Die Götter hatten Davos dem Schmuggler niemals viel bedeutet, obwohl er, wie viele andere, vor der Schlacht dem Krieger seine Opfer dargebracht hatte, dem Schmied, wenn er ein Schiff vom Stapel laufen ließ, der Mutter, wenn seine Gemahlin mit einem Kinde schwanger ging. Ihm wurde übel, als er sie nun brennen sah, und das lag nicht nur am Rauch.
Maester Cressen hätte das verhindert. Der alte Mann hatte den Herrn des Lichts herausgefordert und war für seinen Frevel bestraft worden, so raunte man es sich jedenfalls überall zu. Davos kannte die Wahrheit. Er hatte mit angesehen, wie der Maester etwas in den Weinkelch hatte fallen lassen. Gift. Was sonst? Er hat einen Kelch des Todes getrunken, um Stannis von Melisandre zu befreien, aber irgendwie hat ihr Gott sie beschützt. Allein dafür hätte er die rote Frau am liebsten umgebracht, nur welchen Erfolg könnte er haben, wenn schon ein Maester aus der Citadel daran gescheitert war? Er war lediglich ein Schmuggler, der aufgestiegen war, Davos von Flea Bottom, der Zwiebelritter.
Die brennenden Götter warfen einen hübschen Lichtschein, wie sie so von Roben aus roten, orangefarbenen und gelben Flammen eingehüllt wurden. Septon Barre hatte Davos einmal erzählt, daß sie aus den Masten der Schiffe geschnitzt seien, welche die ersten Targaryens nach Valyria getragen hatten. Über die Jahrhunderte hinweg waren sie wieder und wieder bemalt worden, vergoldet, versilbert, mit Juwelen besetzt.»In ihrer Pracht werden sie R'hllor noch besser gefallen«, hatte Melisandre gesagt, als sie Stannis riet, sie niederreißen und aus der Burg schaffen zu lassen.
Die Jungfrau lag quer über dem Krieger, die Arme hatte sie weit ausgebreitet, als wolle sie ihn umarmen. Die Mutter schien beinahe zu schaudern, während ihr die Flammen ins Gesicht leckten. Durchs Herz hatte man ihr ein Langschwert gebohrt, dessen mit Leder umwickelter Griff nun lodernd brannte. Der Vater lag ganz unten, er war zuerst gefallen. Davos betrachtete die Hand des Fremden, deren Finger sich krümmten, schwarz wurden und einer nach dem anderen abfiel. Ein Stück von ihm entfernt hustete Lord Celtigar und bedeckte das runzlige Gesicht mit einem bestickten Leinentuch. Die Männer aus Myr scherzten und genossen die Wärme des Feuers, doch der junge Lord Bar Emmon war aschfahl geworden, und Lord Velaryon beobachtete mehr den König als die Flammen.
Davos hätte viel dafür gegeben, seine Gedanken zu kennen, aber jemand wie Velaryon würde sich ihm niemals offenbaren. Der Lord der Gezeiten stammte vom Geschlecht der alten
Valyrer ab, und dreimal hatten Prinzen der Targaryens Bräute aus seinem Haus genommen; Davos Seaworth stank nach Fisch und Zwiebeln. Für die anderen Lords galt das gleiche. Er konnte keinem von ihnen vertrauen, und sie würden ihn niemals zu ihren privaten Beratungen hinzuziehen. Zudem verspotteten sie seine Söhne. Meine Enkel werden mit ihnen tjostieren, und eines Tages werden sich ihre Nachkommen mit meinen vermählen. Irgendwann wird mein kleines schwarzes Schiff so weit oben am Fahnenmast wehen wie Velaryons Seepferd und Celtigars rote Krebse.
Falls Stannis tatsächlich seinen Thron eroberte. Verlor er…
Alles, was ich darstelle, verdanke ich ihm. Stannis hatte ihn zum Ritter geschlagen. Er hatte ihm den Ehrenplatz an seiner Tafel zugewiesen und dazu eine Kriegsgaleere anstelle des Schmugglerbootes gegeben. Dale und Allard befehligten ebenfalls Galeeren, Marie war Rudermeister auf der Zorn, Matthos diente seinem Vater auf der Schwarze Betha, und der König hatte Devan zu seinem Knappen gemacht. Der Tag würde kommen, an dem man auch ihn zum Ritter schlug, und die beiden kleinen Jungen desgleichen. Marya war Herrin über eine kleine Burg am Cape Wrath, die Diener nannten sie M'lady, und Davos konnte in seinen eigenen Wäldern auf die Jagd gehen. Das alles hatte er von Stannis Baratheon bekommen und sich im Tausch dafür von ein paar Fingergliedern getrennt. Was er mir angetan hat, war nur gerecht. Mein Leben lang habe ich mich über die Gesetze des Königs hinweggesetzt. Er hat meine Loyalität verdient. Davos tastete nach dem kleinen Beutel, der an einem Lederband um seinen Hals hing. Seine Finger waren sein Glück, und Glück brauchte er jetzt. Braucht ein jeder von uns. Lord Stannis am meisten.
