In ihrer Mitte, seine junge Königin an der Seite, saß lachend ein Gespenst mit goldener Krone.
Wen wundert es, daß sich die Lords mit solcher Leidenschaft um ihn versammeln; er ist der wiedergeborene Robert. Renly war ebenso stattlich, wie es einst Robert gewesen war; langgliedrig und breitschultrig, mit dem gleichen kohlrabenschwarzen, feinen und glatten Haar, denselben tiefblauen Augen, demselben unbeschwerten Lächeln. Der schmale Reif auf seiner Stirn schien ihm gut zu passen. Er war aus weichem Gold geschmiedet, ein fein gearbeiteter Kranz aus Rosen; vorn erhob sich ein Hirschkopf aus grüner Jade, dessen Augen und Geweih aus Gold gefertigt waren.
Auch das grüne Samtgewand des Königs zierte der gekrönte Hirsch; mit Goldfaden gestickt bildete er das Wappen der Baratheons in den Farben von Highgarden. Das Mädchen, welches den Ehrenplatz mit ihm teilte, stammte ebenfalls aus Highgarden: die junge Königin Margaery, die Tochter von
Lord Mace Tyrell. Ihre Heirat war der Mörtel, der das große Bündnis des Südens zusammenhielt. Renly war einundzwanzig, das Mädchen etwa in Robbs Alter, sehr hübsch anzuschauen mit seinen Rehaugen und der lockigen braunen Mähne. Schüchtern lächelte sie lieblich.
Draußen auf dem Feld wurde ein weiterer Recke von dem Ritter im Regenbogenmantel aus dem Sattel gestoßen, und der König fiel in den Beifall der anderen ein.»Loras!«hörte sie ihn rufen.»Loras! Highgarden!«Die Königin klatschte entzückt in die Hände.
Catelyn wandte sich den letzten Kämpfen zu. Vier Mann waren noch übrig, und es gab keinen Zweifel, wem die Gunst des Königs und des gemeinen Volkes galt.
Zwei der restlichen Kontrahenten machten gemeinsame Sache. Sie sprengten auf den Ritter in der kobaltblauen Rüstung zu. Als sie ihn erreicht hatten, zügelte dieser sein Pferd hart, schlug einem der beiden seinen zersplitterten Schild ins Gesicht, während sich sein Streitroß aufbäumte und mit eisenbeschlagenen Hufen nach dem anderen trat. Im Nu lag der eine Rivale am Boden, derweil der andere wankte. Der blaue Ritter ließ den zertrümmerten Schild fallen, damit er den linken Arm frei hatte, und dann griff ihn der Ritter der Blumen an. Das Gewicht des Stahls schien Ser Loras' Grazie und Behendigkeit nicht zu mindern, und sein Regenbogenmantel blähte sich.
Das weiße und das schwarze Pferd drehten sich im Kreis wie Liebende beim Erntetanz, allerdings schenkten die Reiter sich gegenseitig Hiebe statt Küsse. Die lange Axt blitzte auf, der Morgenstern wirbelte. Beide Waffen waren stumpf, dennoch prallten sie mit schrecklichem Krachen aufeinander. Ohne Schild traf es den blauen Ritter härter. Ser Loras ließ Hiebe auf Kopf und Schultern seines Gegners hageln, und die Menge brüllte:»Highgarden!«Der andere wehrte sich mit dem Morgenstern, aber wann immer die Kugel ihr Ziel suchte, blockte Ser Loras sie mit seinem verbeulten grünen Schild ab, auf welchem drei goldene Rosen graviert waren. Dann verhakte sich die Landaxt mit dem Morgenstern, und dem blauen Ritter wurde die Waffe aus der Hand gerissen. Der Ritter der Blumen holte zum letzten Schlag aus.
Der blaue Recke preschte mitten hinein. Die Hengste prallten aufeinander, der stumpfe Axtkopf krachte auf den geborstenen blauen Brustpanzer… aber irgendwie gelang es dem blauen Ritter, das Heft zu packen. Er zerrte Ser Loras die Waffe aus der Hand, die beiden rangen im Sattel, bis beide fielen. Als die Pferde sich voneinander lösten, krachten die Kontrahenten auf den Boden. Loras Tyrell kam unten zu liegen. Der blaue Ritter zog einen langen Dolch und schob Tyrells Visier hoch. Im Geschrei der Menge hörte Catelyn nicht, was Ser Loras sagte, doch konnte sie es von seinen blutigen Lippen ablesen. Ich ergebe mich.
