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«Und dennoch ist er ein Nichts«, erwiderte Varys.»Er besitzt weder Krone noch Gold noch die Gunst der Götter, lediglich ein Stück Stahl mit scharfer Spitze.«

«Dieses Stück Stahl stellt die Macht über Leben und Tod dar.«

«Genau… nur, wenn es der Krieger ist, der uns in Wahrheit beherrscht, warum geben wir dann vor, unsere Könige würden die Macht besitzen? Warum sollte ein kräftiger Mann mit einem Schwert überhaupt einem Kindkönig wie Joffrey gehorchen, oder einem Trunkenbold wie seinem Vater?«

«Weil diese Kindkönige und Trunkenbolde andere starke Männer herbeirufen können, die ebenfalls mit Schwertern bewaffnet sind.«

«Dann besitzen doch jene anderen Krieger die wahre Macht. Oder etwa nicht? Woher stammen ihre Schwerter? Warum gehorchen sie?«Varys lächelte.»Manche behaupten, Wissen sei Macht. Andere leiten sie aus den Gesetzen her. Dennoch waren unser den Göttern gefälliger Hoher Septon, unsere rechtmäßige Regentin und Euer ach so wissender Diener an jenem Tag auf den Stufen von Baelors Septe ebenso machtlos wie jeder Schuster und Schneider in der Menge. Wer hat Eddard Stark eigentlich getötet, was meint Ihr? Joffrey, weil er den Befehl gegeben hat? Ser Ilyn Payne, der das Schwert geführt hat? Oder… jemand ganz anderes?«

Tyrion legte den Kopf schief.»Wolltet Ihr Euer verfluchtes Rätsel auflösen oder mir Kopfschmerzen bereiten?«

Varys lächelte.»Also gut. Die Macht wohnt dort, wo die Menschen glauben, daß sie wohnt. Das ist die ganze Antwort.«

«Also ist die Macht nur ein Mummenschanz?«

«Ein Schatten an der Wand«, murmelte Varys,»doch Schatten könnten töten. Und manchmal werfen sehr kleine Männer die größten Schatten.«

Tyrion grinste.»Lord Varys, ich entdecke eine eigentümliche Zuneigung für Euch. Vielleicht werde ich Euch eines Tages töten müssen, doch dann wird es mich immerhin traurig stimmen.«

«Das nehme ich als Lob.«

«Was seid Ihr, Varys?«fragte Tyrion, weil er es wirklich gern wissen wollte.»Eine Spinne, so hört man.«

«Spione und Ohrenbläser werden selten geliebt, Mylord. Ich bin lediglich ein treuer Diener des Reiches.«

«Und ein Eunuch. Vergessen wir das nicht.«

«Das passiert mir selten.«

«Mich nennen die Menschen oft Halbmann, und dennoch meine ich, die Götter hätten mir größere Gunst erwiesen. Ich bin klein, meine Beine sind gekrümmt, und die Frauen schauen mich nicht gerade mit schmachtender Sehnsucht an… trotzdem bin ich noch ein Mann. Shae ist nicht die erste, die mein Bett beehrt, und eines Tages werde ich mir möglicherweise eine Frau nehmen und einen Sohn zeugen. Falls die Götter es gut meinen, wird er aussehen wie sein Onkel und denken wie sein Vater. Eine solche Hoffnung könnt Ihr nicht hegen. Wer hat Euch entmannt? Wann und aus welchem Grunde? Wer seid Ihr wirklich?«

Das Lächeln des Eunuchen ließ sich nicht erschüttern, doch in seinen Augen lag ein Funkeln, das nichts mit Fröhlichkeit zu tun hatte.»Ihr seid zu freundlich, Euch danach zu erkundigen, Mylord, aber meine Geschichte ist lang und traurig, und wir haben einige Komplotte zu besprechen. «Er zog ein Pergament aus dem Ärmel seiner Robe.»Der Meister der königlichen Galeere Weißer Hirsch plant, in drei Tagen den Anker zu lichten, um Schwert und Schiff Lord Stannis anzubieten.«

Tyrion seufzte.»Demnach müssen wir wohl ein blutiges Exempel an dem Mann statuieren?«

«Ser Jacelyn könnte ihn verschwinden lassen, aber ein Gerichtsverfahren vor dem König würde wahrscheinlich der Treue der anderen Kapitäne förderlich sein.«

Und meinem königlichen Neffen etwas zu tun geben.»Wie Ihr meint. Geben wir ihm Joffreys Gerechtigkeit zu spüren.«

Varys machte einen Haken auf dem Pergament.»Ser Horas und Ser Hobber Redwyne haben eine Wache bestochen, die sie morgen nacht durch ein Nebentor hinauslassen soll. Für sie wurden Vorbereitungen getroffen, damit sie auf der Galeere Mondläufer aus Pentos als Ruderer getarnt fliehen können.«