Steil reckten sich die Flammen gen Himmel. Dunkler Rauch stieg auf, wand sich und verwirbelte. Wenn der Wind ihn herüberwehte, biß er den Männern in den Augen. Allard wandte den Kopf ab, hustete und fluchte. Ein Vorgeschmack auf das, was uns erwartet, dachte Davos. Viele und vieles würden noch brennen, bevor dieser Krieg zu Ende war.
Melisandre war in scharlachrote Seide und blutroten Samt gehüllt, ihre Augen glitzerten so flammend rot wie der Rubin an ihrem Hals.»In den alten Büchern Asshais steht geschrieben, daß nach einem langen Sommer der Tag kommen wird, an dem die Sterne bluten und der kalte Odem der Finsternis die Welt umschlingen wird. In dieser Stunde des Schreckens wird ein Krieger ein brennendes Schwert aus dem Feuer ziehen. Und dieses Schwert soll Lightbringer sein, das Rote Schwert des Helden, und wer es ergreift, ist der wiedergeborene Azor Ahai, und die Dunkelheit wird vor ihm weichen. «Sie hob die Stimme, und ihre Worte hallten weit über das versammelte Heer hinweg.»Azor Ahai, du von R'hllor Gesegneter! Krieger des Lichts, Sohn des Feuers! Tritt vor, dein Schwert erwartet dich! Tritt vor und ergreife es!«
Stannis Baratheon schritt heran wie ein Soldat, der in die Schlacht marschiert. Seine Knappen traten hinzu. Davos beobachtete seinen Sohn Devan, der dem König einen gepolsterten Handschuh überstreifte. Der Junge trug ein cremefarbenes Wams, auf dessen Brust das flammende Herz gestickt war. Bryen Farring war ähnlich gekleidet, und er legte nun Seiner Gnaden einen steifen Lederumhang um die Schultern. Hinter sich hörte Davos ein leises Klimpern und Klingeln von Glöckchen.»Unter dem Meer steigt der Rauch in Blasen auf, und das Feuer brennt grün und blau und schwarz«, sang Flickenfratz irgendwo.»Ja, ja, ja, ha, ha, ha.«
Der König biß die Zähne zusammen, hielt den ledernen Mantel vor sich und tauchte in das Feuer. Zielstrebig trat er auf die Mutter zu, packte das Schwert mit der behandschuhten Hand und riß es mit einem einzigen Ruck aus dem brennenden Holz. Sofort zog er sich zurück und hielt die Waffe in die Höhe; Flammen, grün wie Jade, züngelten um den kirschroten
Stahl. Wachen eilten herbei und löschten die glimmenden Funken an der Kleidung des Königs.»Ein Schwert aus Feuer!«rief Selyse. Ser Axell Florent und die anderen Gefolgsleute der Königin stimmten ein:»Ein Schwert aus Feuer! Es brennt! Es brennt! Ein Schwert aus Feuer!«
Melisandre hob die Hände hoch über den Kopf.»Sehet! Ein Zeichen wurde euch versprochen, ein Zeichen durftet ihr erschauen! Sehet Lightbringer! Azor Ahai ist auferstanden! Preiset den Krieger des Lichts! Preiset den Sohn des Feuers!«
Stannis' Handschuh begann zu schwelen. Fluchend stieß der König das Schwert in die feuchte Erde und schlug die Flammen an seinem Bein aus.
«Herr, lasse dein Licht über uns leuchten!«rief Melisandre.
«Denn die Nacht ist dunkel und voller Schrecken«, antworteten Selyse und ihre Getreuen. Muß ich diese Worte ebenfalls über meine Lippen bringen? fragte sich Davos. Schulde ich Stannis so viel? Ist dieser feurige Gott wirklich der seine? Seine verstümmelten Finger zuckten.