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Keiner hatte je daran gedacht, diese Berufungen in Frage zu stellen, und warum auch? Littlefinger bedrohte niemanden. Einen klugen, lächelnden, freundlichen Kerl wie ihn, der mit jedem Freundschaft schloß und stets das Gold heranschaffte, das der König oder die Hand brauchten, und der trotzdem von so niederer Geburt war, brauchte man nicht zu fürchten. Er hatte keine Fahnen, zu denen er rufen konnte, keine Armeen und keine Gefolgsleute, keine große Festung und keine nennenswerten Ländereien, keine Aussichten, eine gute Partie zu machen.

Aber würde ich mich an ihn heranwagen? fragte sich Tyrion. Selbst, wenn er ein Verräter ist? Er war sich durchaus nicht sicher, jedenfalls im Augenblick nicht, während der Krieg tobte. Wenn er genug Zeit hätte, könnte er Littlefingers Männer an den wichtigsten Stellen durch seine eigenen ersetzen, doch…

Vom Hof hallte ein Ruf herauf.»Ach, Seine Gnaden hat einen Hasen erlegt«, merkte Baelish an.

«Zweifelsohne einen langsamen«, erwiderte Tyrion.»Mylord, Ihr wurdet auf Riverrun aufgezogen. Wie ich hörte, standet Ihr den Tullys nahe.«

«So kann man es ausdrücken. Besonders den Mädchen.«

«Wie nahe?«

«Ich habe sie ihrer Jungfräulichkeit beraubt. Ist das nah genug?«Die Lüge — es war eine Lüge, dessen war sich Tyrion sicher — ging seinem Gegenüber mit solchem Gleichmut über die Lippen, daß er sie beinahe geglaubt hätte. Könnte Catelyn Stark diejenige gewesen sein, die gelogen hatte? Über ihre Entjungferung, und auch über den Dolch? Je länger er lebte, desto mehr begriff Tyrion eines: Nichts war jemals einfach und nur sehr wenig wahr.»Lord Hosters Töchter mögen mich nicht besonders«, gestand er.»Ich bezweifele, ob sie einen Vorschlag anhören würden, den ich unterbreite. Kommt er allerdings von Euch, würden die gleichen Worte in ihren Ohren möglicherweise süßer klingen.«

«Das hinge von den Worten ab. Falls Ihr Sansa im Tausch gegen Euren Bruder anbieten wollt, verschwendet Ihr nur die Zeit aller Beteiligten. Joffrey würde sein Spielzeug niemals herausrücken, und Lady Catelyn ist keine Närrin, den Königsmörder für ein kleines Mädchen laufen zu lassen.«

«Ich will auch Arya tauschen. Ich lasse nach ihr suchen.«

«Suchen heißt nicht, daß Ihr sie auch findet.«

«Das werde ich mir merken, Mylord. Jedenfalls hoffte ich sowieso eher, Ihr könntet Lady Lysa erweichen. Für sie habe ich ein verlockendes Angebot.«

«Lysa ist sicherlich leichter zu überreden als Catelyn, ja… aber sie ist auch ängstlicher, und nach dem, was ich gehört habe, haßt sie Euch.«

«Sie glaubt, allen Grund dafür zu haben. Als ich ihr Gast auf der Eyrie war, hat sie behauptet, ich hätte ihren Gemahl ermordet, und sie wollte meinen Widerspruch nicht zur Kenntnis nehmen. «Er beugte sich vor.»Falls ich ihr Jon Arryns wahren Mörder übergebe, würde sie vielleicht freundlicher über mich denken.«

Littlefinger setzte sich auf.»Den wahren Mörder? Ich gestehe, Ihr weckt meine Neugier. Wen habt Ihr im Verdacht?«

Nun war es an Tyrion zu lächeln.»Meinen Freunden mache ich Geschenke aus freien Stücken. Das müßte man Lysa Arryn natürlich erklären.«

«Wollt Ihr ihre Freundschaft oder ihre Schwerter?«

«Beides.«

Littlefinger strich sich über den sauber getrimmten spitzen Bart.»Lysa hat selbst genug Sorgen. Die Clans aus den Mondbergen überfallen ihr Land in größerer Zahl als je zuvor… und sind besser bewaffnet.«

«Ärgerlich«, sagte Tyrion Lannister, der ihnen die Waffen verschafft hatte.»Ich könnte ihr dabei helfen. Ein Wort von mir… «

«Und was würde sie dieses Wort kosten?«

«Ich möchte, daß Lady Lysa und ihr Sohn Joffrey als König anerkennen, ihm die Treue schwören und — «

