«Sie ist jung.«
«Sechzehn, Mylord.«
Ein gutes Alter für Joffrey, dachte er und erinnerte sich an das, was Bronn gesagt hatte. Seine Erste war sogar noch jünger gewesen. Tyrion dachte daran, wie schüchtern sie sich gebärdet hatte, als er ihr zum ersten Mal das Kleid über den Kopf streifte, dachte an ihre langen dunklen Haare und die blauen Augen, in denen man hätte ertrinken mögen — was er dann auch getan hatte. Vor so langer Zeit… Was für ein elender Narr du doch bist, Zwerg.»Stammt sie aus Eurer Heimat?«
«In ihren Adern fließt das Blut des Sommers, Mylord, aber meine Tochter wurde hier in King's Landing geboren. «Seine Überraschung ließ sich offenbar von seinem Gesicht ablesen, denn Chataya fügte hinzu:»Mein Volk betrachtet es nicht als Schande, in einem Kissenhaus zu leben. Auf den Summer Isles werden jene, welche Freude zu bereiten wissen, hoch geschätzt. Viele hochgeborene junge Damen dienen nach ihrem Erblühen einige Jahre lang, um die Götter zu ehren.«
«Was haben die Götter damit zu tun?«
«Die Götter haben unsere Körper und unsere Seelen erschaffen, nicht wahr? Sie schenken uns Stimmen, damit wir sie mit unserem Gesang preisen können. Sie geben uns Hände, auf daß wir Tempel für sie bauen. Und sie statten uns mit dem Verlangen aus, damit wir der Liebe frönen und ihnen auf diese Weise unsere Achtung ausdrücken.«
«Das muß ich dem Hohen Septen erzählen«, meinte Tyrion.»Wenn ich mit meinem Schwanz beten könnte, würde ich vielleicht noch religiös. «Er winkte mit der Hand.»Ich werde Euren Vorschlag gern annehmen.«
«Ich werde meine Tochter rufen. Kommt. «Das Mädchen erwartete ihn am Fuß der Treppe. Sie war größer als Shae, wenngleich nicht so groß wie ihre Mutter, und mußte sich hinknien, um Tyrion zu küssen.»Ich heiße Alayaya«, sagte sie, wobei der Akzent ihrer Mutter kaum zu hören war.»Kommt, Mylord. «Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn die Treppe hinauf in einen langen Flur. Durch eine der geschlossenen Türen hörte man wollüstiges Keuchen, durch eine andere Kichern und Flüstern. Tyrions Gemächt preßte gegen die Schnüre seiner Hose. Dies könnte zu einer Demütigung werden, dachte er, derweil er Alayaya eine weitere Treppe hinauf zum Erkerzimmer folgte. Hier gab es nur eine einzige Tür. Sie führte ihn hindurch und schloß sie hinter sich. In dem Zimmer standen ein großes Himmelbett und ein Kleiderschrank mit erotischen Schnitzereien. Das Glas des schmalen Fensters war mit einem rotgelben Rautenmuster verziert.
«Schön bist du, Alayaya, wunderschön«, sagte Tyrion ihr, nachdem sie allein waren.»Von Kopf bis Fuß bist du begehrenswert. Im Augenblick interessiert mich jedoch vor
allem dein Mund.«
«Mylord werden feststellen, wie gut mein Mund geschult ist. Schon als Mädchen lernte ich, wann ich ihn gebrauchen soll und wann nicht.«
«Das gefällt mir. «Tyrion lächelte.»Was machen wir also jetzt? Vielleicht hättest du einen Vorschlag?«
«Ja«, antwortete sie.»Wenn Mylord den Schrank öffnen, wird er finden, wonach er sucht.«
Tyrion küßte ihr die Hand und stieg in den leeren Kleiderschrank. Alayaya schloß die Tür hinter ihm. Er packte die erste Sprosse einer Leiter. Dann setzte er den Fuß auf die nächsttiefere und begann den Abstieg. Weit unter der Erde öffnete sich der Schacht zu einem Tunnel, wo Varys mit einer Kerze wartete.
