Выбрать главу

Da wurde die Zeltklappe zurückgeschlagen, und boshaft lächelnd steckte Drogo den Kopf herein. «Und? Wie hat er dir gefallen?»

Vallon atmete tief ein. «Er ist nicht so einnehmend, wie ich nach den Erzählungen über ihn angenommen hatte. Und für so einen aufgeblasenen Schuft haben Richard und Raul ihr Leben geopfert. Die andere bittere Pille ist: Es scheint, als könnte Walter gehen, wann immer es ihm gefällt. Unsere Ankunft hier und dass wir die Lösegeld-Forderung nicht vollständig erfüllen können, hat die Situation nur komplizierter gemacht, und er ärgert sich, statt dankbar zu sein.»

Drogo lachte. «Wie hat er darauf reagiert, dass ich hier bin?»

«Mit Angst, Wut und blindem Hass. Er hat einen gewissen Einfluss am Hof des Emirs. Wenn ich du wäre, würde ich im Dunkeln nicht alleine herumlaufen, und ich würde mir jemanden suchen, der mein Essen vorkostet.»

Drogo sah beinahe mitleidig auf Vallon hinab. «Du hättest auf mich hören sollen. Du hättest die Aufgabe bestimmt nicht so eifrig angenommen, wenn du gewusst hättest, was für ein Mensch mein Bruder ist.»

Vallon zog den Arm von den Augen weg. «Wenn wir das Resultat unserer Taten wüssten, bevor wir sie ausgeführt haben, würden wir morgens gar nicht erst aufstehen.»

Zusammen mit dem Rauch der Lagerfeuer stiegen Gebete auf, als Vallon und seine Gefährten zum Pavillon des Emirs geführt wurden. Sterne funkelten in einer diffusen Wölbung über der Hochebene, und ein Sichelmond hing zwischen den beiden vereisten Bergkegeln im Süden. Im Thronraum herrschte Gedränge. Der Emir musste entschieden haben, diese Gelegenheit für eine Demonstration seiner richterlichen Weisheit zu nutzen. Er trug einen Zeremonienstab und bohrte sich mit desinteressierter Miene in der Nase, während sich die Ungläubigen vor ihm niederwarfen. Faruq wies sie an, sich zu erheben.

«Seiner Exzellenz sind gewisse neue Erkenntnisse zu Ohren gekommen. Ich habe den Auftrag, sie zu überprüfen.»

Vallon konnte sich schon denken, wer der Zuträger des Emirs war. Walter stand neben einem von Suleimans Beratern und starrte Drogo mit einem mörderischen Blick an.

«Ich werde sprechen», erklärte Vallon an Hero gewandt. Er verbeugte sich vor Suleiman, bevor er sich an Faruq wandte. «Entschuldigt mein dürftiges Arabisch. Es ist nur das wenige, das ich als Gefangener der Mauren in Spanien aufgeschnappt habe.»

Gemurmel lief durch die Reihen der Zuhörer, und ganz hinten stellten sie sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können.

Faruq sorgte mit einer Geste für Stille. Er sprach erst, als das lauteste Geräusch das Flackern der Öllampen war. «Hier ist das erste Problem: Ihr habt gesagt, Ihr wärt gekommen, um Walter zu befreien.»

«Das war unser einziges Motiv.»

«Dennoch habt Ihr seinen Stiefbruder mitgebracht, einen Mann, der Walter hasst.»

«Drogos Anwesenheit habe ich nicht geplant. Im Gegenteil. Er versuchte, unsere Anstrengungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zunichtezumachen. Als wir aus England entkommen sind, war er so entschlossen, uns aufzuhalten, dass er uns nach Island gefolgt ist.»

«Wo er Eurer Gnade ausgeliefert war.» Faruq deutete auf Drogo. «Und doch steht er hier.»

«Er ist nicht leicht loszuwerden.»

«Ihr hättet ihn töten können.»

«Das ist wahr, aber wenn ich es getan hätte, wären wir nicht am Ziel unserer Reise angekommen.»

Faruq, Suleimans Sprecher, rieb sich zweifelnd übers Kinn. «Ach?»

«Drogo hat mit mir tapfer gegen die Wikinger und die Kumanen gekämpft. Wenn man mit einem Mann Seite an Seite in der Schlacht gestanden hat, ist es schwer, ihn zu beseitigen.» Vallon warf einen kurzen Blick auf Suleiman. «Das gilt jedenfalls für mich.»

Faruq begann auf und ab zu gehen, er genoss die Rolle des Anklägers sichtlich. «Also habt Ihr Drogo weiterleben lassen.» Er lächelte seine Zuhörer an, die mit skeptischem Kopfschütteln reagierten. Dann wirbelte er mit anklagend ausgestreckter Hand wieder zu Vallon herum. «Leugnet Ihr, die Geldmittel, die Euch von Walters Mutter anvertraut worden sind, in Eure eigene Tasche gesteckt zu haben?»