«- gegen die Starks und Tully in den Krieg ziehen?«Littlefinger schüttelte den Kopf.»Da haben wir das Haar in der Suppe, Lannister. Lysa würde ihre Ritter niemals gegen Riverrun entsenden.«

«Und darum würde ich auch niemals bitten. Uns mangelt es nicht an Feinden. Ich könnte ihre Streitmacht gebrauchen, um sie gegen Lord Renly einzusetzen, oder gegen Lord Stannis, sollte der sich von Dragonstone in Marsch setzen. Im Gegenzug werde ich ihr die Bestrafung von Jon Arryns Mörder und Frieden im Grünen Tal versprechen. Ich werde sogar ihr entsetzliches Kind zum Wächter des Ostens ernennen, wie es sein Vater vor ihm war. «Ich will ihn fliegen sehen, flüsterte die Stimme eines Jungen leise in seinen Erinnerungen.»Und um den Handel zu besiegeln, werde ich ihr meine Nichte überlassen.«

Endlich hatte er das Vergnügen, in Petyr Baelishs graugrünen Augen echte Überraschung zu entdecken.»Myrcella?«

«Wenn sie das rechte Alter erreicht hat, kann sie den kleinen Lord Robert heiraten. Bis dahin wird sie Lady Lysas Mündel auf der Eyrie sein.«

«Und was hält Ihre Gnaden, die Königin, von diesem Plan?«Als Tyrion nur mit den Schultern zuckte, brach Littlefinger in schallendes Gelächter aus.»Das dachte ich mir. Ihr seid ein gefährlicher kleiner Mann, Lannister. Ja, ich könnte Lysa dieses Lied wohl vorsingen. «Das verschlagene Lächeln und der Schalk in seinen Augen kehrten zurück.»Falls mir daran gelegen wäre.«

Tyrion nickte und wartete; er wußte, daß Littlefinger langes Schweigen nicht ertragen konnte.

«Also«, fuhr Lord Petyr nach einer Pause gänzlich ungeniert fort,»was findet sich in Eurem Topf für mich?«

«Harrenhal.«

Es war interessant, sein Gesicht zu betrachten. Lord Petyrs Vater war der kleinste aller kleinen Lords gewesen, sein Großvater ein landloser Ritter; von Geburt her besaß er lediglich ein paar steinige Morgen Land an der windumtosten Küste der Finger. Harrenhal war eines der reichsten Güter der Sieben Königslande; es besaß große, fruchtbare Ländereien, seine riesige Burg war prächtiger als alle anderen im Reiche… ja, sie stellte sogar Riverrun in den Schatten, wo Petyr Baelish vom Hause Tully aufgezogen worden war, um schließlich hinausgeworfen zu werden, weil er Lord Hosters Tochter unmißverständliche Blicke zuwarf.

Littlefinger nahm sich die Zeit, seinen Umhang zu glätten, doch Tyrion hatte die Gier in diesen hinterlistigen Katzenaugen bemerkt. Ich habe ihn an der Angel.»Harrenhal ist verflucht«, sagte Lord Petyr dann und versuchte gelangweilt zu klingen.

«Dann schleift es bis auf die Grundmauer und baut es neu auf, wie es Euch gefällt. Es wird Euch nicht an Geld mangeln. Ich beabsichtige, Euch zum obersten Lehnsherrn am Trident zu machen. Diese Flußlords haben gezeigt, daß man ihnen nicht über den Weg trauen kann. Sollen sie Euch die Treue schwören.«

«Sogar die Tullys?«

«Falls es noch Tullys gibt, wenn dieser Krieg zu Ende ist.«

Littlefinger sah aus wie ein Junge, der gerade von einer Honigwabe gekostet hatte. Er hielt ängstlich Ausschau nach den Bienen, aber der Honig war einfach zu süß.»Harrenhal, mit allen Ländereien und Einkünften«, grübelte er.»Mit einem Streich würdet Ihr mich zu einem der größten Lords des Reiches machen. Ich will nicht undankbar sein, Mylord, aber — warum?«

«Ihr habt meiner Schwester bei den Auseinandersetzungen um die Thronfolge gut gedient.«

«Das hat Janos Slynt auch getan. Dem dieselbe Burg erst kürzlich zuteil wurde — nur, damit man sie ihm gleich wieder abnahm, nachdem er nicht mehr von Nutzen war.«

Tyrion lachte.»Da habt Ihr mich an meinem wunden Punkt getroffen, Mylord. Was soll ich darauf erwidern? Ich brauche Euch, um meine Nachricht an Lady Lysa zu überbringen. Janos Slynt habe ich nicht gebraucht. «Er zuckte mit den Schultern.»Lieber lasse ich Euch in Harrenhal sitzen als Renly auf dem Eisernen Thron. Was wäre einfacher?«