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«Wie Ihr seht, habe ich es ja denkbar bequem. Ich bin sogar ein recht hoch geschätztes Mitglied im Kriegsrat des Emirs. Er ist davon überzeugt, dass die Christenheit einen Kreuzzug gegen den Islam führen und zuerst in der Nähe der Pilgerstraßen zuschlagen wird, die jetzt von Suleiman kontrolliert werden. Von mir erwartet er militärstrategischen Rat, ganz besonders, was den Einsatz von schweren Reitern angeht. Davon abgesehen, bin ich an seinen Verhandlungen mit den Byzantinern beteiligt.»

«Also habt Ihr die Seiten gewechselt.»

Damit berührte er offenbar einen wunden Punkt. Walter zuckte zusammen und verschüttete etwas von seinem Wein. «Die Byzantiner sind auf niemandes Seite, nicht einmal auf ihrer eigenen. Kaiser Romanos wurde bei Manzikert besiegt, weil er Verräter in den eigenen Reihen hatte. Der Sultan hat ihn im Austausch für einen Friedensvertrag und ein Heiratsabkommen in allen Ehren aus der Gefangenschaft entlassen. Und was haben die Byzantiner getan? Sie haben ihm die Augen ausgestochen und ihn mit wimmelnden Wundmaden in seinen toten Augenhöhlen in die Wildnis verstoßen. Als der Sultan von dem Mord hörte, hat er den Friedensvertrag für nichtig erklärt.»

Vallon hatte seinen Wein nicht angerührt. «Habt Ihr beim Emir um Eure Freilassung ersucht?»

«Nein.»

«Und wenn Ihr es tun würdet?»

Walter dachte eine Weile nach. «Ich glaube, er würde mein Gesuch bewilligen.»

«Warum habt Ihr dann nicht darum gebeten?»

Walter drehte seinen Becher in den Händen. «Um die Wahrheit zu sagen: Mir gefällt dieses Leben hier. Ich trinke Wein statt Sauerbier, esse im Winter Trauben und Pfirsiche, trage Gewänder aus Seide und Brokat. Ich erhalte eine ansehnliche Vergütung für meine Verhandlungen mit den Byzantinern. Es treibt mich nicht gerade zurück in eine zugige Burg im Norden, wo ich den Rest meines Lebens mit Gefechten gegen die Wilden verbringen müsste. Dazu ist es noch genug Zeit, wenn ich das Erbe meines Vaters antrete, nachdem er gestorben ist.»

«Steht Ihr denn in Kontakt mit Eurer Familie?»

«Ich habe im Frühling einige Briefe an sie losgeschickt, aber bislang noch keine Antwort erhalten. Das Einzige, was ich aus England gehört habe, ist, dass mein Halbbruder Drogo auf einem Kriegszug in Schottland getötet wurde.»

Vallon stellte seinen Becher weg. «Euren Eltern geht es noch ebenso gut wie bei Eurer Abreise. Euer Halbbruder Richard ist tot. Er hat uns auf unserer Reise begleitet und ist im Mündungsgebiet des Dnjepr an einer Pfeilwunde gestorben.»

«Richard? Richard war bei Euch?»

«Ein hoch geschätzter und tief betrauerter Gefährte.»

«Es bekümmert mich sehr, das zu hören. Armer Richard. Ich habe immer vermutet, dass er das Mannesalter nicht erreichen wird. Was ist nur in Euch gefahren, dass Ihr solch einen Waschlappen mitgenommen habt?»

«Er wollte mit. Er wollte unbedingt weg von Eurer Familie.» Vallon stand auf und übersah absichtlich Heros Gesten, der ihn zurückhalten wollte.

Walter erhob sich ebenfalls. «Wollt Ihr schon gehen?»

«Wir werden uns heute Abend beim Emir wiedersehen.»

Walter trat einen Schritt vor. «Wayland. Geh doch nicht.»

Alle blieben stehen.

Walter legte Wayland den Arm um die Schultern. «Weißt du noch, wie viel Spaß wir auf der Jagd hatten? Das war gar nichts im Vergleich zu dem, was uns Anatolien bieten wird. Bären, Löwen, Leoparden – Tiere, die du noch nie gesehen hast.»

Vallon fiel auf, wie angespannt Wayland wirkte. «Willst du bleiben?»

Wayland schüttelte den Kopf.

Vallon nahm ihn am Ellbogen. «Dann komm.»

Walter packte Wayland am anderen Arm. «Ihr habt in dieser Sache nichts zu bestimmen.» Er lächelte. «Wayland ist mein persönlicher Besitz, das habe ich mir vor Gericht bestätigen lassen. Ihr habt vermutlich gehört, wie ich ihn kurz vorm Verhungern ihm Wald gefunden und in mein Haus aufgenommen habe.»