«Jeder Penny ist für unsere Mission ausgegeben worden. Wir haben ein Rechnungsbuch geführt. Prüft es, wenn Ihr wollt.»

«Aber Ihr seid ein Söldner und habt diesen Auftrag in der Hoffnung auf persönlichen Profit angenommen.»

«Ich habe damit gerechnet, mit dem Handel Gewinn erzielen zu können. Leider haben unsere Ausgaben unsere Kosten überstiegen. Das steht alles in den Rechnungslisten.»

«Rechnungslisten, die Ihr selbst geführt habt. Wie viel zahlt Euch Drogo?»

«Drogo hat überhaupt kein Geld. Er ist nur hier, weil ich ihn mitversorgt habe.»

«Ich glaube Euch nicht. Walter glaubt Euch nicht.»

Vallon hatte das Gefühl, in einem Sumpfloch zu versinken. «Glaubt, was Ihr wollt. Was zählt, ist die Entscheidung des Emirs, und ich werde mich seinem Urteil beugen.»

Faruq sah Suleiman an, bevor er den nächsten Anklagepunkt vorbrachte. «Ich werde Euch sagen, was ich denke. Ihr seid nur deshalb in Drogos Begleitung hierhergereist, um Walter zu befreien, damit Ihr ihn töten könnt. Wenn Walter tot ist, erbt Drogo den Titel und den Besitz seines Vaters. Und dafür entlohnt er Euch mit Gold.»

Vallon knurrte: «Wenn ich Walter etwas antun wollte, wäre ich nicht mit nur einem Viertel der Forderung hier angekommen.»

«Bewahrt die Ruhe», flüsterte Hero.

Vallon nickte und sah Faruq an. «Seht Euch die nackten Tatsachen an, statt nach verborgenen Motiven zu suchen. Befragt uns getrennt, wenn Ihr wünscht. Wir sind aus dem kalten Norden hierhergekommen, und auf der Reise haben wir viele Menschenleben und alle Falken bis auf einen verloren. Seine Exzellenz hat den Gerfalken in Augenschein genommen, und ich weiß, dass er trotz all seiner Macht und all seiner Mittel keinen beschaffen kann, der auch nur halb so prachtvoll ist. Genügt er den Bedingungen oder nicht?»

Faruq und Suleiman steckten zur Besprechung die Köpfe zusammen, und die Zuschauer spitzten die Ohren, um etwas mitzubekommen. Schließlich winkte der Emir Faruq zur Seite und legte seine Erwägungen dar. Er wiegte sich im Sitzen auf seinem Thron und unterstrich mit beiden Händen gestikulierend seine ausführlichen Erläuterungen, um zu zeigen, wie gewissenhaft er das Für und Wider des Falles abwog. Die Zuhörer nickten zu jedem seiner Argumente. Schließlich senkte der Emir seinen Zeremonialstab, und Faruq trat vor, um das endgültige Urteil zu verkünden.

«Seine Exzellenz hat den Bericht von Euren Anstrengungen mit Interesse verfolgt. Der Emir lobt Euer Durchhaltevermögen und spricht Euch sein Beileid zum Tod Eurer Gefährten aus. Der Falke, den Ihr ihm gebracht habt, ist von seltener Schönheit und ein vielversprechendes Tier für die Beizjagd. Dennoch genügt er der Forderung nicht. Das Problem ist Folgendes: Der Emir hat vier Falken verlangt. Ihr habt nur einen abgeliefert.» Faruq legte den Zeigefinger an die Lippen. «Seine Exzellenz ist ein Mann, der zu seinem Wort steht. Wenn er einem seiner Armeeführer zwei Pferde bewilligt, wird dieser Mann zwei Pferde erhalten. Wenn umgekehrt ein Armeeführer zusichert, für einen Kriegszug zehn Bogenschützen aufzubringen, dann erwartet Seine Exzellenz zehn Bogenschützen. Es darf keine Ausnahme geben. Wenn Seine Exzellenz heute über Eure ungenügende Erfüllung der Vertragsbedingungen hinwegsieht, werden seine Gefolgsleute morgen die gleiche Nachsicht für sich selbst fordern. ‹Seht euch die Milde an, mit der unser Herr die Ungläubigen behandelt›, würden sie sagen. ‹Um wie viel großzügiger muss er dann erst die Unzulänglichkeit seines eigenen Volkes dulden.›»

«Sir Walter hat mir erklärt, Seine Exzellenz habe ihm seine Freiheit gegeben, und zwar mit oder ohne ein Lösegeld.»

Suleiman blitzte den Normannen giftig an.

«Damit hat sich Sir Walter zu viel angemaßt», sagte Faruq. «Was Seine Exzellenz zu geben beliebt, steht auch in seiner Macht zu verweigern.»