«Eine höchst, hmmm, liebenswerte Geste, Mylord. Vielleicht könnten statt dessen einige der unsrigen im Red Keep empfangen werden. Eine kleine Demonstration unserer Künste mag Seine Gnaden für einen Abend von seinen Sorgen ablenken. Seefeuer ist lediglich eines der gefährlichsten Geheimnisse unseres Ordens. Es gibt viele wundersame Dinge, die wir Euch gern vorführen würden.«
«Ich werde es meiner Schwester vorschlagen. «Gegen ein paar magische Tricks hatte Tyrion nichts einzuwenden, aber
Joffs Vorliebe dafür, Männer bis zum Tod gegeneinander kämpfen zu lassen, war bereits schlimm genug; er trug sich nicht mit der Absicht, dem Jungen auch noch zu zeigen, wie er sie bei lebendigem Leibe verbrennen konnte.
Als sie endlich oben angekommen waren, zog Tyrion das Schattenfell aus und legte es über dem Arm zusammen. Die Gildenhalle der Alchimisten war ein beeindruckendes Labyrinth aus schwarzem Stein, doch Hallyne führte ihn durch die Windungen und Biegungen der Gänge, bis sie die Galerie der Eisenfackeln erreichten, einen langen Saal, wo grünes Feuer schwarze, sechs Meter hohe Metallsäulen enthüllte. Geisterhaft schimmerten die Flammen auf dem polierten schwarzen Marmor der Wände und des Bodens und tauchten die Halle in einen smaragdgrünen Schein. Tyrion wäre noch beeindruckter gewesen, hätte er nicht gewußt, daß man diese großen Eisenfackeln erst heute morgen zu Ehren seines Besuches entzündet hatte und daß man sie löschen würde, sobald sich die Tür hinter ihm schloß. Seefeuer war zu teuer, um es zu vergeuden.
Sie traten auf die breite geschwungene Treppe hinaus, die auf die Straße der Schwestern führte, und befanden sich nahe dem Fuße von Visenyas Hügel. Tyrion verabschiedete sich von Hallyne und watschelte zu seiner Eskorte hinunter, die aus Timett, Sohn des Timett, und einigen Burned Men bestand. Dem heutigen Anlaß entsprechend hatte er sie als eine besonders angemessene Leibwache betrachtet. Außerdem jagten ihre Narben allen Stadtbewohnern große Angst ein. Das war in diesen Zeiten nicht zu verachten. Erst vor drei Nächten hatte sich wieder eine Menschenmenge vor den Toren des Red Keep versammelt und lauthals Lebensmittel gefordert. Joff hatte einen Pfeilhagel auf sie abfeuern lassen, in dem vier Menschen starben, und dann hinuntergebrüllt, sie hätten seine Erlaubnis, diese Toten zu essen. Er gibt sich solche Mühe, uns Freunde zu gewinnen.
Tyrion war überrascht, als er auch Bronn neben der Sänfte erblickte.»Eisenhand wünscht Euch am Göttertor zu sehen. Warum, hat er mir nicht gesagt. Und zu Maegors Bergfried wurdet Ihr ebenfalls gerufen.«
«Gerufen?«Er kannte nur einen Menschen, der dieses Wort benutzen würde.»Und was will Cersei von mir?«
Bronn zuckte die Achseln.»Die Königin befiehlt Euch, sofort in die Burg zurückzukehren und sie in ihren Gemächern aufzusuchen. Dieses Jüngelchen, Euer Vetter, hat eine Nachricht überbracht. Vier Haare hat er auf der Lippe, und schon hält er sich für einen Mann.«
«Vier Haare und einen Ritterschlag. Er heißt jetzt Ser Lancel, vergiß das nicht. «Tyrion wußte, daß Ser Jacelyn ihn nicht zu sich bitten würde, solange es sich nicht um eine Angelegenheit von äußerster Dringlichkeit handelte.»Ich werde wohl besser erst einmal schauen, was Bywater will. Sag meiner Schwester, ich würde sie sofort nach meiner Rückkehr aufsuchen.«»Das wird ihr nicht gefallen«, warnte Bronn.»Gut. Je länger Cersei wartet, desto wütender wird sie, und in ihrer Wut wird sie dumm. Wut und Dummheit sind mir lieber als Beherrschtheit und Verstand. «Tyrion warf den zusammengefalteten Mantel in die Sänfte, und Timett half ihm beim Einsteigen.
