Выбрать главу

«Die Richtung, in die der Komet zeigt, ist die Richtung, die wir einschlagen müssen«, beharrte Dany… allerdings war es in Wahrheit auch der einzige Weg, der ihr offenstand.

Sie wagte es nicht, sich nach Norden zu wenden, auf den riesigen Ozean aus Gras hinaus, den sie das Dothrakische Meer nannten. Das erste khalasar, dem sie begegneten, würde ihren mitgenommenen Haufen verschlingen, die Krieger niedermetzeln und den Rest versklaven. Das Land der Lämmermenschen südlich des Flusses durfte sie ebenfalls nicht betreten. Sie waren zu wenige, um sich selbst gegen dieses friedliebende Volk zu verteidigen, und die Lhazareen hatten keinen Grund, sich ihnen gegenüber freundlich zu zeigen. Des weiteren hätten sie flußabwärts zu den Häfen Meereen, Yunkai und Astapor ziehen können, allerdings hatte Rakharo sie davor gewarnt, da Ponos khalasar diese Richtung eingeschlagen hatte und Tausende von Gefangenen vor sich hertrieb, um sie auf den Märkten an der Sklavenjägerbucht zu verkaufen.

«Warum sollte ich mich vor Pono furchten?«wandte Dany

ein.»Er war Drogos ko und mir stets wohl gesonnen.«

«Ko Pono war Euch wohl gesonnen«, meinte Ser Jorah Mormont.»Khal Pono wird Euch töten. Er hat Drogo als erster verlassen. Zehntausend Krieger sind mit ihm gegangen. Ihr habt hundert.«

Nein, dachte Dany. Ich habe vier. Der Rest sind Frauen, kranke alte Männer und Knaben, deren Haar noch nie geflochten wurde.»Ich habe die Drachen«, meinte sie.

«Küken«, entgegnete Ser Jorah.»Ein einziger Hieb eines arakh würde ihr Leben beenden, obwohl Pono sie vermutlich für sich selbst behalten würde. Eure Dracheneier waren bereits wertvoller als Rubine. Einen lebendigen Drachen kann man mit allem Gold der Welt nicht bezahlen. Nur diese drei gibt es noch. Jeder Mann, der sie zu Gesicht bekommt, wird sie besitzen wollen, meine Königin.«

«Sie gehören mir«, antwortete sie heftig. Ihr Glaube und ihre Not hatten sie geboren, der Tod ihres Gemahls und ihres ungeborenen Sohnes und der maegi Mirri Maz Duur hatten ihnen das Leben geschenkt. Dany war durch die Flammen geschritten, als sie schlüpften, und sie hatte sie an ihren geschwollenen Brüsten gesäugt.»Kein Mann wird sie mir wegnehmen, nicht solange ich lebe.«

«Wenn Ihr auf Khal Pono stoßt, werdet Ihr nicht mehr lange leben. Das gleiche gilt für Khal Jhaqo und die anderen. Ihr müßt dorthin gehen, wo sie nicht sind.«

Dany hatte ihn zum Ersten ihrer Königinnengarde ernannt… und da sein ehrlicher Rat und das Omen übereinstimmten, war ihr Ziel beschlossene Sache. Sie rief ihr Volk zusammen und bestieg ihre silberne Stute. Ihr Haar war in den Flammen von Drogos Totenfeuer verbrannt, und ihre Mägde hatten sie in das Fell des hrakkar, des weißen Löwen vom Dothrakischen Meer, gehüllt. Dessen furchterregender Kopf bildete eine Kapuze für ihren Schädel, sein Pelz wallte über ihre Schultern und ihren

Rücken. Der cremefarbene Drache krallte sich mit scharfen Klauen in die Löwenmähne und schlang den Schwanz um ihren Arm, während Ser Jorah seinen Platz an ihrer Seite einnahm.

«Wir folgen dem Kometen«, erklärte Dany ihrem khalasar. Kein Laut des Widerspruchs erhob sich. Sie waren Drogos Volk gewesen, jetzt waren sie das ihre. Die Unverbrannte nannten sie ihre Herrscherin, die Mutter der Drachen. Ihr Wort war Gesetz.

Sie ritten des Nachts und suchten bei Tag in ihren Zelten Schutz vor der Sonne. Bald schon erkannte Dany, wie recht Doreah gehabt hatte. Dieses Land war unbarmherzig. Hinter sich ließen sie eine Spur von toten und sterbenden Pferden zurück, da Pono, Jhaqo und die anderen die besten Tiere aus Drogos Herden genommen und Dany die alten und abgemagerten, die kranken und lahmen, die zerschundenen und ungehorsamen hinterlassen hatten. Genauso verhielt es sich mit den Menschen. Sie sind nicht stark, sagte sie sich, daher muß ich ihnen Kraft geben. Ich darf keine Angst, keine Schwäche, keinen Zweifel zeigen. Wie groß meine Furcht auch ist, wenn sie in mein Gesicht blicken, dürfen sie nur Drogos Königin sehen. Vierzehn Jahre war sie alt, dennoch fühlte sie sich viel älter. Falls sie jemals wirklich ein Mädchen gewesen war, hatte diese Zeit ein Ende gefunden.

