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Jon mußte sich bücken, um durch die niedrige Tür einzutreten. Der Boden des Hauses bestand aus gestampftem Lehm. Möbel gab es keine, und nur Aschereste unter dem Rauchabzug im Dach wiesen darauf hin, daß hier einst Menschen gelebt hatten.»Was für ein trostloser Ort zum Wohnen.«

«Ich wurde in einem ganz ähnlichen Haus geboren«, erzählte der Schwermütige Edd.»Das waren meine guten Jahre. Später wurde alles viel schlimmer. «Ein Haufen trockenen Strohs füllte eine Ecke des Raumes. Edd blickte ihn sehnsüchtig an.»Ich würde alles Gold von Casterly Rock geben, um mal wieder in einem Bett zu schlafen.«

«Das nennst du ein Bett?«

«Wenn es weicher ist als der Erdboden und ein Dach darüber ist, dann nenne ich es ein Bett. «Der Schwermütige Edd schnüffelte.»Ich rieche Mist.«

Der Geruch war schwach.»Alter Mist«, ergänzte Jon. Offenbar stand das Haus schon eine ganze Weile leer. Er kniete sich hin und durchwühlte das Stroh, um herauszufinden, ob darunter etwas verborgen war, dann suchte er die Wände ab. Er

brauchte nicht lange.»Nichts.«

Etwas anderes hatte er auch nicht erwartet; Whitetree war das vierte Dorf, durch das sie kamen, und in den anderen hatten sie das gleiche vorgefunden. Die Bewohner waren verschwunden, zusammen mit ihren armseligen Habseligkeiten und ihrem Vieh. In keinem der Dörfer ließen sich Spuren eines Angriffs entdecken. Die Siedlungen waren schlicht — leer.»Was glaubst du, ist passiert?«fragte Jon.

«Etwas Schlimmeres, als wir es uns vorstellen können«, antwortete der Schwermütige Edd.»Nun, ich könnte es mir ausmalen, aber ich lasse es lieber. Es ist schon übel genug, wenn es böse mit einem endet, man muß ja nicht vorher schon darüber nachdenken.«

Sie traten ins Freie, wo zwei der Hunde vor der Tür schnüffelten. Überall im Dorf streiften die Vierbeiner herum. Chett verfluchte sie lauthals, und in seiner Stimme schwang die Wut mit, die ihn offensichtlich nie verließ. Das Licht, das durch die roten Blätter herabfiel, ließ die Pusteln in seinem Gesicht noch entzündeter wirken als sonst. Bei Jons Anblick kniff er die Augen zusammen; die beiden waren einander nicht wohlgesonnen.

Die anderen Häuser erbrachten ebenfalls keinen Hinweis.»Weg!«schrie Mormonts Rabe, flatterte in den Wehrholzbaum hinauf und ließ sich über ihnen auf einem Ast nieder.»Weg, weg, weg.«

«Vor einem Jahr haben noch Wildlinge in Whitetree gelebt. «Thoren Smallwood sah eher wie ein Lord aus als Mormont selbst, er trug Ser Jaremy Rykkers glänzend schwarze Rüstung mit dem geprägten Brustpanzer. Sein schwerer Umhang war reich mit Zobel besetzt und wurde von einer Silberbrosche in Form der gekreuzten Hämmer der Rykkers gehalten. Der Mantel hatte einst Ser Jaremy gehört… aber der Widergänger hatte Ser Jaremy getötet, und bei der Nachtwache wurde nichts

verschwendet.

«Vor einem Jahr war Robert König, und im Reich herrschte Frieden«, hielt Jarmen Buckwell ihm entgegen, ein gedrungener, schwerfälliger Mann, der den Befehl über die Kundschafter innehatte.»In einem Jahr ändert sich vieles.«

«Eins ist jedenfalls beim Alten geblieben«, warf Ser Mallador Locke ein.»Weniger Wildlinge bedeuten weniger Ärger. Ich trauere ihnen nicht nach, was auch immer aus ihnen geworden ist. Banditen und Mörder alle miteinander.«

Jon hörte es über sich rascheln. Zwei Äste teilten sich, und er entdeckte einen kleinen Mann, der behende wie ein Eichhörnchen von Ast zu Ast kletterte. Bedwyck war kaum anderthalb Meter groß. Die grauen Schläfen seines Haares verrieten sein Alter. Die anderen Grenzer nannten ihn Riese. Er saß in einer Astgabel über ihren Köpfen und rief:»Im Norden gibt es Wasser! Vielleicht ein See. Ein paar Granitberge erheben sich im Westen, aber nicht sehr hoch. Ansonsten nichts, Mylords.«

«Wir könnten heute nacht hier lagern«, schlug Smallwood vor.

