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«Die Leine durchschneiden!», rief Wayland.

Hero hob den Arm. «Warte.»

Der Falke hörte auf mit den Flügeln zu schlagen und versuchte, mit der Windrichtung wegzufliegen. Die Rückhalteleine aber hinderte ihn daran. Er war gezwungen, in engen Kreisen um die Drachenleine herumzufliegen. Von dem Gewicht des Falken befreit, begann die Leine an dem Drahlenring herunterzugleiten. Nach der Hälfte der Strecke hatte der Falke gelernt, dass es einfacher war, auf den Boden zu kommen, wenn er um die Drachenleine herumkreiste.

Wayland erwartete, dass der Vogel erschöpft und aggressiv wäre. Stattdessen wirkte er eher stolz darauf, diese seltsame Beute niedergerungen zu haben.

Wayland kehrte mit einem Gefühl der Erfüllung zu dem Nomadenzelt zurück. Der Drachenbauer erklärte sich bereit, bis zum Wettkampf jeden Tag mit ihnen auf die Ebene hinauszugehen. Bevor sie sich verabschiedeten, flüsterte Syth Hero etwas zu, und er versuchte, dem alten Mann eine weitere Münze aufzudrängen. Doch der Drachenbauer verschränkte die Arme vor der Brust und drehte sich weg.

«Der übrige Stoff reicht als Bezahlung», sagte Wayland.

«Es soll nicht für den Drachen sein», sagte Syth. «Ich habe gefragt, ob ich einen der Welpen kaufen kann.»

Der alte Mann weigerte sich, eine Bezahlung anzunehmen, und erklärte, Syth könne sich einen Welpen aussuchen. Sie nahm den, der ins Zelt gestreunt war, und als sie wegritten, saß er aufrecht vor Syth auf dem Pferd, stellte bei Nachtgeräuschen abwechselnd die Ohren auf und verdrehte sich, um Syth das Gesicht abzulecken.

«Ich habe mir einen Namen für ihn ausgedacht», sagte Syth.

Berichte über die merkwürdigen Trainingsmethoden der Ungläubigen verbreiteten sich rasend schnell unter den Seldschuken, und am nächsten Tag ritten ungefähr zwanzig von ihnen mit hinaus, um zuzusehen. An diesem Tag flog der Falke bis auf etwa dreihundert Fuß Höhe und kam ohne Schwierigkeiten wieder herunter. Beim nächsten Durchlauf rollte der alte Mann die volle Länge der Drachenleine ab, und der Falke stieg unter den Blicken der Zuschauer bis auf fünfhundert Fuß.

Zurück im Zeltlager des Emirs, warteten weitere ermutigende Neuigkeiten auf sie. Suleimans Rivale hatte einen Aufschub von vier Tagen erbeten, weil er eine Streitigkeit in seinem Clan schlichten musste. Suleiman hatte nun das Recht, den Wettkampf ganz abzusagen, und er war bereit dazu, sollte sich in den Übungsstunden mit dem Falken gezeigt haben, dass er der Herausforderung nicht gewachsen war.

Wayland musste keine Sekunde nachdenken. «Sagt ihm, er soll sich mit dem neuen Termin einverstanden erklären.»

Jeder weitere Tag mit Drachenübungen stärkte die Kräfte des Falken, und schließlich stieg er bis auf tausend Fuß Höhe auf. Viele Seldschuken kamen mit einem Picknick hinaus auf die Hochebene, um diese Meisterleistungen zu bewundern. Als es noch drei Tage bis zu dem Wettkampf waren und Wayland gegen Abend nach Hause zurückkehrte – er hatte begonnen, das Zeltlager als «Zuhause» zu bezeichnen – begegnete er dem Falkenmeister. Ibrahim führte ihn in ein Anbauzelt, das als Vorratsraum benutzt wurde. Dort stand ein großer Weidenkäfig, und in dem Käfig befand sich ein Kranich mit gebundenen Flügeln. Der Falkenmeister berichtete Wayland, dass er jeden Tag, seit der Wettkampf angesetzt worden war, Jäger ausgeschickt hatte, um einen Kranich zu fangen. Es waren große Anstrengungen nötig gewesen, denn Kraniche waren sehr aufmerksam und ließen niemanden an sich heran. Tagsüber streiften sie auf Futtersuche über die Ebene, und bei Nacht hatten sie ihren Schlafplatz in den Marschen um den Salzsee. Dieser Vogel war in einem Netz gefangen worden, das um ein abgeerntetes Hirsefeld aufgespannt worden war. Am nächsten Tag sollte Wayland den Falken unter Bedingungen auf den Kranich fliegen lassen, die den Erfolg des Falken garantierten.

Wayland musterte die panisch aufgerissenen Augen des gefangenen Vogels. «Lass ihn frei», sagte er. «Der Falke braucht keine leichte Beute.»