«Normannisches Recht hat in dieser Weltgegend keinerlei Bedeutung. Falls Wayland wieder in Eure Dienste treten will, werde ich ihn nicht daran hindern. Er kann für sich selbst sprechen.»

«Soll das ein Scherz sein? Der Junge ist stumm.»

«Ich bin nicht dein Sklave», sagte Wayland. «Ich diene Vallon als freier Mann.»

«Das scheint mir deutlich genug», sagte Vallon.

Er ging als Erster hinaus. Walter schloss zu ihm auf. «Nicht so eilig, Vallon. Wie hoch hat meine Mutter ihre Ländereien beliehen?»

Vallon ging weiter. «Mit einhundertzwanzig Pfund.»

«Sie müssen mindestens doppelt so viel wert sein.»

«Das war alles, was der Geldverleiher zu geben bereit war. Ich habe die Dokumente.»

«Wie viel ist noch davon übrig?»

«Nichts. Alles ist aufgebraucht.»

«Ihr habt mehr als hundert Pfund vom Geld meiner Mutter ausgegeben, und alles, was Ihr vorweisen könnt, ist ein einziger Gerfalke?»

«Der Preis war viel höher als das.»

«Wie viel habt Ihr für Euch selbst behalten?»

Vallon blieb stehen. «Keinen Penny.»

Walter konnte sich gerade noch zurückhalten, Vallon mit dem Zeigefinger gegen die Brust zu tippen. «Es fällt mir schwer, das zu glauben. Ihr seid schließlich Söldner. Ich erwarte eine vollständige Abrechnung.»

Vallon musterte Walters ausgestreckten Finger. «Eines muss ich noch ergänzen. Ihr seid über den Tod Eures Bruders falsch informiert. Er befindet sich hier im Lager des Emirs.»

Walter sah ihn verständnislos an. «Ihr habt mir doch selbst erzählt, dass Richard am Dnjepr gestorben ist.»

«Ich rede von Drogo.»

Das Blut wich aus Walters Gesicht. «Drogo ist in Schottland umgekommen.»

«Er ist nach Norden gezogen, das stimmt. Er hat uns verfolgt, weil er unseren Versuch, Euch zu befreien, zunichtemachen wollte. Ich weiß, dass es ein trübes Licht auf unser Vorhaben wirft, aber wenn ich Euch die Umstände schildere …»

«Schweigt.» Walter trat einige Schritte zurück. «Ihr stolziert in meine Unterkunft und behauptet, Ihr wärt gekommen, um mich auszulösen, und mit dem nächsten Atemzug erwähnt Ihr, dass Ihr Drogo mitgebracht habt.»

«Sir Walter, lasst mich erklären.»

«Dafür gibt es nur eine einzige Erklärung. Ich wusste in dem Moment, als ich zum ersten Mal in Eure kalten Augen gesehen habe, dass ein Feind vor mir steht.»

Hero schob sich vor Vallon. «Lasst mich sprechen. Sir Walter, wir haben Euren ärgsten Feind nicht aus freien Stücken mitgebracht. Ich will Euch erklären, wie es dazu kam, dass er sich an uns gehängt hat.»

Doch die alte Geschwisterrivalität hatte einen Teil von Walters Gehirn für alle Vernunft unzugänglich werden lassen. Ein stieß einen erstickten Laut aus. «Ich weiß nicht, welchen Plan Ihr und Drogo ausgebrütet habt, aber ich rate Euch, keine Spielchen mit mir zu treiben. Der Emir schätzt mich. Wenn ich ihm erzähle, dass Ihr mit Mord im Herzen gekommen seid, werdet Ihr seine Antwort außerordentlich unangenehm finden.»

Auf dem Weg zurück zu ihrer Unterkunft bemerkte Vallon Heros vorwurfsvolle Seitenblicke.

«Du findest, dass ich dieses Gespräch schlecht angepackt habe.»

«Jämmerlich schlecht. Warum konntet Ihr nicht ein bisschen diplomatischer sein?»

«Das hätte keinen Unterschied gemacht.» Vallon warf einen Blick zurück und sagte kopfschüttelnd: «Der undankbare Hund hat uns nicht einmal für all die Mühen gedankt.» Mit großen Schritten durchquerte er das Lager. «Gott sei mir gnädig, aber da bevorzuge ich beinahe Drogo.»

Hero beeilte sich, um mit Vallon Schritt zu halten. «Jetzt werden wir das verlorene Evangelium niemals zu Gesicht bekommen.»

«Wir hatten schon alle Aussicht darauf verloren, als die Falken eingegangen sind. Es ist wahr, was Walter gesagt hat, und ich hätte ihn nicht gebraucht, um mir darüber klarzuwerden. Der Emir ist kein Mann, der Abstriche an einmal gestellten Bedingungen macht.»

In ihrer Unterkunft ließ sich Vallon auf sein Bett fallen und legte den Unterarm über die Augen. Hero ging mit Trauermiene auf und ab.