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«Ich weiß, dass unser gutaussehender französischen Hauptmann euch alle neugierig macht. Er ist zwar schon seit drei Wochen unser Gast, aber wir wissen immer noch kaum etwas über ihn. Allerdings fühlt er sich in Gesellschaft so vieler Damen unbehaglich. Ich glaube, wir bekommen nichts aus ihm heraus, es sei denn, ich befrage ihn allein.»

Sie scheuchte ihre kichernden Gesellschaftsdamen aus dem Turmzimmer. Der Priester ging als Letzter, und Vallon sah an dem Schweiß, der auf seiner Stirn glänzte, dass er sich nicht nur darüber Sorgen machte, einen Fremden mit der Frau seines Herrn allein zu lassen.

Die Stimmen der Frauen verklangen. Margaret wandte Vallon lächelnd ihr gerötetes Gesicht zu. «Ich habe es ernst gemeint. Ich gebe keine Ruhe, bevor ich Euch vollkommen ausgesaugt habe.»

«Meine Geschichte würde Euch enttäuschen.»

«Männer wissen nicht, was die Neugier einer Frau weckt. Es sind nicht die Beschreibungen grauenvoller Schlachten, die uns anregen. Es sind die feinsinnigen menschlichen Kleinigkeiten.»

«Dann werde ich Euch allenfalls wie ein grober Klotz vorkommen.»

«Fangen wir mit dem Anfang an. Seid Ihr verheiratet? Habt Ihr Familie?»

«Ich habe weder Frau noch Familie. Kein Land und auch sonst keinen Besitz. Ich verdiene mir mein Leben ausschließlich mit dem Schwert. Und wie Ihr sicher schon erraten habt, ist es kein gutes Leben.»

«Dennoch ist es eine schöne Waffe. Die Einlegearbeit am Griff ist exquisit, und um diesen Edelstein am Knauf beneide ich Euch richtig.»

«Es ist maurisch und wurde in Toledo aus Stahl geschmiedet, nicht aus Eisen. Das Metall ist härter als jede normannische Klinge.»

Sie riss die Augen auf. «Härter als jede normannische Klinge? Darf ich es einmal anfassen?»

«Madam.»

«Nein, lasst es mich selbst herausziehen.»

Sie brauchte beide Hände, um das Schwert aus der Scheide gleiten zu lassen. Vor Anstrengung röteten sich ihre Wangen. «Wie hell es schimmert. Wann habt Ihr es zuletzt benutzt?»

«Gegen die Mauren in Spanien.»

«Das ist recht lange her. Eine so schöne Klinge sollte öfter gezogen werden.» Sie hauchte das Metall an, warf Vallon einen Blick unter ihren gezupften Augenbrauen zu, und rieb dann den Stahl mit dem Ärmelaufschlag ihres Kleides. «Lasst mich einmal die Spitze anfassen. Oh, wie scharf sie ist. Seht nur, wie sie mich gestochen hat.»

Vallon streckte die Hand aus. «Eurem Mann würde es nicht gefallen zu hören, dass Ihr Euch an meinem Schwert verletzt habt.»

«Ich verspreche, dass ich es ihm nicht erzähle, ganz gleich wie fest Ihr zustoßt.»

Das ferne Hundegebell steigerte sich zu einem irrwitzigen Kläffen.

«Die Hunde haben den Hirsch gefunden», sagte Vallon und nahm das Schwert wieder an sich. «Ihr werdet die Jagd verpassen.» Er ging auf den Wallumgang und sah den Bäumen hinüber. Einige der Jäger hatten das Waldstück umstellt.

«So manch einer würde Euer Benehmen einschüchternd finden.»

«Es tut mir leid, wenn Ihr von meiner Gesellschaft enttäuscht seid.»

«Nein, ich bewundere Männer, die ihre Stärke nicht zur Schau tragen müssen. Davon abgesehen glaube ich nicht, dass Ihr so gefühllos seid, wie Ihr vorgebt.»

«Der Hirsch», sagte Vallon.

Das Tier tauchte aus dem Wald auf und überquerte ein Schneefeld, dann kamen die Hunde zwischen den Bäumen hervor. Darauf folgte Drogo an der Spitze der Jäger. Er peitschte wie wild auf sein Pferd ein.

Margaret fuhr mit dem Finger über eine Ader auf Vallons Handrücken. «Ich bin sicher, dass ich Euch mit der Zeit in die Enge treiben könnte.»

Er hielt ihre Hand fest. «Ein in die Enge getriebenes Tier ist gefährlich.»

Sie streifte ihn leicht. «Die Gefahr steigert das Vergnügen.»