Ibrahim war entsetzt. Den Kranich freilassen? Lächerlich. Ja, der Falke war ein Flugkünstler. Doch was hieß das schon? Einen Köder zu packen, der hoch in den Lüften an einen Drachen gebunden war, konnte man nicht mit einem Zweikampf vergleichen, bei dem sich der Falke mit einem ebenbürtigen Flieger messen musste, der aufsteigen und ausweichen und zurückschlagen konnte. Der Falke hatte noch nie zuvor einen Kranich gejagt, hatte noch nicht einmal einen gesehen. Was, wenn er bei seinem Anblick einfach die Flucht ergriff? Die meisten Falken reagierten so. Höchstens einer von zehn würde sich auf einen so gefährlichen Gegner einlassen, selbst wenn er einen weiteren Falken zur Unterstützung hatte.

Ibrahim wollte sich nicht umstimmen lassen. Er würde in dieser Frage sogar den Emir einschalten, falls es sich nicht umgehen ließ.

Wayland gab nach. «Unter einer Bedingung», sagte er. «Keine Zuschauer.»

Nur der Falkenmeister und seine Gesellen ritten am folgenden Nachmittag mit Wayland hinaus. Sie zügelten ihre Pferde erst, als die Ebene in sämtlichen Himmelsrichtungen bis zum Horizont menschenleer vor ihnen lag. Die Unterfalkner stellten den Kranich auf den Boden und bereiteten sich darauf vor, ihm die Zwangsjacke abzunehmen. Am Morgen hatten sie einige seiner Schwungfedern zusammengenäht, um seinen Flug zu verlangsamen. Wenn Wayland nicht eingeschritten wäre, hätten sie ihm auch noch die Augen zugenäht. Dann wäre der Kranich geradewegs Richtung Sonne aufgestiegen.

«Ich lasse den Falken nicht auf einen blinden Vogel fliegen», erklärte Wayland Ibrahim. «Du hast mir selbst gesagt, wie schwer es war, einen Kranich zu fangen. Also versuchen wir, mit diesem Test die Wettkampfbedingungen so gut wie möglich nachzustellen.»

Ibrahim und er warteten ungefähr einen Pfeilschuss entfernt in Windrichtung. Es war ein bewölkter Tag, und von Norden wehte eine leichte Brise. Gute Flugbedingungen. Der Falke war ungeduldig. Vielleicht zu ungeduldig. Er zerrte an seinen Fußfesseln, konnte den Flug nicht erwarten.

Die Gesellen nahmen dem Kranich die Fesseln ab. Einer von ihnen hielt ihm den Schnabel zu. Dann hob er die Hand, um zu signalisieren, dass sie bereit waren. Wayland nickte dem Falkenmeister zu. Die Gesellen traten von dem Kranich zurück, und er erhob sich nach ein paar Schritten in die Luft. Ibrahim trieb ihn mit Rufen und wedelnden Armen zum Flug gegen den Wind. Der Kranich fand seinen Rhythmus und begann zu steigen. Ibrahim legte Wayland die Hand auf den Arm und verstärkte dann seinen Griff.

«Jetzt!»

«Noch nicht.»

Wayland wartete, bis der Kranich auf etwa fünfzig Fuß Höhe war, bevor er versuchte, dem Falken die Haube abzunehmen. Der Vogel war so ungestüm, dass er sich in Waylands Hand krallte und mit dem Kopf ruckte. Es gelang Wayland nicht, die Halterung der Haube zu lösen. Bis er es endlich geschafft hatte, war der Kranich noch weitere hundert Fuß aufgestiegen.

Wayland hatte sich schon oft gefragt, wie ein Falke, der aus vollkommener Dunkelheit entlassen wurde, so blitzschnell reagieren konnte. Der Vogel stieß sich von seiner Faust ab und flog niedrig über die Ebene, bevor er mit dem Steigflug begann. Der Kranich sah ihn und schraubte sich noch steiler empor. Dort oben war der Wind stärker als am Boden, und der Auftrieb wurde beschleunigt. Wayland biss sich auf den Zeigefingerknöchel. Er hatte den Falken zu spät losgelassen. Nun flog er zwar etwa doppelt so schnell wie der Kranich empor, doch er nahm eine etwas andere Bahn und hatte noch lange nicht genügend Höhe erreicht, um über seine Beute zu dominieren. Jeden Augenblick würde der Kranich seinen Vorteil nutzen und sich hoch über dem Falken in den Wind drehen.

Da! Der Kranich drehte sich in die Windrichtung, und der Falke war immer noch gute hundert Fuß unter ihm. Ibrahim schrie gequält auf, als der Kranich, die langen Beine hinter sich herziehend, über sie hinwegstrich. Er knurrte Wayland an, weil er den Falken nicht früh genug hatte fliegen lassen. Doch Wayland wandte den Blick nicht von dem Falken ab. Das Tier flog noch immer gegen den Wind, gewann Höhe, und er fragte sich, ob der Falke den Kranich überhaupt als Beute erkannt hatte. Vielleicht suchte er nach dem Drachen.