Der Eunuch sah vollkommen verändert aus. Unter seinem spitzen Stahlhelm zeigte sich ein vernarbtes, stoppelbärtiges Gesicht, und er trug ein Kettenhemd über gegerbtem Leder, dazu ein kurzes Schwert an der Seite.»Seid Ihr mit Chatayas Diensten zufrieden, Mylord?«
«Beinahe zu sehr«, gestand Tyrion ein.»Seid Ihr sicher, daß man sich auf diese Frau verlassen kann?«
«In dieser launischen und verräterischen Welt kann man sich nicht sicher sein, Mylord. Chataya hat keinen Grund, die Königin zu mögen, und sie weiß, wem sie es zu verdanken hat, daß sie Allar Deem los ist. Sollen wir aufbrechen?«Er ging in den Tunnel hinein.
Selbst sein Gang ist anders, fiel Tyrion auf. Statt dem Duft von Lavendel verströmte Varys nun den Geruch von Wein und Knoblauch.»Mir gefällt Eure neue Garderobe«, bemerkte er.
«Meine Arbeit gestattet es mir nicht, inmitten einer Kolonne Ritter durch die Straßen zu reiten. Daher verändere ich mein Äußeres, sobald ich die Burg verlasse.«
«Leder steht Euch. Ihr solltet so zur nächsten Ratsversammlung kommen.«
«Eure Schwester würde es nicht gefallen, Mylord.«
«Meiner Schwester würde sich die Unterwäsche beflecken. «Er lächelte in der Dunkelheit.»Ich habe keine Spione bemerkt, die mich überwachen.«
«Das freut mich zu hören, Mylord. Manche der Spitzel Eurer Schwester stehen ohne ihr Wissen auch in meinen Diensten. Der Gedanke, sie seien so nachlässig geworden, sich öffentlich sehen zu lassen, wäre mir verhaßt.«
«Nun, mir wäre es verhaßt, für nichts und wieder nichts durch Schränke in tiefe Tunnel zu steigen und dazu noch unter meinem unbefriedigten Verlangen zu leiden.«
«Kaum für nichts und wieder nichts«, erklärte Varys.»Sie wissen, daß Ihr hier seid. Ob sie verwegen genug sind, als Gäste bei Chataya einzukehren, kann ich nicht sagen, doch treffe ich lieber ausreichende Vorsichtsmaßnahmen.«
«Aus welchem Grund besitzt ein Bordell einen Geheimgang?«»Der Tunnel wurde für eine andere Hand des Königs gegraben, deren Ehre es nicht erlaubte, ein solches Haus in aller Öffentlichkeit zu betreten. Chataya hat das Geheimnis gut bewahrt.«»Und trotzdem wußtet Ihr davon.«
«Auch durch dunkle Gänge fliegen kleine Vögel und singen. Vorsicht, hier kommt eine steile Treppe.«
Durch eine Falltür gelangten sie in einen Stall und befanden sich nun drei Häuserblocks von Rhaenys Hügel entfernt. Ein Pferd wieherte, als Tyrion die Tür zuschlug. Varys blies die Kerze aus und stellte sie auf einen Balken, während sich Tyrion umblickte. In den Abteilen standen ein Maultier und drei Pferde. Er watschelte zu einem gescheckten Wallach und begutachtete das Gebiß.»Alt«, stellte er fest.»Und ich habe arge Zweifel, was seine Ausdauer betrifft.«
«Sicherlich ist das kein Pferd, mit dem man in die Schlacht zieht«, erwiderte Varys,»aber es wird genügen und außerdem keine Aufmerksamkeit auf Euch lenken. So wie die anderen. Und die Stalljungen sehen und hören nur die Tiere. «Der Eunuch nahm einen Umhang von einem Nagel. Der Stoff war grob, ausgeblichen und fadenscheinig.»Wenn Ihr erlaubt?«Er hängte ihn Tyrion um die Schultern. Der Mantel hüllte den kleinen Mann von Kopf bis Fuß ein, und die Kapuze verbarg sein Gesicht.»Die Menschen sehen nur das, was sie sehen wollen«, sagte Varys, derweil er hier und dort zupfte.»Zwerge sind seltener als Kinder, deshalb werden sie lediglich ein Pferd bemerken. Ein Junge in einem alten Mantel auf einem Pferd, der einen Botengang für seinen Vater erledigt. Besser wäre es, wenn Ihr in Zukunft bei Nacht kämt.«