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Plötzlich ragte ein Rad über ihr auf. Der Wagen machte einen Satz, als Beißer sich abermals in die Ketten warf. Jaqen bemerkte sie, bloß konnte man kaum atmen, geschweige denn sprechen. Sie warf die Axt in den Wagen. Rorge fing sie auf und hob sie hoch über den Kopf. Rußige Schweißbäche rannen über sein nasenloses Gesicht. Arya rannte los, hustete. Der Stahl krachte durch das alte Holz, wieder und wieder. Einen Augenblick später gab es ein donnerndes Krachen, der Boden des Wagens brach los, und ein Hageln von Spänen flog durch die Luft.

Arya tauchte kopfüber in den Tunnel ein und fiel fast zwei Meter tief. Die Erde, die sie plötzlich im Mund hatte, störte sie nicht, es schmeckte gut, es schmeckte nach Schlamm und Wasser und Würmern und Leben. Unter der Erde war es kühl und dunkel. Über ihr waren nichts als Blut und tosendes Feuer, erstickender Qualm und das Schreien sterbender Pferde. Sie drehte ihren Gürtel nach hinten, damit Needle ihr nicht im Weg war und begann zu kriechen. Nach vier Metern hörte sie ein Geräusch, das wie das Brüllen eines gewaltigen Untiers klang, und eine schwarze Rauchwolke wallte hinter ihr in den Gang. So mußte es in der Hölle stinken. Arya hielt die Luft an, küßte den Schlamm am Boden des Tunnels und weinte. Um wen, wußte sie nicht zu sagen.

Tyrion

Die Königin war nicht gewillt, auf Varys zu warten.»Hochverrat ist verwerflich genug«, verkündete sie wütend,»doch dies hier ist der Gipfel der Schurkerei, und ich brauche diesen trippelnden Eunuchen nicht, um zu wissen, wie man mit Schurken zu verfahren hat.«

Tyrion nahm seiner Schwester die Briefe ab und verglich sie miteinander. Es handelte sich um zwei Abschriften mit exakt gleichem Wortlaut, doch waren sie von verschiedener Hand geschrieben.

«Maester Frenken hat das erste Schreiben auf Burg Stokeworth erhalten«, erläuterte Grand Maester Pycelle.»Die zweite Abschrift erreichte uns durch Lord Glyes.«

Littlefinger strich sich durch den Bart.»Wenn Stannis sich mit denen abgibt, hat jeder andere Lord des Königreiches diesen Brief mit Sicherheit ebenfalls erhalten.«

«Ich wünsche, daß diese Schreiben verbrannt werden, jedes einzelne«, verlangte Cersei.»Meinem Sohn oder meinem Vater darf kein Wort davon zu Ohren gelangen.«

«Ich könnte mir vorstellen, daß unser Vater bereits mehr als ein Wort davon vernommen hat«, sagte Tyrion trocken.»Ohne Zweifel hat Stannis einen Vogel nach Casterly Rock geschickt, und einen weiteren nach Harrenhal, wozu soll es gut sein, die Briefe zu verbrennen? Das Lied ist gesungen, der Wein ist vergossen, die Maid ist schwanger. Und so furchtbar ist es schließlich auch wieder nicht.«

Cersei wandte sich ihm zu. Aus ihren grünen Augen wallte ihm Zorn entgegen.»Seid Ihr vollkommen von Sinnen? Habt Ihr nicht gelesen, was darin steht? Der Junge Joffrey, so nennt er ihn. Und er wagt es, mich des Inzests, des Ehebruchs und des Hochverrats zu bezichtigen!«

Nur, weil du dieser Verbrechen schuldig bist. Erstaunlich, mit welcher Inbrunst sich Cersei über Vorwürfe empören konnte, von denen sie sehr wohl wußte, daß sie zutrafen. Falls wir den Krieg verlieren, sollte sie sich als Mime verdingen, dafür besitzt sie eine Gabe. Er wartete, bis sie fertig war und antwortete:»Stannis braucht einen Vorwand, um seine Rebellion zu rechtfertigen. Was habt Ihr denn erwartet? Daß er schreibt, Joffrey ist meines Bruders rechtmäßiger Sohn und Erbe, aber ich habe trotzdem vor, ihn des Throns zu berauben?«

«Ich werde es nicht hinnehmen, mich eine Hure nennen zu lassen.«

Was denn, Schwesterchen, er behauptet doch gar nicht, Jaime habe dich dafür bezahlt. Mit großer Geste betrachtete Tyrion die Schreiben von neuem. Am Ende stand ein eigentümlicher Satz…»Erlassen im Lichte des Herrn«, las er vor.»Eine merkwürdige Wortwahl.«

Pycelle räusperte sich.»Diese Worte stehen oft in Briefen und Dokumenten aus den Freien Städten. Sie meinen meist nicht viel mehr als, sagen wir, verfaßt vor Gott. Vor dem Gott der roten Priester. Sie benutzen diese Formulierung, glaube ich.«

«Varys hat uns vor einigen Jahren erzählt, daß Lady Selyse sich mit einer roten Priesterin eingelassen hätte«, erinnerte Littlefinger sie.

