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Von dem schweren Essen wurde Catelyn fast übel, doch würde sie niemals Schwäche zeigen, wenn so viel von ihrer Stärke abhing. Sie aß in Maßen und beobachtete diesen Mann, der König sein wollte. Renly saß zwischen seiner jungen

Königin und ihrem Bruder. Abgesehen von einem weißen Leinenverband um die Stirn schien Ser Loras am heutigen Tag keine großen Schäden davongetragen zu haben. Er sah tatsächlich so gut aus, wie Catelyn vermutet hatte. Seine Augen funkelten lebhaft und klug, sein Haar hing in braunen Locken herab, um die ihn viele junge Frauen beneidet hätten. Er hatte seinen zerrissenen Mantel nach dem Turnier durch einen neuen ersetzt, aus der gleichen glänzenden, gestreiften Seide von Renlys Regenbogengarde, und ihn mit der goldenen Rose von Highgarden am Hals verschlossen.

Von Zeit zu Zeit steckte König Renly Margaery mit der Dolchspitze einen besonders erlesenen Bissen in den Mund, oder er beugte sich zu ihr hinüber und hauchte ihr einen Kuß auf die Wange, dabei unterhielt er sich jedoch fast ausschließlich mit Ser Loras. Der König genoß Speis und Trank, das war kein Geheimnis, dennoch erwies er sich weder als Vielfraß noch als Trunkenbold. Oft lachte er laut auf, und er sprach gleichermaßen liebenswürdig zu hochgeborenen Lords und gemeinen Dienstmädchen.

Einige Gäste hingegen mäßigten sich weniger. Sie tranken zuviel und prahlten zu laut, jedenfalls für Catelyns Geschmack. Lord Willums Söhne Josua und Elyas stritten heftig darüber, wer von ihnen zuerst auf den Mauern von King's Landing stehen würde. Lord Varner zog eine Magd auf seinen Schoß und küßte sie auf den Hals, während seine Hand erforschte, was unter ihrem Mieder verborgen lag. Guyard der Grüne, der sich selbst einen Sänger nannte, schlug die Harfe an und gab einen Vers darüber zum Besten, wie man einen Knoten in den Schwanz des Löwen machte; ein paar seiner Zeilen reimten sich sogar. Ser Mark Mullendore hatte einen schwarzweißen Affen mitgebracht und fütterte ihn von seinem Teller, Ser Tanton von den Rotapfel-Fossoways stieg auf einen Tisch und schwor, er würde Sandor Clegane im Zweikampf besiegen. Das Gelöbnis hätte vermutlich feierlicher gewirkt, wenn Ser Tanton dabei nicht mit einem Fuß in einer Soßenschüssel gestanden hätte.

Der Höhepunkt an Torheit war erreicht, als ein dicker Narr mit einem Löwenkopf aus Stoff einen Zwerg um die Tische jagte und ihn wieder und wieder mit einer aufgeblasenen Schweinsblase auf den Kopf schlug. Schließlich wollte der König wissen, weshalb er seinen Bruder prügele.»Aber Euer Gnaden, ich bin doch der Kind-und-Kegel-Mörder«, antwortete der Narr.

«Er heißt der Königsmörder, Narr aller Narren«, sagte Renly, und die Gäste brachen in lautes Gelächter aus.

Lord Rowan nahm an der ganzen Fröhlichkeit nicht teil.»Sie sind alle so jung«, sagte er zu Catelyn.

Das war allerdings wahr. Der Ritter der Blume hatte vermutlich noch nicht einmal seinen zweiten Namenstag erreicht, als Robert Prinz Rhaegar am Trident besiegte. Die wenigsten waren viel älter. Während der Plünderung von King's Landing waren sie Kleinkinder gewesen, und höchstens Knaben, als sich Balon Greyjoy auf den Iron Islands zur Rebellion erhob. Sie sind noch unschuldig, dachte Catelyn, derweil sie Lord Bryce beobachtete, der Ser Robar dazu anstachelte, mit zwei Dolchen zu jonglieren. Für sie ist das ein Spiel, ein großes Turnier, und sie sehen darin lediglich die Chance, sich Ruhm und Ehre und Reichtümer zu erwerben. Betrunkene Knaben sind sie, und wie alle Knaben glauben sie von sich, sie seien unsterblich.