Der Marktplatz am Tor der Götter, auf dem sich in normalen Zeiten Bauern drängten, um ihr Gemüse zu verkaufen, war nahezu verlassen. Ser Jacelyn empfing ihn am Tor und hob die eiserne Hand zum Gruß.»Mylord. Euer Vetter Cleos Frey ist hier. Er ist unter dem Banner des Waffenstillstands aus Riverrun gekommen und überbringt einen Brief von Robb Stark.«
«Bedingungen für Friedensverhandlungen?«
«Das behauptet er jedenfalls.«
«Mein liebreizender Vetter. Bringt mich zu ihm.«
Die Goldröcke hatten Ser Cleos in einem fensterlosen Wachraum des Torhauses untergebracht. Bei Tyrions Eintritt erhob er sich.»Tyrion, Ihr seid ein höchst willkommener Anblick.«
«Solche Worte höre ich nicht allzu oft, Vetter.«
«Ist Cersei nicht bei Euch?«
«Meine Schwester ist anderweitig beschäftigt. Ist das der Brief von Stark?«Er nahm ihn vom Tisch.»Ser Jacelyn, würdet Ihr uns bitte allein lassen?«
Bywater verneigte sich und ging hinaus.»Mir wurde aufgetragen, das Angebot der Königlichen Regentin persönlich zu überbringen«, sagte Ser Cleos, nachdem die Tür geschlossen war.
«Ich werde das übernehmen. «Tyrion betrachtete die Karte, die Robb Stark dem Schreiben beigefügt hatte.»Alles zu seiner Zeit. Setzt Euch. Ruht Euch aus. Ihr macht einen erschöpften und ausgezehrten Eindruck. «In Wirklichkeit sah er sogar viel übler aus.
«Ja. «Ser Cleos ließ sich auf eine Bank nieder.»In den Flußlanden steht es schlimm, Tyrion. Um God's Eye herum, und besonders entlang der Kingsroad. Die Flußlords verbrennen ihre eigene Ernte und versuchen, uns auszuhungern, und die Vorreiter Eures Vaters zünden jedes Dorf an, das sie erobern, und erschlagen das gemeine Volk.«
So war es eben im Krieg. Das gemeine Volk wurde niedergemetzelt, während man die Hochgeborenen als Geiseln nahm. Erinnert mich daran, den Göttern zu danken, daß ich als Lannister geboren wurde. Ser Cleos fuhr sich mit der Hand durch das dünne braune Haar.»Selbst unter dem Banner des Waffenstillstands wurden wir zweimal angegriffen. Wölfe in Kettenhemden, so hungrig, daß sie über jeden herfallen, der schwächer ist. Die Götter allein mögen wissen, auf welcher Seite sie einst gestanden haben, jetzt kämpfen sie nur noch für sich selbst. Wir haben drei Mann verloren, doppelt so viele sind verwundet.«
«Welche Neuigkeiten gibt es vom Feind?«Tyrion wandte seine Aufmerksamkeit wieder Starks Bedingungen zu. Allzuviel will der Junge ja gar nicht. Nur das halbe Reich, die Freilassung unserer Gefangenen und Geiseln, das Schwert seines Vaters… ach ja, und seine Schwestern.
«Der Junge sitzt untätig in Riverrun herum«, berichtete Ser Cleos.»Ich glaube, er fürchtet sich, Eurem Vater im Felde gegenüberzutreten. Sein Heer schwindet von Tag zu Tag. Die Flußlords verlassen ihn, um jeder sein eigenes Land zu verteidigen.«
Hat Vater dies beabsichtigt? Tyrion rollte Starks Karte zusammen.»Mit diesen Bedingungen wird er nichts erreichen.«
«Werdet Ihr zumindest zustimmen, die Mädchen der Starks gegen Tion und Willem auszutauschen?«erkundigte sich Ser Cleos flehentlich.
Tion Frey war Ser Cleos' jüngerer Bruder, erinnerte sich Tyrion.»Nein«, antwortete er milde,»doch werden wir einen Gegenvorschlag zum Austausch der Gefangenen unterbreiten. Zunächst muß ich die Angelegenheit jedoch mit Cersei und dem Rat besprechen. Wir schicken Euch mit unseren Bedingungen nach Riverrun zurück.«
Offensichtlich munterte diese Aussicht sein Gegenüber nicht auf.»Mylord, ich glaube kaum, daß Robb Stark sich so einfach ergeben wird. Lady Catelyn ist diejenige, die Frieden will, nicht der Junge.«
«Lady Catelyn will ihre Töchter. «Tyrion schob sich von der Bank und hielt Brief und Karte in den Händen.»Ser Jacelyn wird Euch mit Essen und einem warmen Platz zum Schlafen versorgen. Ihr seht aus, als brauchtet Ihr dringend Ruhe, Vetter. Ich werde Euch benachrichtigen, sobald wir mehr wissen.«
Tyrion fand Ser Jacelyn draußen auf dem Wehrgang, wo er mehrere hundert Rekruten beobachtete, die auf dem Feld unten gedrillt wurden. Da so viele Menschen in King's Landing Zuflucht suchten, gab es ausreichend willige Männer, die für einen vollen Bauch und eine Strohmatratze in der Kaserne der Stadtwache beitraten, allerdings gab sich Tyrion keinerlei Illusionen hin, was den Kampfesmut dieses zerlumpten Haufens betraf, sollte es zur Schlacht kommen.