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Sein Onkel grunzte.»Du warnst einen Diener des Ertrunkenen Gottes, Junge? Du hast zu vieles vergessen. Und du bist ein großer Narr, wenn du glaubst, dein Hoher Vater würde diese heiligen Inseln jemals in die Hände eines Stark legen. Jetzt schweig. Der Ritt ist weit genug, auch ohne dein unaufhörliches Geschwätz.«

Theon hielt den Mund, doch fiel ihm das nicht leicht. So steht es also, dachte er. Als hätten ihn zehn Jahre in Winterfell zu einem Stark gemacht. Lord Eddard hatte ihn zusammen mit seinem eigenen Sohn aufgezogen, allein: Theon war nie einer von ihnen gewesen. Die ganze Burg, von Lady Stark bis zur niedrigsten Küchenmagd, hatte gewußt, daß er eine Geisel war, und ihn entsprechend behandelt. Selbst dem Bastard Jon Snow war mehr Ehre zugestanden worden.

Von Zeit zu Zeit hatte Lord Eddard versucht, den Vater für ihn zu spielen, aber für Theon war er stets der Mann geblieben, der Pyke mit Feuer und Blut überzogen und ihn aus seiner Heimat verschleppt hatte. Seine ganze Jugend über hatte er in

Angst vor Starks strenger Miene und seinem großen, dunklen Schwert gelebt. Und seine Gemahlin hatte sich ihm gegenüber noch distanzierter und mißtrauischer verhalten.

Was die Kinder betraf, so waren die jüngeren während der meisten seiner Jahre auf Winterfell quengelnde Kleinkinder gewesen. Nur Robb und sein unehelicher Halbbruder Jon Snow waren alt genug, um seiner Aufmerksamkeit wert zu sein. Der Bastard war ein mürrischer Knabe, schnell gekränkt und neidisch auf Theons hohe Abstammung und Robbs ihm gegenüber. Was Robb betraf, brachte Theon ihm durchaus eine gewisse Zuneigung entgegen, wie einem jüngeren Bruder… allerdings sollte er das besser nicht erwähnen. In Pyke, so schien es, wurde der alte Krieg noch immer ausgefochten. Das sollte ihn nicht überraschen. Die Iron Islands lebten in der Vergangenheit; die Gegenwart war zu hart und bitter, um sie zu ertragen. Außerdem waren sein Vater und sein Onkel alt, und alte Lords legten nun einmal ein solches Gebaren an den Tag; sie nahmen ihre verstaubten Fehden mit ins Grab, vergaßen nichts und verziehen noch weniger.

Mit den Mallisters, seinen Gefährten auf dem Ritt von Riverrun nach Seagard, hatte es sich ähnlich verhalten. Patrek Mallister war kein schlechter Kerl; sie teilten die Vorliebe für Mädchen, Wein und Falkenjagd. Aber als der alte Lord Jason die wachsende Zuneigung seines Erben für Theon bemerkte, hatte er Patrek zur Seite genommen und ihn daran erinnert, daß Seagard allein zum Schutz der Küste vor den Plünderern von den Iron Islands gebaut worden war, deren oberste die Greyjoys von Pyke waren. Hatte man den Dröhnenden Turm nicht nach der riesigen Bronzeglocke benannt, die seit alten Zeiten geläutet wurde, um die Stadtbewohner und Bauern in die Burg zu rufen, sobald Langschiffe am westlichen Horizont auftauchten.

«Und wenn schon«, hatte Patrek hinterher zu Theon gesagt, während er ihm über einem Becher Grünapfelwein die

Vorbehalte seines Vaters anvertraute,»diese Glocke wurde in den vergangenen dreihundert Jahren nur ein einziges Mal geläutet.«

«Als mein Bruder Seagard angriff«, erwiderte Theon. Lord Jason hatte Rodrik Greyjoy vor den Mauern der Burg getötet und die Eisenmänner aufs Meer zurückgejagt.»Falls Lord Jason glaubt, ich würde ihm das noch immer nachtragen, dann nur, weil er Rodrik nicht kannte.«

Darüber hatten sie gelacht, während sie zu einer Müllersfrau, einer Liebschaft von Patrek, unterwegs waren. Wäre Patrek nur hier bei mir. Mallister oder nicht, er war ein umgänglicherer Gefährte als dieser griesgrämige alte Priester, in den sein Onkel Aeron sich verwandelt hatte.

