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So ritten sie von dannen, und die Glöckchen in ihren Haaren klingelten leise, derweil Dany sich mit den Überlebenden der Reise häuslich einrichtete. Sie nannten den Ort Vaes Tolorro, Stadt der Knochen. Auf den Tag folgte die Nacht, auf die Nacht ein neuer Tag. Frauen ernteten Obst in den Gärten der Toten. Männer kümmerten sich um die Pferde und reparierten Sättel und Zaumzeug. Die Kinder streiften durch die verwinkelten Gassen und stöberten alte Bronzemünzen, Scherben von purpurfarbenem Glas und Steinflakons mit Griffen in Form von Schlangen auf. Eine Frau wurde von einem roten Skorpion gestochen und starb; dies blieb jedoch der einzige Todesfall. Die Pferde setzten wieder Fleisch an. Dany versorgte persönlich Ser Jorahs Wunde, die endlich zu heilen begann.

Rakharo kehrte als erster zurück. Im Süden breite sich die rote Wüste weiter und weiter aus, berichtete er, bis sie an der trostlosen Küste des giftigen Wassers endete. Zwischen hier und dort gab es nur Sand, vom Wind zerklüftete Felsen und Pflanzen mit scharfen Dornen. Er hatte die Knochen eines Drachen gesehen, der, das schwor er, so riesig war, daß er durch die schwarzen Kiefern reiten konnte. Abgesehen davon hatte er nichts gefunden.

Dany überließ ihm die Aufsicht über zwei Dutzend ihrer stärksten Männer, und befahl ihnen, das Pflaster des Platzes aufzubrechen und die Erde darunter freizulegen. Wenn das Teufelsgras zwischen den Steinen wachsen konnte, würden auch andere Grassorten gedeihen. Da sie genug Brunnen hatten, herrschte kein Mangel an Wasser. Wenn sie Saatgut finden könnten, würde der Platz erblühen.

Aggo kam als nächster. Der Südwesten sei eine versengte Ödnis, erzählte er. Die Ruinen zweier weiterer Städte hatte er entdeckt, die beide kleiner waren als Vaes Tolorro, dieser jedoch ansonsten glichen. Eine wurde von einem Ring aus Schädeln bewacht, die auf verrosteten Eisenspeere gespießt waren, deshalb hatte er es nicht gewagt, sie zu betreten. Er zeigte Dany ein eisernes Armband mit einem ungeschliffenen Feueropal, das er in der anderen Stadt gefunden hatte. Außerdem hatte er dort Schriftrollen entdeckt, allerdings war das Pergament knochentrocken und zerfiel, und aus diesem Grund hatte Aggo sie zurückgelassen.

Dany dankte ihm und trug ihm auf, sich um die Wiederherstellung der Tore zu kümmern. Wenn in alten Zeiten Menschen hierhergekommen waren und die Stadt zerstört hatten, könnten abermals welche auftauchen.»Falls dies geschieht, müssen wir vorbereitet sein«, erklärte sie.

Jhogo blieb so lange aus, daß sie schon fürchtete, er sei verloren, dann jedoch, als schon fast niemand mehr nach ihm Ausschau hielt, ritt er aus dem Südosten heran. Eine der Wachen, die Aggo postiert hatte, erblickte ihn zuerst und ließ einen Ruf ertönen. Sofort lief Dany zur Mauer. Tatsächlich, da kam Jhogo, allerdings nicht allein. Hinter ihm ritten drei eigentümlich gewandete Fremde auf häßlichen buckligen Tieren, die jedes Pferd an Größe übertrafen.

Sie machten vor dem Stadttor halt und blicken hinauf zu Dany auf der Mauer.»Blut von meinem Blut«, rief Jhogo,»ich war in der Großen Stadt Qarth und kehre mit diesen dreien zurück, die dich mit ihren eigenen Augen sehen wollen.«

Dany starrte die Fremdlinge an.»Hier stehe ich. Seht mich an, wenn Ihr daran Gefallen findet… doch nennt mir zunächst Eure Namen.«

Der Bleiche mit den blauen Lippen sprach in kehligem Dothraki:»Ich bin Pyat Pree, der große Hexenmeister.«

Der Glatzköpfige mit den Edelsteinen in der Nase antwortete im Valyrisch der Freien Städte:»Ich bin Xaro Xhoan Daxos von den Dreizehn, ein Kaufmann aus Qarth.«

Die Frau mit der lackierten Holzmaske sagte in der Gemeinen Zunge der Sieben Königslande:»Ich bin Quaithe

vom Schatten. Wir suchen die Drachen.«

«Eure Suche hat ein Ende«, erwiderte Daenerys Targaryen.»Ihr habt sie gefunden.«

Jon

Whitetree hieß das Dorf laut Sams alter Karte. Jon mochte es kaum als Dorf bezeichnen. Vier heruntergekommene Häuser mit jeweils nur einem Raum aus Bruchstein, der ohne Mörtel vermauert war, standen um einen leeren Schafstall und einen Brunnen. Die Häuser waren mit Grassoden gedeckt, die Fenster mit zerlumpten Häuten verhängt. Und über allem ragte ein riesiger Wehrholzbaum mit bleichen Ästen und dunkelroten Blättern in die Höhe.

