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Der Kranich hatte einen enormen Vorsprung, als der Falke unvermittelt eine Kehre flog und seinen Angriff startete. Er jagte mit weitausholenden Flügelschlägen über ihren Köpfen zurück, immer noch in niedrigem Winkel steigend, und auch dann noch weiter in die Höhe steigend, als Wayland ihn vor der Unendlichkeit des Himmels nicht mehr ausmachen konnte.

Ibrahim war den Tränen nahe, als sie sich auf die Suche machten. Beute verloren, Falke verloren. Wenn Wayland doch nur auf ihn gehört hätte. Wenn der Ungläubige doch nur nicht das Schicksal herausgefordert hätte, weil er glaubte, es beherrschen zu können. So ging es immer weiter, bis ihn die vielen Meilen auf der verlassenen Ebene zum Verstummen brachten.

Sie fanden den Gerfalken, der sich an dem Kranich gütlich tat, eine Leuge von der Stelle entfernt, an der ihn Wayland hatte fliegen lassen. Er hatte sich den Kropf schon recht vollgestopft und mantelte, als Wayland ihn aufnehmen wollte. Wayland zog ihm die Haube über den Kopf und reichte ihn Ibrahim. Dann begutachtete er die Beute, weil er herausfinden wollte, wie der Falke sie erlegt hatte. Ein Flügel hing lose im Gelenk. Dort hatte der Falke den Kranich mit voller Fluggeschwindigkeit getroffen, sodass er sich nicht mehr in der Luft hatte halten können. Wayland sah sich den Hals des Kranichs an, weil er erwartete, dort den Nackenbiss zu finden, mit dem der Falke den Kranich getötet hatte. Doch der Hals war unverletzt. Er fuhr mit der Hand durch die Körperbefiederung des Kranichs und zeigte Ibrahim, was er dort entdeckte. Der Falkenmeister stieß einen erstaunten Ruf aus und winkte seine Gesellen zu sich. Der Falke hatte dem Kranich auf der rechten Seite die meisten Rippen gebrochen und sein Leben mit einem einzigen reißenden Hieb seines Krallenfußes ausgelöscht.

«Yildirim», sagte Ibrahim. Er deutete zum Himmel hinauf und zeichnete mit den Fingern einen Zickzackblitz in die Luft, den er mit einem Explosionsgeräusch untermalte. «Yildirim.»

«Donnerschlag», sagte Wayland und nickte. Der Vogel des Thor, Kriegsgott des eisigen Nordens, der den tödlichen Hammer niederfahren ließ. «Das ist ein guter Name.»

Auf dem Weg zurück neigten die Seldschuken ihre Gesichter dem Himmel entgegen und sangen Preislieder auf den Falken. Wayland stimmte nicht mit ein. Es wurde Abend, und als er weit vor sich die Feuer des Zeltlagers in der Dunkelheit leuchten sah, zügelte er sein Pferd und ließ sich mit einem Seufzer auf den Hals des Tieres sinken.

«Warum ein so trauriges Gesicht?», fragte Ibrahim.

«Es hat nichts mit dem Falken zu tun.»

Beide hatten nur eine ungefähre Ahnung, was der andere sagte. Ibrahim sah Wayland forschend an. «Du bist ein seltsamer Jüngling. Immer machst du die Dinge komplizierter, als sie sein müssen. Das Schicksal wird auf deinem Lebensweg genügend Schwierigkeiten und Kummer für dich bereithalten, ohne dass du dir auch noch selbst welche machst.» Er hob mahnend den Zeigefinger. «Fordere das Schicksal nicht heraus, indem du den Falken morgen fliegen lässt. Gib ihm etwas Leichtes zu fressen, ohne einen Köder auszuwerfen. Lass den Vogel seinen heutigen Sieg noch frisch im Gedächtnis haben, wenn er die Schwingen zu dem Duell ausbreitet.»

L

Die Zeltwände bebten in der leichten Brise. Wayland schlug die Klappe zurück und trat hinaus. Über Nacht hatte sich eine pudrige Schneeschicht übers Land gelegt, doch nun war der Himmel klar, die Sterne funkelten in der schwarzen Unendlichkeit und warfen einen eisigen Schimmer auf die Zwillingsgipfel im Süden. Ibrahim kniete den Bergen zugewandt auf der Erde und warf sich im Gebet nieder. Die Brise, die über die Wände der Zeltstadt strich, war so schwach, dass Wayland sie kaum spüren konnte.

Ibrahim rollte seinen Gebetsteppich zusammen und ging zurück Richtung Zelt. Er rief Gottes Segen auf sie herab, und Wayland sprach die Worte nach. Dann blinzelte er in den Himmel hinauf.

