Vallon sah den Sprecher an. «Der Falke wird bereit sein.»
«Seine Exzellenz wird die Herausforderung morgen aussprechen. Wenn der weiße Falke die Saker seines Nachbarn überflügelt, wird er den Normannen freilassen und Euch mit Geschenken weiterziehen lassen.»
«Und wenn nicht?»
«Seine Exzellenz ist ein gerechter Mann. Ihr habt vor diesem Hof erklärt, dass der Falke nicht versagen wird.» Faruq hielt inne, um seine Worte wirken zu lassen. «Wenn er es dennoch tut, wird Seine Exzellenz zum Gespött seines Rivalen. Ihr könnt nicht die Belohnung für den Erfolg akzeptieren und es zugleich ablehnen, für den Misserfolg geradezustehen.»
Zu spät sah Vallon die Grube, die er selbst ausgehoben hatte.
Faruq sprach weiter: «Wenn der Falke nicht siegt, wird Seine Exzellenz den englischen Jüngling Walter zum Sklaven geben.» Vallon wollte etwas sagen, doch Faruq hielt ihn mit erhobener Hand zurück. «Und Ihr als Verteidiger des Falkners müsst ebenfalls für die Niederlage zahlen.» Faruq hielt inne, um jedes Missverständnis zu vermeiden. «Und zwar mit der Waräger-Frau.»
Wayland grinste. «Was hat er da zuletzt gesagt?»
Es gab keinen Weg zurück, das war Vallon bewusst. Vor hundert Zuhörern hatte er Suleiman einen Sieg versprochen. Er musste all seine Selbstbeherrschung aufbieten, um ruhig zu antworten. Hinter Wayland sah er Heros entsetzten Blick und Walters hämisches Grinsen. Lächelnd klopfte er Wayland auf den Arm. «Nichts Wichtiges. Von jetzt an konzentrierst du dich ganz auf die Vorbereitung des Falken.»
XLIX
Wayland begann mit seiner Einsatzplanung in dem Augenblick, als er aus dem Pavillon des Emirs trat. Zuerst musste er den Jagdtrieb des Falken anstacheln, indem er ihn von dem Fett befreite, das er in den Monaten der Inaktivität angesetzt hatte. Gewaschenes Fleisch und Magensteinchen würden Abhilfe schaffen. Wayland schätzte, dass der Vogel zwei Tage nach der Entschlackung zum Freiflug bereit wäre, sodass ihm noch neun oder zehn Tage zum Aufbau der Muskulatur blieben. Der Flug des Falken auf die Trappen hatte seine angeborene Robustheit unter Beweis gestellt. Die Kälte würde anregend wirken. Wayland sah schon vor sich, wie der Vogel durch die Lüfte strich, sich bis zu den Wolken emporschraubte und mit zerstörerischer Eleganz niederstieß.
Ibrahim der Falkenmeister holte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Er wartete beim Gehege des Gerfalken am Ende des Zeltes auf Wayland. Kopfschüttelnd sah er ihm entgegen, und er schüttelte noch immer den Kopf, als Wayland vor ihm stand.
«Du wirst schon sehen», sagte Wayland zu ihm. Er kramte in seiner Falknertasche herum und förderte ein Dutzend Kieselsteine zutage, die etwa so groß wie Ackerbohnen waren. Er hielt sie dem Falkenmeister hin. «Magensteine», sagte er. Dann setzte er einen Topf Wasser auf die Kohlenpfanne und ließ die Kiesel hineinfallen. Als das Wasser kochte, goss er die Kiesel ab und breitete sie auf einem Tuch aus. Er tat so, als würde er sie essen, und rieb sich über den Bauch, um dem Falkenmeister verständlich zu machen, dass sie Fett und Schleim lösen würden, die sich im Kropf des Falken festgesetzt hatten. Am nächsten Morgen würde der Vogel die Kiesel mit Schmiere überzogen wieder herauswürgen. Eine Vier-oder-Fünf-Tages-Kur mit den Steinen würde den Jagdinstinkt des Tieres so anstacheln, als hätte es eine Woche nichts gefressen.
Er wollte dem Falken die Haube abnehmen, doch Ibrahim hielt seine Hand fest. Dann wackelte er mit dem Zeigefinger und ging in seine abgetrennte Kammer, in der er auch Geheimmittelchen und Essenzen aufbewahrte. Er murmelte etwas vor sich hin und kehrte mit einem Spatel zurück, auf dem ein Häufchen weißer Kristalle lag.
«Was ist das?»
Ibrahim sagte es ihm nicht. Er erklärte Wayland, dass er den Falken festhalten solle. Als er ihn fest im Griff hatte, schnitt Ibrahim ein Stückchen Taubenbrust von der Größe einer Weintraube zurecht und wälzte es in den Kristallen. Dann drückte er den Schnabel des Falken auf und schob ihm das Fleisch so tief in die Kehle, dass er gezwungen war, es zu schlucken.