Es war der größte Baum, den Jon Snow je gesehen hatte, der Stamm maß gut drei Meter im Durchmesser, und die Äste breiteten ihren Schatten über das ganze Dorf aus. Die Größe machte ihm dabei nicht einmal so viel aus, nein, eher das Gesicht… vor allem der Mund, der nicht nur ein hineingeschnitzter Schlitz war, sondern eine tiefe Höhlung, in die leicht ein Schaf gepaßt hätte.

Das da sind trotzdem keine Schafknochen. Und da in der Asche, das ist auch kein Schafsschädel.

«Ein alter Baum. «Mormont runzelte die Stirn.»Alt«, stimmte der Rabe von seiner Schulter aus zu.»Alt, alt, alt.«»Und mächtig. «Jon konnte die Kraft spüren. Thoren Smallwood stieg neben dem Stamm ab.»Seht Euch das Gesicht an. Kein Wunder, daß sich die Menschen davor fürchteten, als sie Westeros zum ersten Mal betraten. Am liebsten würde ich eine Axt nehmen und das verdammte Ding eigenhändig umlegen.«»Mein Hoher Vater glaubte«, sagte Jon,»niemand könne im Angesicht eines Herzbaumes eine Lüge aussprechen. Die alten Götter wissen es, wenn ein Mensch die Unwahrheit spricht.«

«Mein Vater hing dem gleichen Glauben an«, antwortete der Alte Bär.»Zeig mir doch mal diesen Schädel.«

Jon stieg ab. Über den Rücken geschlungen trug er in einer schwarzen Lederscheide Longclaw, das Bastardschwert, das ihm der Alte Bär zum Dank für seine Rettung geschenkt hatte. Ein Bastardschwert für einen Bastard, scherzten die Männer. Der Griff war neu für ihn angefertigt und mit einem Knauf aus hellem Stein in Gestalt eines Wolfskopfes versehen worden, doch die Klinge war guter valyrischer Stahl, alt und leicht und todbringend scharf.

Er kniete sich hin und griff mit der behandschuhten Hand in den Schlund. Das Innere der Aushöhlung war rot vom getrockneten Saft des Baumes und vom Feuer geschwärzt. Unter dem ersten Schädel entdeckte er einen zweiten, kleineren mit abgebrochenem Unterkiefer. Dieser war halb von Asche und Knochenstücken begraben.

Nachdem er den Schädel Mormont gereicht hatte, hob der Alte Bär ihn mit beiden Händen und starrte in die leeren Augenhöhlen.»Die Wildlinge verbrennen ihre Toten. Das haben wir schon immer gewußt. Jetzt wünschte ich nur, ich hätte sie nach dem Grund dafür gefragt, als sich noch welche hier in der Nähe herumtrieben.«

Jon Snow erinnerte sich an den Toten, der auferstanden war, an die blauglühenden Augen in seinem bleichen, toten Gesicht. Er kannte den Grund, ganz gewiß.

«Ich wünschte, diese Knochen könnten sprechen«, murmelte der Alte Bär.»Dieser Kerl könnte uns wohl viel erzählen. Wie er gestorben ist. Wer ihn verbrannt hat und warum. Wohin die Wildlinge verschwunden sind. «Er seufzte.»Die Kinder des Waldes konnten mit den Toten sprechen, heißt es. Ich nicht. «Er warf den Schädel zurück in den Mund des Baumes, wo er eine Wolke aus Aschestaub aufwirbelte.»Durchsucht die Häuser. Riese, klettere auf diesen Baum und schau dich um. Ich werde auch die Hunde holen lassen. Vielleicht ist die Spur diesmal frischer. «Sein Tonfall verriet, daß er diesbezüglich nicht allzuviel Hoffnung hegte.

Damit nichts übersehen wurde, betraten je zwei Mann jedes Haus. Jon wurde dem verdrießlichen Eddison Tollett zugeteilt, einem Knappen mit grauem Haar, der dünn wie eine Lanze war und den die anderen Brüder den Schwermütigen Edd nannten.»Schlimm genug, wenn die Toten wiederauferstehen«, meinte er zu Jon, als sie durch das Dorf schritten,»aber jetzt will der Alte Bär auch noch mit ihnen reden? Das verheißt nichts Gutes, das sage ich dir. Und wer weiß, ob die Knochen nicht lügen würden? Warum sollte der Tod einen Mann ehrlicher oder gar klüger machen? Die Toten sind wahrscheinlich dumme Kerle, die sich unaufhörlich beklagen — die Erde ist zu kalt, mein Grabstein sollte größer sein, warum hat er mehr Würmer als ich…«