Nacht erschien ihr eigentümlich ruhig, obgleich sie Yorens Schnarchen, das Prasseln des Feuers und auch das leise

Scharren der Esel hörten. Dennoch hatte sie das Gefühl, die Welt halte den Atem an, und angesichts dieser Stille schauderte es sie. Sie umklammerte Needle und schlief wieder ein.

Darauf folgte der Morgen, an dem Praed nicht mehr aufstand, und Arya begriff, daß sie sein Husten vermißt hatte. Jetzt hoben sie selbst ein Grab aus und bestatteten den Söldner an der Stelle, wo er geschlafen hatte. Yoren nahm ihm seine Wertsachen ab, bevor sie ihn mit Erde bedeckten. Ein Mann beanspruchte seine Stiefel für sich, ein anderer den Dolch. Das Kettenhemd und der Helm wurden verteilt. Das Langschwert überreichte Yoren dem Bullen.»Arme wie deine können vielleicht lernen, es zu schwingen«, sagte er. Ein Junge namens Tarber warf Eicheln auf Praeds Leiche, damit dort eine Eiche wachsen möge, um das Grab kenntlich zu machen.

Abends hielten sie in einem Dorf an einem Efeu überwucherten Gasthaus. Yoren zählte seine Münzen und entschied, er habe genug Geld, damit sich alle eine warme Mahlzeit leisten konnten.»Wie immer schlafen wir draußen, aber sie haben ein Badehaus, falls einem vom euch der Sinn nach heißem Wasser und Seife steht.«

Arya wagte es nicht, obwohl sie bereits genauso übel roch wie Yoren. Einige der Tierchen, die in ihrer Kleidung ein Heim gefunden hatten, begleiteten sie schon seit King's Landings Armenviertel; es erschien ihr falsch, sie jetzt zu ertränken. Tarber und Heiße Pastete und der Bulle stellten sich in der Reihe vor den Badewannen an. Andere lagerten vor dem Badehaus. Der Rest drängte sich in den Schankraum. Yoren schickte sogar Lommy mit Krügen für die drei los, die noch immer auf einem der Wagen angekettet waren.

Ob sauber oder ungewaschen, alle genossen die warme Pastete mit Schweinefleisch und die Bratäpfel. Der Wirt gab eine Runde Bier auf Kosten des Hauses aus.»Ich hatte einen Bruder, der vor Jahren das Schwarz angelegt hat. Ein Dienstbote, ein kluger Junge, aber eines Tages wurde er dabei erwischt, wie er Pfeffer von M'lords Tafel stibitzt hat, und Ser Malcolm war ein harter Mann. Bekommt Ihr Pfeffer auf der Mauer?«Auf Yorens Kopfschütteln hin seufzte der Mann.»Schade. Lync mochte Pfeffer so gern.«

Arya nippte zwischen Bissen der noch warmen Pastete vorsichtig an ihrem Bier. Ihr Vater hatte ihr manchmal ebenfalls einen Becher erlaubt, erinnerte sie sich. Sansa hatte stets nur das Gesicht verzogen und behauptet, Wein schmecke so viel feiner, aber Arya hatte es gemocht. Der Gedanke an Sansa und ihren Vater erfüllte sie mit Traurigkeit.

Im Gasthaus wimmelte es von Menschen, die nach Süden unterwegs waren, und überall im Schankraum wurden höhnische Bemerkungen laut, als Yoren verkündete, sie zögen in die andere Richtung.»Ihr werdet bald wieder auf dem Rückweg sein«, versprach ihm der Wirt.»Nach Norden gibt es kein Durchkommen. Die Hälfte aller Felder ist abgebrannt, und wer sich dort oben noch herumtreibt, hat sich hinter die Mauern der Burgen verkrochen. Wenn eine Truppe in der Morgendämmerung abzieht, taucht bei Einbruch der Nacht die nächste auf.«

«Uns kann das gleichgültig sein«, beharrte Yoren stur.»Tully oder Lannister, welche Rolle spielt das schon. Die Nachtwache ergreift für niemanden Partei.«

Lord Tully ist mein Großvater, dachte Arya. Ihr war es keinesfalls gleichgültig, aber sie biß sich lediglich auf die Unterlippe, schwieg und lauschte.

«Es geht um mehr als nur um Lannister oder Tully«, erwiderte der Wirt.»Aus den Mondbergen sind die wilden Menschen heruntergekommen, und denen könnt Ihr ja mal erzählen, daß Ihr keine Partei ergreift. Und die Starks haben sich ebenfalls eingemischt, der junge Lord, der Sohn der toten Rechten Hand… «

Arya setzte sich kerzengerade hin und spitzte die Ohren.

Meinte er etwa Robb?

«Ich habe gehört, der Junge reitet auf einem Wolf in die Schlacht«, sagte ein Kerl mit gelblichem Haar, der einen Krug in der Hand hielt.

«Törichtes Gerede. «Yoren spuckte aus.

«Der Mann, der es mir erzählt hat, will es mit eigenen Augen gesehen haben. Ein Wolf, so groß wie ein Pferd, hat er geschworen.«

«Wegen eines Schwurs muß es noch lange nicht wahr sein, Hod«, entgegnete der Wirt.»Du schwörst ständig, deine Schulden bei mir zu begleichen, und ich habe noch kein einziges Kupferstück gesehen. «Die anderen Gäste brachen in Gelächter aus, und dem Mann mit dem gelblichen Haar stieg die Röte ins Gesicht.

«Was Wölfe betrifft, war es ein schlechtes Jahr«, warf ein bleicher Mann in einem zerschlissenen grünen Mantel ein.»Um das God's Eye herum sind die Rudel seit Menschengedenken nicht so dreist gewesen. Schafe, Kühe, Hunde, ganz gleich, sie töten, was sie wollen, und sie fürchten sich auch nicht vor den Menschen. Wenn man bei Nacht in die Wälder geht, setzt man sein Leben aufs Spiel.«

«Ach, das sind doch auch nur Schauergeschichten und auch nicht glaubwürdiger als alle anderen.«

«Von meiner Kusine habe ich das gleiche gehört, und die lügt für gewöhnlich nie«, mischte sich eine alte Frau ein.»Sie sagt, dort treibe sich ein riesiges Rudel herum, Hunderte von Tieren, Menschenfresser. Und sie werden von einer Wölfin angeführt, die aus der Hölle geflohen sein muß.«

Eine Wölfin. Arya verschüttete ihr Bier und grübelte. Lag das God's Eye in der Nähe des Trident? Hätte sie doch nur eine Karte. Nicht weit vom Trident hatte sie Nymeria zurückgelassen. Gegen ihren Willen, aber Jory hatte gesagt, ihnen bliebe keine andere Wahl, denn wenn das Tier zurückkäme, würde es getötet, weil es Joffrey gebissen hatte, und mochte der Junge es hundertmal verdient haben. Sie hatten die Wölfin angebrüllt und angeschrien und Steine nach ihr geworfen, und erst nachdem ein paar Steine ihr Ziel getroffen hatten, war ihnen der Schattenwolf nicht mehr hinterhergelaufen. Vermutlich würde sie mich gar nicht erkennen, dachte Arya, oder wenn doch, haßt sie mich bestimmt.