Der Blaue erhob sich taumelnd, wandte sich Renly zu und reckte den Dolch zum Gruß des Siegers an seinen König in die Höhe. Knappen liefen herbei und halfen dem bezwungenen Ritter auf. Nachdem sie diesem den Helm abgenommen hatten, sah Catelyn verblüfft, daß es sich um einen jungen Mann handelte, der kaum zwei Jahre älter als Robb war. Der Junge mochte ebenso gut aussehen wie seine Schwester, doch angesichts der aufgeplatzten Lippe, des leeren Blicks und des Blutes im verfilzten Haar war das schwer zu erkennen.
«Tretet näher!«rief König Renly dem Sieger zu.
Dieser humpelte zur Tribüne. Von nahem betrachtet, wirkte die blaue Rüstung keineswegs mehr so prachtvoll; Brustpanzer und Helm waren mit Beulen und Rissen übersät, die Schwerter und Kriegshämmer und Keulen hinterlassen hatten. Sein Mantel war zerfetzt. Ein paar Zuschauer bejubelten ihn mit» Tarth!«und eigentümlicherweise auch» Die Schöne! Die Schöne!«, doch die meisten schwiegen. Der blaue Ritter kniete vor dem König nieder.»Euer Gnaden«, sagte er, wobei seine
Stimme durch den zerschundenen Helm gedämpft wurde.
«Ihr seid wirklich so gut, wie Euer Vater behauptet hat. «Renly war auf dem ganzen Feld zu verstehen.»Ich habe es bisher nur ein- oder zweimal erlebt, daß jemand Ser Loras aus dem Sattel geworfen hat… jedoch niemals auf diese Weise.«
«Das war ein hinterhältiger Trick«, beschwerte sich ein betrunkener Bogenschütze, der die Rose der Tyrells auf dem Wams trug,»man zieht nicht einfach jemandem vom Pferd.«
Das Gedränge begann sich langsam aufzulösen.»Ser Colen«, sagte Catelyn zu ihrem Begleiter,»wer ist dieser Mann, und weshalb ist er so unbeliebt?«
Ser Colen runzelte die Stirn.»Weil er kein Mann ist, Mylady. Das ist Brienne von Tarth, die Tochter von Lord Selwyn dem Abendstern.«
«Tochter?«fragte Catelyn entsetzt.
«>Brienne die Schöne< wird sie genannt… obwohl ihr das niemand ins Gesicht sagt, denn sonst müßte er ihr dafür im Zweikampf Rede und Antwort stehen.«
König Renly erklärte Lady Brienne von Tarth zur Siegerin des Buhurt in Bitterbridge, da sie als letzte von einhundertsechzehn Rittern noch im Sattel gesessen hatte.»Als Sieger dürft Ihr mir gegenüber einen Wunsch äußern. Falls es in meiner Macht steht, werde ich ihn erfüllen.«
«Euer Gnaden«, antwortete Brienne,»ich bitte um die Ehre, in Eure Regenbogengarde aufgenommen zu werden. Ich möchte einer der Sieben sein und Euch bis in den Tod dienen, Euch folgen, an Eurer Seite reiten und Euch vor allen Gefahren und Bedrohungen schützen.«
«Euer Wunsch ist erfüllt«, sagte er.»Erhebt Euch und nehmt den Helm ab.«
Sie tat wie befohlen. Und nachdem sie den Helm abgesetzt hatte, begriff Catelyn, was Ser Colen gemeint hatte.
Die Schöne wurde sie genannt… welch grausamer Hohn. Ihr Haar war ein Rattennest aus schmutzigem Stroh, und ihr Gesicht… Briennes Augen waren groß und sehr blau, voller Vertrauen und frei von Argwohn, doch der Rest… ihre Züge waren flach und grobschlächtig, die Lippen so fleischig, daß sie aufgequollen wirkten. Tausende von Sommersprossen bedeckten Wangen und Stirn, und die Nase war ihr mehr als einmal gebrochen worden. Mitleid erfüllte Catelyns Herz. Gibt es ein unglücklicheres Wesen als eine häßliche Frau?
Und dennoch, als Renly ihr nun den zerrissenen Umhang abnahm und ihn durch einen regenbogenfarbenen ersetzte, machte Brienne von Tarth keineswegs einen unglücklichen Eindruck. Sie lächelte über das ganze Gesicht, und in ihrer Stimme schwang Stolz mit, als sie verkündete:»Mein Leben werde ich für Euch geben, Euer Gnaden. Von heute an bin ich Euer Schild, das schwöre ich bei den alten Göttern und den neuen. «Es war schmerzlich anzusehen, wie sie den König anblickte — nein, eigentlich, auf ihn hinunterblickte, war sie doch mindestens eine Handbreit größer als Renly, der immerhin so hochgewachsen war wie sein Bruder.