Vallon trat einen Schritt zurück. «Ihr vergesst, dass ich der Gast Eures Gemahls bin.»

Sie schmollte. «Vielleicht gibt es ja noch einen anderen Grund für Euer kühles Benehmen. Ich habe gesehen, wie Euch dieser Grieche mit seinen Blicken überallhin folgt.»

Vallon sah ihr direkt ins Gesicht. «Warum sagt Ihr mir nicht, was Ihr in Wahrheit von mir wollt?»

Einen Moment lang schien es so, als würde sie bei ihrem Vorwand bleiben. Oder vielleicht hatte sie wirklich nichts gegen ein bisschen zweideutiges Geplänkel. Doch dann wandte sie sich ab und verschränkte die Arme, als sei ihr mit einem Mal kalt. «Ich habe Ländereien in der Normandie. Ich bin bereit, sie als Sicherheit für eine Anleihe einzusetzen, mit der die Expedition in den Norden finanziert werden soll.»

Vallon sagte nichts dazu. Der Hirsch bewegte sich am Rande des Tals entlang. Bisher hatten ihn die Jagdhunde nicht eingeholt.

«Ich möchte, dass Ihr die Expedition anführt.»

«Nein.»

«Ihr könntet sie als Handelsexpedition ansehen. Ihr dürftet alle überschüssigen Mittel einsetzen, um Felle, Elfenbein und Sklaven zu kaufen. Sämtlicher Gewinn, den Ihr macht, gehört Euch. Ich für meinen Teil will nur meinen Sohn sicher zu Hause haben.»

«Dieser Einsatz lohnt sich nicht.»

«Es ist ein aussichtsreicheres Angebot als das, was Euch in Lumpen hierhergeführt hat.»

«Ich spreche nicht von meinem Gewinn. Und wenn Euer Geld erst einmal in meinen Händen ist, was sollte mich davon abhalten, es zu stehlen?»

«Euer Wort. Ich vertraue dem Mann, der für Walter eine so weite Reise auf sich genommen hat.»

«Ich bin Sir Walter nie begegnet. Ich war niemals in Anatolien und habe den Namen Manzikert zum ersten Mal gehört, als die Schlacht schon seit Wochen vorbei war. Das Wohl Eures Sohnes interessiert mich nicht.»

Margarets Lippen wurden bleich. «Wollt Ihr damit sagen, dass er tot ist?» Sie krampfte die Hände ineinander.

Er nahm ihre Handgelenke. «Die Dokumente sind echt. Euer Sohn hat die Schlacht überstanden. Und soweit ich weiß, lebt er noch.»

Sie ließ sich gegen ihn sinken, ihre Stimme klang gedämpft von seiner Brust herauf. «Warum seid Ihr hierhergekommen? Was für ein Spiel spielt Ihr?»

«Gar keines. Sagen wir einfach, das Schicksal hat mich schon einmal in einen Strudel gerissen. Das soll mir nicht wieder passieren.»

Sie zog sich von ihm zurück. «Ich würde Euch dennoch vertrauen. Wenn Ihr vorhättet, mich zu betrügen, hättet Ihr Eure Lüge nicht zugegeben.»

«Mutterliebe ist blind.»

Margaret stampfte mit dem Fuß auf. «Wenn ich erzähle, was Ihr mir gesagt habt, wird Drogo Euch auf der Stelle umbringen.»

«Das hat er ohnehin vor.»

Der Hirsch war bei einer hohen Hecke angekommen und brach nach rechts, in Richtung des Römerkastells, aus. Bis das Tier seinen Fehler begriffen hatte und über das Hindernis sprang, war es nahe genug, dass Vallon seinen rückwärtsgewandten Blick erkennen konnte. Die Jagdhunde drängten wie eine brausende, kläffende Welle über die Hecke. Sie würden den Hirsch einholen, dachte Vallon.

«Ich kann Euch helfen zu entkommen.»

Vallon drehte sich um.

«Heute Abend wird viel getrunken werden», sagte sie. «Ab Mitternacht werden sie alle ihren Rausch ausschlafen. Wenn es zur Frühmesse läutet, findet Ihr das Tor offen.»

Vallon schob den Gedanken an Margarets größeren Plan beiseite. Es würde noch Zeit genug sein, um darüber nachzudenken, wenn sie erst einmal aus Drogos Reichweite wären … falls ihnen das überhaupt gelang. «Das wird uns nur ein paar Stunden Vorsprung verschaffen. Drogo wird uns einholen, noch bevor wir das nächste Tal erreicht haben.»