«Könnten wir nicht dafür sorgen, daß sie tatsächlich einige Jahre lang als Ruderer dienen, damit wir erfahren, wie es ihnen gefällt?«Er lächelte.»Nein, meine Schwester wäre betrübt, solche geschätzten Gäste zu verlieren. Gebt Ser Jacelyn Bescheid. Ergreift den bestochenen Torwächter und erklärt ihm, was für eine Ehre es ist, bei der Nachtwache zu dienen. Und laßt die Mondläufer umstellen, falls die Redwynes einen zweiten Wächter finden, der zu wenig Münzen im Geldbeutel hat.«

«Wie Ihr wünscht. «Ein zweiter Haken auf dem Pergament.»Euer Mann, dieser Timett, hat heute abend den Sohn eines Weinhändlers getötet, in einer Spielhölle auf der Straße des Silbers. Er hat ihm vorgeworfen, der Kerl habe mit den

Spielsteinen betrogen.«

«Stimmt das?«

«Ganz ohne Zweifel.«

«Dann schulden die ehrlichen Menschen der Stadt Timett Dank. Ich werde mich darum kümmern, daß ihm auch der König seinen Dank erweist.«

Der Eunuch kicherte nervös und machte einen weiteren Haken.»Gegenwärtig werden die heiligen Männer in der Stadt zur Plage. Wegen des Kometen sind alle möglichen eigentümlichen Priester, Prediger und Propheten aus ihren Löchern gekrochen, scheint es. Sie betteln überall und verkünden jedem, der stehenbleibt, Verhängnis und Verdammnis.«

Tyrion zuckte mit den Schultern.»Seit Aegons Landung sind nahezu dreihundert Jahre vergangen, daher sind solche Ereignisse wohl tatsächlich zu erwarten. Laßt sie wettern.«

«Sie verbreiten Furcht, Mylord.«

«Ich dachte, das wäre Eure Aufgabe.«

Varys legte die Hand vor den Mund.»Ihr seid grausam, so etwas zu sagen. Eine letzte Angelegenheit. Lady Tanda hatte gestern abend zum Essen geladen. Die Speisenfolge und die Gästeliste wurde mir zugänglich gemacht. Nachdem man ein wenig Wein getrunken hatte, stand Lord Gyles auf und hob den Becher auf das Wohl des Königs, und von Ser Balon Swann hörte man die Bemerkung: Dafür brauchte man eigentlich drei Becher.< Viele haben gelacht…«

Tyrion winkte ab.»Genug. Ser Balon hat einen Scherz gemacht. An verräterischen Tischgesprächen bin ich nicht interessiert, Lord Varys.«

«Ihr seid so weise wie Ihr milde seid, Mylord. «Das Pergament verschwand im Ärmel des Eunuchen.»Wir haben beide vieles zu erledigen. Ich sollte Euch nun verlassen.«

Nachdem der Eunuch gegangen war, saß Tyrion noch lange Zeit da, starrte in die Kerze und fragte sich, wie seine Schwester die Nachricht von Janos Slynts Entlassung wohl aufnehmen mochte. Erfreut würde sie sich kaum zeigen, doch was sollte sie schon dagegen tun, außer Lord Tywin in Harrenhal einen verärgerten Brief zu schicken? Tyrion hatte die Stadtwache auf seiner Seite, dazu einhundertfünfzig streitlustige Krieger von den Stämmen aus den Mondbergen und eine wachsende Anzahl Söldner, die Bronn rekrutierte. Anscheinend war er ausreichend gut bewacht.

Zweifelsohne hatte sich Eddard Stark in der gleichen, trügerischen Sicherheit gewiegt.

Der Red Keep war dunkel und still, als Tyrion den Kleinen Saal verließ. Bronn wartete in seinen Gemächern.»Slynt?«fragte er.

«Lord Janos wird mit der Morgenflut zur Mauer in See stechen. Varys wollte mich glauben machen, ich hätte einen von Joffreys Männern durch einen von meinen ersetzt. Wahrscheinlich jedoch habe ich eher Littlefingers Mann durch einen von Varys ersetzt, aber was soll's.«

«Am besten erfahrt Ihr gleich, daß Timett einen Mann getötet hat.«»Das hat mir Varys bereits erzählt.«

Der Söldner war nicht überrascht.»Der Tölpel dachte, ein Einäugiger wäre beim Spiel leichter zu betrügen. Timett hat ihm die Hand mit dem Dolch auf den Tisch genagelt und ihm mit bloßen Händen die Kehle herausgerissen. Er kennt da einen Trick, die Finger steif zu machen — «