Tyrion tippte auf das Papier.»Und nun scheint ihr Hoher Gemahl ihrem Beispiel gefolgt zu sein. Das könnten wir gegen ihn verwenden. Drängt den Hohen Septon zu verkünden, Stannis habe sich gleichermaßen gegen die Götter und gegen seinen rechtmäßigen König erhoben… «

«Ja, ja«, erwiderte die Königin ungeduldig.»Aber zuerst müssen wir verhindern, daß diese Anwürfe weitere Kreise ziehen. Der Rat muß einen Erlaß herausgeben. Jeder Mann, der es wagt, von Inzucht zu sprechen oder Joffrey einen Bastard zu nennen, soll dafür seine Zunge einbüßen.«

«Eine besonnene Maßnahme«, meinte Grand Maester Pycelle und nickte, wobei seine Amtskette klingelte.

«Eine Torheit«, seufzte Tyrion.»Wenn Ihr einem Mann die Zunge herausreißt, straft Ihr seine Worte nicht Lügen, sondern laßt nur die Welt wissen, daß Ihr sie fürchtet.«

«Was sollten wir also Eurer Meinung nach unternehmen?«verlangte seine Schwester zu wissen.

«Wenig. Mögen sie wispern, bald genug werden sie der Geschichte müde werden. Ein jeder mit einem Fingerhütchen voll Verstand wird darin sowieso nur einen plumpen Versuch sehen, den Raub der Krone zu rechtfertigen. Hat Stannis irgendwelche Beweise vorgelegt? Wie könnte er, da es sich niemals so zugetragen hat?«Tyrion schenkte seiner Schwester sein freundlichstes Lächeln.

«Das stimmt«, mußte sie eingestehen.»Dennoch…«»Euer Gnaden, Euer Bruder hat recht. «Petyr Baelish legte die Finger aneinander.»Versuchen wir, dieses Gerede zum Verstummen zu bringen, verleihen wir ihm nur Glaubwürdigkeit. Strafen wir diese jämmerliche Lüge besser mit Verachtung. Und in der Zwischenzeit vergelten wir gleiches mit gleichem.«

Cersei warf ihm einen abschätzenden Blick zu.»Wie das?«»Vielleicht mit einer ähnlichen Geschichte. Aber einer glaubwürdigeren. Lord Stannis hat einen großen Teil seines Lebens von seiner Gemahlin getrennt verbracht. Das ist gewißlich nicht seine Schuld, ich würde es ebenso halten, wäre Lady Selyse meine Angetraute. Nichtsdestotrotz, könnten wir verkünden, ihre Tochter sei nichtehelich geboren und Stannis ein Hahnrei, nun… das gemeine Volk nimmt die schlimmsten Geschichten über die Lords stets mit Freuden für bare Münze, vor allem die über solch strenge, mißmutige und empfindlich stolze Lords wie Stannis Baratheon.«»Besonders beliebt war er nie, das stimmt. «Cersei dachte einen Augenblick darüber nach.»Zahlen wir es ihm also mit gleicher Münze heim. Ja, die Idee gefällt mir. Wen könnten wir bezichtigen, der Liebhaber von Lady Selyse zu sein? Sie hat, glaube ich, zwei Brüder. Und einer ihrer Onkel war die ganze Zeit über auf Dragonstone…«

«Ser Axell Florent ist ihr Kastellan. «So ungern Tyrion es auch zugab, Littlefingers Plan klang vielversprechend. Stannis hatte seine Gemahlin niemals geliebt, aber er gebärdete sich stachelig wie ein Igel, wenn seine Ehre in Zweifel gezogen wurde, und zudem war er von Natur aus mißtrauisch. Falls sie Zwietracht zwischen ihm und seinen Gefolgsleuten säen konnten, würde dies ihrer Sache dienlich sein.»Das Kind hat die Ohren einer Florents, wurde mir gesagt.«