«Ideale Bedingungen für Sakerfalken.»

Ibrahim machte eine wegwerfende Geste. «Pah! Wie geht es dem Donnerschlag?»

«Ich habe ihn noch nicht gesehen. Ich dachte, ich sollte ihn so lange wie möglich schlafen lassen.»

«Und du? Hast du gut geschlafen?»

Wayland lächelte. «Ich habe den größten Teil der Nacht damit zugebracht, den Wettkampf in meinem Kopf auszufechten.»

Zusammen gingen sie zu dem Gerfalken. Der Vogel erkannte Waylands Schritt schon aus der Entfernung und begrüßte ihn mit einem leisen chup. Als Wayland näher kam, fächerte der Falke voller Vorfreude die Schwingen auf und sprang auf seine Faust. Das Tier schien auch nicht enttäuscht, dass er kein Futter mitgebracht hatte. Wayland ließ ihn an seinem Finger knabbern.

«Wird der Emir ihn selbst fliegen lassen?»

«Nein. Du trägst ihn und lässt ihn auf den Befehl des Emirs los. Wenn er gewinnt, wird der Emir den Ruhm ernten. Wenn er versagt, trägst du die Schuld.»

Wayland streichelte dem Falken den Kopf. «Er ist kampfbereit, wahrscheinlich so sehr wie nie mehr in seinem Leben.»

«Nicht ganz. Ich habe ein besonderes Tonikum, das ihn noch weiter anstacheln wird.»

«Er braucht keine Aufputschmittel. Ich werde ihm ein Bad anbieten. Es wäre eine Katastrophe, wenn er wegfliegen würde, weil er nach Wasser sucht.»

Da tauchten gähnend die Unterfalkner auf, begannen Lockvögel vorzubereiten und trugen die Saker hinaus ins Freigehege. Der Emir würde sie am Vormittag jagen lassen. Der Wettkampf zwischen den Kranichjägern war der letzte Programmpunkt des Tages.

Beim ersten Tageslicht trug Wayland den Gerfalken ins Freie. Als die Sonne aufgegangen war, badete der Vogel genüsslich, tauchte den Kopf unter Wasser, hockte sich hinein und schüttelte sich wie ein Hund. Danach flatterte er auf seinen Sitzblock und ließ eine Weile seine Schwingen herabhängen, bevor er begann, sich das Gefieder zu putzen.

Wayland schlüpfte achtsam in das Kostüm, das man für ihn angefertigt hatte. Ibrahim stand dabei und schaute zu. Schließlich nickte er anerkennend und setzte Wayland einen pelzverbrämten Hut auf, bevor er hinausging. Wayland setzte sich auf sein Bett und versuchte, seine Aufregung zu bezwingen. Ständig musste er husten, als hätte er ein Haar in der Kehle. Erleichtert sprang er auf, als ein Hornsignal verkündete, dass die Wettkämpfe beginnen sollten. Er schob dem Falken die Haube über den Kopf, stieg auf sein Pferd und ritt mit Ibrahim und den Unterfalknern zu der Freifläche in der Mitte des Zeltlagers. Als er bei der Arena ankam, zuckte er zurück. Tausend bewaffnete und mit Rüstungen angetane Reiter wimmelten dort durcheinander. Es wirkte mehr wie eine Musterung bei der Armee und nicht wie eine Jagdgesellschaft.

Lächelnd ritt Vallon aus der Menge heraus auf ihn zu. «Willkommen, Fremder. Wir haben von deinen Erfolgen gehört. Nicht viele Falkner töten beim ersten Versuch einen Kranich.»

«Es war keine faire Jagd. Das Beutetier war geschwächt worden.»

Vallon ritt mit Wayland ein wenig zur Seite. «Ich weiß, dass dir dieser Wettkampf sehr viel bedeutet. Und das sollte er auch, nach all der Vorbereitung, die du hineingesteckt hast. Aber es geht um mehr. Ich habe es dir nicht früher gesagt, weil ohnehin nichts Suleiman dazu gebracht hätte, die Herausforderung zurückzunehmen.»

«Ich will nicht, dass der Wettkampf abgesagt wird.»

«Suleiman hat an dem Abend, an dem er dem Wettkampf zugestimmt hat, Bedingungen gestellt. Wenn du gewinnst, ziehen wir mit einer Belohnung weiter. Wenn du verlierst, dann verlierst du deine Freiheit.»

«Ich verstehe nicht.»

«Wenn du verlierst, wirst du Walters Sklave.»