Der Pfad wand sich höher und höher in die kahlen, steinigen Hügel. Bald geriet das Meer außer Sicht, wenngleich der scharfe Salzgeruch weiterhin in der feuchten Luft hing. Sie ritten in gleichmäßigem Tempo dahin, an einer Schafweide und einer aufgegebenen Mine vorbei. Dieser neue, heilige Aeron Greyjoy hatte nicht viel fürs Reden übrig. Düsteres Schweigen begleitete sie. Schließlich ertrug Theon es nicht länger.»Robb Stark ist jetzt Lord von Winterfell.«

Aeron ritt weiter.»Ein Wolf ist wie der andere.«»Robb hat dem Eisernen Thron die Gefolgschaftstreue aufgekündigt und sich zum König des Nordens gekrönt. Es herrscht Krieg.«

«Die Raben der Maester fliegen über Salz und über Fels. Diese Neuigkeit ist alt und kalt.«

«Sie verkündet den Anbruch eines neuen Tages.«»Jeden Morgen bricht ein neuer Tag an, der dem alten sehr ähnelt.«

«In Riverrun würden sie dir etwas anderes erzählen. Sie behaupten, der rote Komet sei der Herold eines neuen Zeitalters. Ein Bote der Götter.«

«Ein Zeichen ist er fürwahr«, stimmte der Priester zu,»jedoch von unserem Gott, nicht ihrem. Eine Fackel ist er, wie sie unser Volk in alten Zeiten trug. Er ist die Flamme, die der Ertrunkene Gott aus dem Meer brachte, und er verkündet eine steigende Flut. Die Zeit ist gekommen, daß wir die Segel setzen und mit Feuer und Schwert in die Welt zurückkehren, wie wir es einst taten. «Theon lächelte.»Dem stimme ich zu.«

«Des Menschen Zustimmung bedeutet dem Gott soviel wie die Zustimmung eines Regentropfens dem Sturm.«

Dieser Regentropfen wird eines Tages König sein, alter Mann. Theon hatte genug von der schlechten Laune seines Onkels. Er gab seinem Pferd die Sporen und ritt grinsend voraus.

Es war bereits kurz vor Sonnenuntergang, als sie die Mauer von Pyke erreichten, die sichelförmig aufgeschichteten dunklen Steine, die sich von Klippe zu Klippe erstreckten und nur von dem Torhaus in der Mitte und jeweils drei viereckigen Türmen auf jeder Seite unterbrochen wurden. Noch immer waren die Narben zu erkennen, die Robert Baratheons Katapulte hinterlassen hatten. Ein neuer Südturm war auf den Ruinen des alten errichtet worden, sein Mauerwerk war ein wenig heller und bislang noch nicht von Flechten überzogen. Dort hatte Robert die Bresche geschlagen und war mit der Streitaxt in der Hand und Ned Stark an seiner Seite über Trümmer und Tote in die Burg gestürmt. Theon hatte aus der Sicherheit des Seeturms zugeschaut, und manchmal verfolgten ihn die Fackeln und das dumpfe Grollen der berstenden Mauern noch immer in seinen Träumen.

Das Tor stand für ihn offen, das verrostete Eisengatter war hochgezogen. Die Wachen oben auf den Zinnen betrachteten ihn wie einen Fremden, ihn, Theon Greyjoy, der endlich heimkehrte.

Die Außenmauer umfaßte ein halbes Hundert Morgen Land, begrenzt vom Meer und vom Himmel. Dort befanden sich die Stallungen, die Zwinger und ein Wirrwarr von anderen

Nebengebäuden. Schafe und Schweine drängten sich in den Pferchen, derweil die Burghunde frei herumliefen. Im Süden lagen die Klippen und die breite Steinbrücke hinüber zum Großen Bergfried. Zum Tosen der Brandung schwang sich Theon aus dem Sattel. Ein Stallbursche lief herbei und nahm ihm das Pferd ab. Zwei verhärmte Kinder und einige Hörige starrten ihn stumpfsinnig an, doch von seinem Hohen Vater oder sonst jemandem, an den er sich aus seiner Kindheit erinnerte, war keine Spur zu sehen. Eine trostlose, bittere Heimkehr, dachte er bei sich.

Der Priester war nicht abgestiegen.»Bleibt Ihr nicht über Nacht und teilt Fleisch und Met mit uns, Onkel?«

«Dich herzubringen, wurde mir aufgetragen. Hier bist du. Jetzt werde ich mich wieder unserem Gott widmen. «Aeron Greyjoy wendete das Pferd und ritt langsam unter den schlammigen Spitzen des Fallgatters hindurch.

Ein verhutzeltes altes Weib in einem unförmigem grauen Kleid näherte sich ihm mißtrauisch.»M'lord, ich soll Euch Eure Gemächer zeigen.«