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Die Schiffsmannschaft zog sich in Richtung einer abgesenkten und überdachten Kombüse im Heck zurück. Wenig später kehrten der Kapitän und zwei seiner Männer mit Wasser, einem Bohneneintopf und etwas Brot zurück. Hero erkundigte sich, wohin er fuhr. Sie seien fünf Tage vor Varna, entgegneten Bardas, und brachten Pferde zur griechischen Garnison in Cherson auf der Krimhalbinsel, die noch einen Segeltag ostwärts lag.

«Finden wir dort ein Schiff, das uns nach Konstantinopel mitnimmt?»

Bardas schüttelte den Kopf. «Nicht mehr vor Weihnachten. Ein paar Tage bevor wir abgesegelt sind, ist ein Frachter aus Trapezunt in der Hauptstadt angekommen, dessen Besatzung die Pest hatte und daran gestorben ist. Deswegen schicken die Hafenbehörden nun jedes Schiff, das von Osten kommt, einen Monat lang an der Mündung des Bosporus in Quarantäne. Zur Zeit fährt niemand nach Konstantinopel, wenn es nicht unbedingt sein muss.»

Vallon lachte, als ihm Hero diese Neuigkeiten weitergab. «Dann haben uns die Russen einen Gefallen getan, als sie sich davongemacht haben. Mal sehen, ob wir noch mehr Vorteile für uns entdecken können.» Er starrte zu der erhellten Kombüse hinüber. «Du hast gesagt, wir haben noch zwanzig Pfund Silber übrig.»

«Eher fünfzehn.»

«Drogo, die Pferde, die du in Nowgorod gekauft hast, haben jeweils ungefähr zwei Pfund gekostet.»

«Die haben mich übers Ohr gehauen. Sie waren nicht mal die Hälfte wert.»

Vallon strich sich übers Kinn. «Wisst ihr was? Vielleicht kommen wir doch noch ans Ziel.»

«Ihr meint, nach Anatolien?», sagte Hero. «Das hat doch keinen Zweck mehr. Die Falken, mit denen wir Sir Walter freikaufen wollten, sind tot.»

«Es geht nicht um den Freikauf. Wenn wir nach Cherson segeln, könnten wir dort monatelang festsitzen. Ihr habt ja erlebt, wie uns die Einheimischen schröpfen. Falls wir in Konstantinopel ankommen, können wir uns gratulieren, wenn uns noch das Hemd am Leib geblieben ist. Andererseits …» Vallon hielt kurz inne. «Wir könnten das Lager von Emir Suleiman in zwei Wochen erreichen, wenn wir Bardas dazu überreden, uns zur anatolischen Küste zu bringen.» Vallon blickte in die Runde. «Ich werde niemanden zwingen, gegen seinen Willen mitzukommen. Jeder, der nach Cherson möchte, soll es sagen.»

Eine Zeitlang herrschte Schweigen. Sie waren alle erschöpft und mutlos. Schließlich hob Hero die Hand. «Ich komme mit Euch. Mir ist klar, dass wir außer der Befriedigung, am Ende doch noch unseren Bestimmungsort erreicht zu haben, nichts erwarten können. Aber ich tue es für Richard.»

Wayland sah Syth an. «Es wird eine anstrengende Reise. Wir müssen an das Kind denken.»

«Wayland, die Geburt steht nicht nächsten Monat an. Wenn du gehen willst, sag’s einfach.»

«Bist du sicher?»

Syth verdrehte die Augen und sagte zu Vallon: «Wir kommen mit.»

«Ich auch», meldete sich Caitlin.

Drogos Miene erstarrte. «Habe ich auch eine Stimme?»

«Nein, du bleibst auf dem Schiff. Ich gebe dir genügend Silber, um Körper und Seele zusammenzuhalten.»

Nun, wo die Würfel gefallen waren, erwachte Heros Tatendrang. «Und wie sollen wir Bardas dazu bewegen, uns nach Anatolien zu bringen?»

«Warte ab, bis du allein mit ihm sprechen kannst. Dann sag ihm, dass wir ihm unter vier Augen ein geschäftliches Angebot machen wollen.»

Wayland wirkte nicht sehr überzeugt. «Sie haben unsere Waffen. Wenn sie erst einmal erfahren haben, dass wir auf einer Kiste Silber sitzen, was sollte sie daran hindern, uns einfach die Kehlen durchzuschneiden?»

Es ging schon auf Mitternacht zu, als Hero eine Gelegenheit fand, den Kapitän zur Seite zu nehmen. Das einzige andere Mitglied der Schiffsbesatzung an Deck war der Steuermann. Bardas beäugte Hero misstrauisch. «Ich habe euch gesagt, dass ihr nicht auf dem Schiff herumlaufen sollt.»

«Können wir kurz reden?» Hero deutete mit dem Kopf auf den Steuermann. «Aber nicht hier.»