«Der Krieg wird sie erwachsen machen«, erwiderte Catelyn,»so wie uns. «Als Robert und Ned und Jon Arryn gegen Aerys Targaryen gezogen waren, war sie ein junges Mädchen gewesen, als die Kämpfe hingegen vorüber waren, eine Frau.»Sie tun mir leid.«

«Weshalb?«fragte Lord Rowan.»Schaut sie Euch an. Sie sind jung und voller Kraft, voller Leben, und sie lachen. Und die Fleischeslust hat sie gepackt, doch wissen sie nicht, wie sie diese ausleben sollen. Heute nacht wird manch ein Bastard gezeugt werden, das verspreche ich Euch. Warum tun sie Euch leid?«

«Weil es nicht von Dauer sein wird«, antwortete Catelyn traurig.»Weil sie Ritter des Sommers sind und der Winter naht.«

«Lady Catelyn, damit habt Ihr unrecht. «Brienne betrachtete sie mit Augen, die so blau wie ihre Rüstung waren.»Für uns wird der Winter niemals kommen. Sterben wir in der Schlacht, wird man Lieder über uns singen, und in den Liedern ist immer Sommer. In den Liedern sind die Ritter edel, die Jungfrauen schön, und stets scheint die Sonne.«

Der Winter kommt für uns alle, dachte Catelyn. Für mich kam er mit Neds Tod. Für Euch, Kind, wird er auch bald da sein, und früher, als Ihr es Euch wünscht. Sie brachte es nicht übers Herz, es laut auszusprechen.

Der König erlöste sie.»Lady Catelyn«, rief Renly ihr zu,»ich würde gern ein wenig frische Luft schnappen. Möchtet Ihr mich begleiten?«

Sofort erhob sich Catelyn.»Ich fühle mich geehrt.«

Brienne stand ebenfalls auf.»Euer Gnaden, laßt mir einen Moment Zeit, damit ich meine Rüstung anlegen kann. Ihr solltet nicht ohne Schutz sein.«

König Renly lächelte.»Wenn ich inmitten von Lord Caswells Burg nicht sicher bin, während mein eigenes Heer um mich versammelt ist, wird ein einziges Schwert daran nichts ändern… nicht einmal Euer Schwert, Brienne. Bleibt sitzen und eßt. Wenn ich Euch brauche, lasse ich Euch rufen.«

Seine Worte trafen die junge Frau anscheinend härter als alle Hiebe, die sie am Nachmittag erhalten hatte.»Wie Ihr wünscht, Euer Gnaden. «Sie setzte sich und schlug die Augen nieder. Renly nahm Catelyns Arm und führte sie aus der Halle. Der

Wachposten davor, der halb gedöst hatte, richtete sich so überstürzt auf, daß ihm fast der Speer aus der Hand fiel. Renly klopfte dem Mann auf die Schulter und machte einen Scherz darüber.

«Hier entlang, Mylady. «Der König trat durch eine niedrige Tür in einen Treppenturm. Auf dem Weg nach oben sagte er:»Ist vielleicht Ser Barristan Selmy bei Eurem Sohn auf Riverrun?«

«Nein«, fragte sie verblüfft zurück.»Ist er nicht mehr bei Joffrey? Er war Lord Commander der Königsgarde.«

Renly schüttelte den Kopf.»Die Lannisters haben ihm gesagt, er sei zu alt, und so haben sie seinen Rock an den Bluthund weitergereicht. Mir wurde berichtet, er habe King's Landing mit dem Schwur verlassen, dem rechtmäßigen König zu dienen. Der Mantel, den sich Brienne heute verdient hat, war derjenige, den ich für Selmy aufgehoben habe, weil ich hoffte, er würde mir sein Schwert anbieten. Da er in Highgarden nicht erschienen ist, dachte ich, vielleicht sei er statt dessen nach Riverrun gezogen.«

«Uns hat er nicht aufgesucht.«

«Er war alt, gewiß, aber dennoch ein guter Mann. Ich hoffe nur, ihm ist nichts zugestoßen. Die Lannisters sind große Narren. «Sie stiegen die letzten Stufen hinauf.»In der Nacht von Roberts Tod habe ich Eurem Gemahl einhundert Männer angeboten und ihn gedrängt, Joffrey in seine Gewalt zu bringen. Hätte er auf mich gehört, wäre er heute Regent, und ich wäre nicht gezwungen, den Thron für mich zu beanspruchen.«