Er bedeutete Wayland, den Vogel auf seinem Sitzblock abzusetzen und das Abführmittel wirken zu lassen. Dann zog er sich gähnend in seine Schlafkammer zurück. Wayland blieb auf und überwachte den Falken. Nur eine Lampe brannte noch, und es war sehr still in der Stallung. Nach einer Weile streckte der Falke den Hals und riss den Schnabel auf. Wayland sah zu der Schlafkammer des Falkenmeisters hinüber. Er versuchte sich zu entspannen. Seine Gedanken wanderten zu Syth. Er hatte sie seit ihrer Ankunft im Lager nicht gesehen. Hero hatte ihm erzählt, dass gut für sie gesorgt wurde, aber warum hatte der Emir ihren Namen gesagt? Vallon hatte es ihm nicht erklärt. Es schien sich keine einzige Seldschukenfrau in dem Feldlager zu befinden.
Der Falke schwankte auf seiner Sitzstange. Wayland sprang auf. Der Vogel krümmte sich würgend vor. Wayland hastete zu der Schlafkammer des Falkenmeisters, riss den Vorhang weg und rüttelte ihn an der Schulter.
«Mit dem Falken stimmt etwas nicht.»
Ibrahim brummte etwas, drehte sich auf die andere Seite und zog sich die Decke über den Kopf.
Als Wayland wieder in die Stallung kam, fand er den Falken auf dem Boden liegend, wo er den Kopf ruckartig vor und zurück bewegte. Dann stellte er die Schwanzfedern auf und schied einen Strom schmutzig wässrigen Dung aus. Wayland zog dem Vogel die Haube ab und stöhnte vor Panik. Das Tier war vergiftet worden. Er trug es in der Stallung auf und ab, bis seine Arme taub wurden, dann setzte er es zurück auf seine Sitzstange und starrte es gelähmt vor Verzweiflung an. Aus dem Schnabel rann schmieriger Speichel. Unheilvoll klickende Geräusche drangen aus den Eingeweiden in die Kehle des Vogels empor. Wayland ließ seinen Kopf in die Hände sinken. Die Lampe verlosch, und seine Augen fielen zu.
Zarte Sonnenstrahlen drangen ins Innere des Zeltes. Wayland wurde blinzelnd wach und sah Ibrahims Gesellen die Belüftungsklappen der Zeltbahnen öffnen. Die Sitzstange des Gerfalken war leer.
Wayland sprang auf die Füße, als Ibrahim aus der Kammer trat, in der frisch gefangene Falken isoliert gehalten wurden. «Wo ist er? Ist er tot?»
Ibrahim lockte ihn mit gekrümmtem Zeigefinger in die Kammer. Als Wayland eintrat, saß der Falke ohne Haube auf einem Holzklotz, und sobald der Vogel ihn sah, schlug er wild mit den Flügeln, heißhungrig und mit klarem Blick. Der Falkenmeister hielt Wayland ein Stück Tuch hin. Darauf lag eine schleimige Schicht aus Schmiere und Fett, die der Vogel ausgewürgt hatte, während Wayland schlief.
Nun sei das Tier bereit für seine erste Übungsstunde, bedeutete ihm Ibrahim und zog dem Falken die Haube über den Kopf. In der Kammer stand etwa zehn Fuß von dem Sitzblock entfernt ein Stuhl. Ibrahim reichte Wayland einen Streifen Fleisch, mit dem er sich auf den Stuhl stellen sollte. Dann zog er dem Falken die Haube ab. «Ruf ihn.» Der Wortschatz, über den sich der Seldschuke und der Engländer verständigen konnten, bestand lediglich aus einem Dutzend Begriffe, doch ihr geteiltes Interesse wirkte wie eine gemeinsame Sprache.
Wayland streckte die Faust aus. Der Falke hob stürmisch ab und flog kraftvoll los, um sich den Leckerbissen zu holen.
«Setz ihn wieder auf den Klotz», sagte Ibrahim. Er gab Wayland das nächste Fleischstückchen.
«Ruf ihn.»
Nach drei steilen Kurzflügen zur Faust hinauf hechelte der Falke. Und nach den nächsten drei sah Wayland, dass sich das Tier fragte, ob so ein kleiner Bissen die Mühe wert war. Als er seine Hand zum achten Mal ausstreckte, weigerte sich der Falke zu fliegen.
«Genug», sagte Ibrahim. Er zählte an seinen Fingern ab, wie das Training weitergehen würde. Am nächsten Tag würde der Falke zehn Sprünge machen, und danach fünfzehn. Wenn er die Übung problemlos fünfundzwanzigmal bewältigte, war er kräftig genug, um im Freien zu fliegen.