Er ging weiter, lehnte sich mittschiffs ans Dollbord und schaute auf das Meer hinaus.

Bardas hielt einen gewissen Abstand. «Nun?»

«Kommt näher. Ich habe etwas für Euch – ein Zeichen für Herrn Vallons Dankbarkeit.»

Bardas kam näher. Hero drückte ihm eine Börse in die Hand. «Es ist englisches Silber.»

Bardas ließ die Börse unter seinem Kittel verschwinden, ohne sie auch nur anzusehen. «Was will er?»

«Er hat ein Angebot zu machen. Er wird es Euch selbst sagen.»

«Was soll das für ein Angebot sein?»

Hero legte den Zeigefinger auf die Lippen.

Einer von Bardas’ Männern hatte seinen Kopf aus der Kombüse gesteckt. «He, Kapitän, Essen ist fertig.»

«Später», sagte Bardas, ohne Hero aus den Augen zu lassen. «Ich rede morgen mit ihm.»

«Es muss aber heute Nacht sein. Es ist dringend. Helft uns, und es soll Euer Schaden nicht sein.»

Bardas atmete heftig ein. «Ich falle auf keine Gaunereien herein. Wenn dein Meister mit mir reden will, dann bringe ich meine Mannschaft mit. Sie sind alle verwandt mit mir.»

«Unbedingt, bringt sie mit. Das Problem ist nur, dass sie erfahren würden, um wie viel Geld es geht.»

Bardas warf einen kurzen Blick zu der Kombüse hinüber. «Hol den Franken her.»

«Er würde sich lieber im Bug mit Euch unterhalten. Wo wir das Geld aufbewahren.»

Plötzlich hatte Bardas ein Messer in der Hand und hielt es Hero an die Kehle. Mit der freien Hand packte er Heros Arm und schob ihn unsanft in Richtung Bug. «Ich hoffe für dich, dass dieses Angebot ernst gemeint ist.»

Vallon tat, als sähe er das Messer nicht. Er erhob sich, um den Kapitän zu begrüßen, und bot ihm einen Sitz an. Bardas schubste Hero vor und blieb stehen. «Worum geht es?»

«Frag ihn nach den Pferden», sagte Vallon.

Hero deutete auf den Laderaum. «Die Pferde. Sind sie zugeritten?»

«Das steht jedenfalls im Frachtbrief.»

«Habt Ihr Sättel und Zaumzeug für sie?»

«Was geht euch das an?»

«Das erfahrt Ihr schon noch. Lasst uns sprechen wie Geschäftspartner.»

«Wir haben Sättel für ungefähr die Hälfte von ihnen.»

«Gut. Wir möchten sechs Pferde kaufen und Zaumzeug für fünf.»

«Sie gehören nicht mir. Ich befördere sie nur. Wenn ihr sie wollt, könnt ihr auf dem Markt in Cherson auf sie bieten.»

«Wir gehen nicht nach Cherson. Und das ist auch der Grund, aus dem wir uns heute Nacht einig werden müssen.»

Bardas trat einen Schritt zurück. «Ich wusste ja, dass ihr keine Händler seid.»

«Wer wir sind, ist gleichgültig. Wie viel würde es kosten, Euch zu überreden, uns an der anatolischen Küste abzusetzen?»

Bardas’ Blick zuckte Richtung Süden. «Ich bringe euch nicht nach Anatolien. Das liegt mehr als zweihundert Meilen abseits von meinem Kurs.»

«Zeig es ihm», sagte Vallon.

Wayland zog ein Tuch zur Seite, um einen Hort glitzernder Silbermünzen zu enthüllen.

«Das gehört Euch», sagte Hero. «Wenn Ihr uns sechs Pferde gebt und uns an der anatolischen Küste absetzt. Das ist einfacher, als uns umzubringen, und es wird nicht so sehr auf Eurem Gewissen lasten.»

Ein Mannschaftsmitglied kam aus der Kombüse und ging Richtung Bug. «Wo bleibt Ihr denn, Kapitän?»

«Deckt das zu», murmelte Bardas, bevor er sich zu dem Seemann umdrehte. «Ich bin gleich da.»

Der Seemann hob die Hand und kehrte zur Kombüse zurück. Bardas starrte auf das Silber, von dem Wayland erneut das Tuch gezogen hatte. «Und wie soll ich den Verlust von sechs Pferden erklären? Wie erkläre ich, dass eine Sechstagesreise zwei Wochen gedauert hat?»

«Auf jeder Reise gehen Pferde ein. Und das Meer zwingt den Seefahrern seinen eigenen Zeitplan auf. Euer Schiff ist alt und leck. Kein Mensch wäre überrascht, wenn Ihr Euch verspätet.»

«Ich werde trotzdem zur Verantwortung gezogen.»