Der Alte Bär schaute nach oben und suchte nach einem Stückchen Himmel zwischen den bleichen Ästen und dem roten Laub des Wehrholzbaumes.»Nein«, entschied er.»Riese, wieviel Tageslicht bleibt uns?«

«Drei Stunden, Mylord.«

«Wir ziehen weiter nach Norden«, verkündete Mormont.»Falls wir diesen See erreichen, können wir an seinem Ufer lagern und vielleicht ein paar Fische fangen. Jon, ich brauche Papier, es ist Zeit, daß ich Maester Aemon schreibe.«

Jon holte Pergament, Federkiel und Tinte aus seiner Satteltasche und brachte sie dem Lord Commander. In Whitetree, kritzelte Mormont. Das vierte Dorf. Verlassen. Die Wildlinge sind verschwunden.»Geh zu Tarly und sorge dafür, daß das abgeschickt wird«, sagte er, während er Jon die Nachricht reichte. Auf seinen Pfiff hin flatterte der Rabe herunter und landete auf dem Kopf des Pferdes.»Korn!«verlangte der Vogel. Das Pferd wieherte.

Jon stieg auf und trabte davon. Außerhalb des Schattens, den der riesige Wehrholzbaum warf, standen die Männer der Nachtwache unter niedrigeren Bäumen, versorgten die Pferde, kauten gesalzenes Trockenfleisch, pißten, kratzten sich und unterhielten sich. Auf den Befehl hin den Marsch fortzusetzen, erstarben die Gespräche, und ein jeder stieg wieder in den Sattel. Jarmen Buckwells Kundschafter bildeten die Vorhut, die eigentliche Führung der Kolonne übernahmen die Vorreiter unter Thoren Smallwood. Darauf folgten der Alte Bär mit dem Haupttrupp, Ser Mallador Locke mit den Packtieren, und schließlich Ser Ottyn Wythers und seine Nachhut. Zweihundert Mann insgesamt und dreihundert Pferde.

Tagsüber folgten sie Wildwechseln und Bachbetten, den» Straßen der Grenzer«, die sie tiefer und tiefer in die Wildnis führten. Nachts lagerten sie unter sternklarem Himmel und betrachteten den Kometen. Die Schwarzen Brüder waren guter Dinge von Castle Black aufgebrochen, hatten gescherzt und sich Geschichten erzählt; inzwischen jedoch lastete die brütende Stille des Waldes schwer auf ihnen. Scherze wurden seltener, und die Stimmung war angespannt. Niemand würde seine Angst eingestehen — schließlich waren sie Männer der Nachtwache — , aber Jon spürte das Unbehagen überall. Vier verlassene Dörfer, keine Wildlinge in Sicht, und sogar das Wild schien geflohen zu sein. Der Verwunschene Wald war ihnen nie verwunschener erschienen, selbst die ältesten Grenzer waren sich darin einig.

Während des Ritts zog sich Jon den Handschuh aus, um Luft an seine verbrannte Hand zu lassen. Häßlich sieht sie aus. Plötzlich erinnerte er sich daran, wie er Arya immer das Haar zerzaust hatte. Seine dürre kleine Schwester. Er fragte sich, wie es ihr wohl ging. Es erfüllte ihn mit Traurigkeit, daß er ihr vielleicht nie wieder das Haar zerzausen würde. Mehrmals ballte er die Hand zur Faust und öffnete sie wieder, um die Finger zu dehnen. Wenn er zuließ, daß seine Schwerthand steif wurde, könnte dies sein Ende bedeuten, das wußte er. Jenseits der Mauer brauchte ein Mann seine Klinge.

Jon fand Samwell Tarly bei dem anderen Burschen, wo er seine Pferde tränkte. Er mußte insgesamt drei versorgen, sein eigenes und zwei Packtiere. Letztere trugen jeweils einen großen Käfig aus Draht- und Weidengeflecht voller Raben. Die Vögel schlugen mit den Flügeln, als Jon sich näherte, und kreischten ihn durch die Stäbe an. Einige ihrer Schreie klangen verdächtig nach Wörtern.»Hast du ihnen das Sprechen beigebracht?«fragte er Sam.