Nach dreitägigem Marsch starb der erste Mann. Der zahnlose Alte mit trüben blauen Augen fiel aus dem Sattel und konnte nicht mehr aufstehen. Eine Stunde später war es mit ihm vorbei. Blutfliegen umschwärmten seine Leiche und trugen sein Unglück zu den Lebenden.»Seine Tage waren gezählt«, verkündete ihre Magd Irri.»Niemand sollte länger leben als seine Zähne. «Die anderen stimmten zu. Dany befahl Ihnen, das schwächste der halbtoten Pferde zu schlachten, damit der tote Mann beritten in die Länder der Nacht einziehen konnte.

Zwei Nächte später traf es ein kleines Mädchen. Die trauernde Mutter klagte den ganzen Tag über, aber an den Tatsachen ließ sich nichts ändern. Das arme Ding war zu klein gewesen, um reiten zu können. Dem Kind standen die endlosen schwarzen Grasebenen in den Ländern der Nacht nicht offen; es mußte wiedergeboren werden.

In der roten Ödnis fanden sie kaum Futter für die Tiere und noch weniger Wasser. Die trostlose Landschaft bestand aus niedrigen Hügeln und kargen, windigen Ebenen. Die Flüsse, die sich hindurchzogen, waren ausgetrocknet. Die Pferde lebten von zähem braunem Teufelsgras, welches büschelweise um Felsen und abgestorbene Bäume herum wuchs. Dany schickte Kundschafter aus, die jedoch weder Brunnen noch Quellen entdeckten, nur seichte Tümpel mit schalem, stehendem Wasser, das in der heißen Sonne verdunstete. Je tiefer sie in die Wüste eindrangen, desto kleiner wurden die Tümpel, während die Abstände zwischen ihnen zunahmen. Falls es in dieser weglosen Wildnis aus Stein und Sand und rotem Lehm Götter gab, so waren sie hart und trocken und jedem Gebet um Regen gegenüber taub.

Zuerst ging der Wein aus, bald darauf die geronnene Stutenmilch, welche die Dothraki lieber tranken als Met. Dann neigten sich die Vorräte an Fladenbrot und getrocknetem Fleisch dem Ende zu. Die Jäger fanden kein Wild, und so füllte ihnen ausschließlich das Fleisch der toten Pferde die Bäuche. Ein Todesfall folgte dem anderen. Schwache Kinder, verhutzelte alte Frauen, die Kranken, die Dummen, die Achtlosen, dieses grausame Land forderte sie ohne Gnade für sich. Doreah magerte ab, ihre Augen lagen tief in den Höhlen, und ihr Haar wurde stumpf und spröde.

Dany hungerte und dürstete mit ihnen. Ihre Brüste trockneten aus und gaben keine Milch mehr, die Warzen rissen auf und bluteten, und Tag für Tag magerte sie mehr ab, bis sie dürr und hart wie ein Stock war. Trotzdem galt ihre Sorge allein ihren Drachen. Ihr Vater war vor ihrer Geburt getötet worden, und ihr prächtiger Bruder Rhaegar ebenfalls. Ihre Mutter hatte sie zur Welt gebracht, während draußen ein Sturm toste. Der gute Ser Willem Darry, der sie auf seine Art geliebt haben mußte, war in ihrer Kindheit an einer Krankheit gestorben. Ihren Bruder Viserys und Khal Drogo, ihre Sonne, ihre Sterne, selbst ihren ungeborenen Sohn hatten die Götter zu sich gerufen. Doch meine Drachen bekommen sie nicht, schwor Dany. Niemals.

Die Drachen waren nicht größer als die Katzen, die einst über die Mauern von Magister Illyrios Anwesen in Pentos geschlichen waren… solange sie die Flügel nicht entfalteten. Ihre Spannweite war dreimal so groß wie ihre Länge, und jede Schwinge war ein Fächer aus zarter, durchscheinender Haut von prächtiger Farbe. So kleine Dinger, dachte sie, während sie ihnen aus der Hand Futter reichte. Aber die Drachen fraßen nicht. Sie zischten nur und spuckten die blutigen Häppchen Pferdefleisch aus… bis Dany sich eines Tages an etwas erinnerte, das Viserys ihr gesagt hatte.