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Drax schüttelte Hero. «Bewegst du dich, bist du tot.» Dann ließ er ihn los, hob sein Schwert und seine Fackel und beschrieb damit sinnlos Fächerbewegungen, um besser zu sehen. «Fulk? Roussel?»

Irgendwer stöhnte.

«Fulk, bist du das? Herr im Himmel, nun antworte schon!»

«Ich glaube, mein Handgelenk ist gebrochen.»

«Wo ist Roussel?»

«Der Franke hat ihm mein Schwert an die Kehle gelegt.»

«O zum Teufel.»

«Was ist da los?», rief Drogo.

Drax wandte sich um. Hero hörte ihn schlucken. «Der Franke muss sich befreit und Fulks Schwert an sich gerissen haben.»

Da erklang Vallons Stimme aus dem dunklen Nichts. «Drogo, ich habe deine Männer in meiner Gewalt. Lass meinen Diener gehen.»

«Tut nichts ohne meinen Befehl», brüllte Drogo. Als Vorbote seiner Wut begann die Brücke zu zittern. Hero schrak zurück, als er vorbeigaloppierte. Auf der anderen Seite angekommen, stellte sich Drogo in den Steigbügeln auf und erhob seine Fackel. In ihrem schwachen Licht sah Hero Vallon, der mit einem Schwert bewaffnet war und Roussel im Würgegriff hielt. Fulk hatte sich zusammengekrümmt und hielt sich die Schulter.

«Es war nicht meine Schuld», stöhnte er. «Roussel ist ausgerutscht und hat mich dabei angestoßen. Der Franke hat den Vorteil genutzt und …»

«Schweig! Um euch feige Schwachköpfe kümmere ich mich später.» Drogo galoppierte auf Vallon zu. «Und was dich angeht …»

Vallon zog sich ein paar Schritte zurück und benutzte Roussel als Schild. «Wir haben keinen Streit.»

«Keinen Streit?» Die Kluft zwischen dieser Behauptung und seinem Zorn machte Drogo sprachlos. Als er seine Stimme wiedergefunden hatte, klang sie anders, kehlig, blutdürstig. «Das kannst du noch einmal sagen, wenn du vor mir auf dem Boden liegst und ich dir meinen Fuß auf den Nacken stelle.»

Vallon schob seine Geisel von sich und ging in Verteidigungsstellung. Behindert von Fackel, Schwert und Schild, musste Drogo sein Pferd mit den Knien lenken. Er ritt einen Kreis um Vallon, zuerst in die eine, dann in die andere Richtung. Der Schnee fiel so dicht, dass Hero nur schemenhafte Bewegungen erkannte.

«Du steigst besser ab», sagte Vallon. «Du kannst nicht kämpfen, wenn du die Hände nicht frei hast.»

Drogo wusste selbst, dass Vallon recht hatte. «Drax, komm mit der Fackel her.»

Drax fluchte und schleppte Hero mit. Drogo ritt auf ihn zu und beugte sich vom Pferd, um ihm seine Fackel zu geben.

«Herr, ich kann den Gefangenen bewachen oder die Fackeln halten, aber beides zugleich kann ich nicht tun.»

Wütend trat Drogo nach ihm. «Beim Blute Christi, bin ich denn nur von Kretins umgeben? Schneid ihm die Kehle durch!»

Drax betrachtete Hero, schüttelte beinahe mitleidig den Kopf, und hob sein Schwert.

«Das würde ich nicht tun», sagte Vallon. «Dahinten nähern sich Lichter.»

Hero riskierte einen Blick über die Schulter. Ein Schimmern, das im Schneetreiben heller wurde, entpuppte sich als mehrere auf und ab tanzende Fackeln.

«Lass sie kommen», knurrte Drogo. «Wir haben keinen Grund, uns zu verstecken. Einen Normannen anzugreifen ist ein Kapitalverbrechen. Je mehr Zeugen, desto besser.»

«Einschließlich deiner Mutter?», sagte Vallon.

«Meine Mutter? Was hat meine Mutter damit zu tun?»

Vallon nahm eine entspanntere Haltung ein. «Ich glaube, sie kommt gerade, um uns Gesellschaft zu leisten.»

Fünf Reiter ritten hintereinander an Hero vorbei. Vier waren Soldaten, der letzte eine kleine Gestalt, die von Kopf bis Fuß eingemummt war. Drogo fluchte leise.

«Warum wurde Alarm geschlagen?», wollte die Frau wissen. «Wer ist dieser Mann? Was geht hier vor?»

Drogo ritt zu ihr. «Milady, Ihr solltet bei solch üblem Wetter nicht draußen sein. Ihr werdet Euch die Zips holen.»

«Antworte auf meine Frage.»

«Das sind Diebe. Fremde Dunkelmänner mit gestohlenem Gut.»

«Mit den Auslösebedingungen für Euren Sohn», sagte Vallon.

«Eine Fälschung. Sobald ich einen Beweis von ihm gefordert habe, hat er sich auf uns gestürzt. Er hat Fulk verletzt und ihm sein Schwert entrissen. Seht ihn Euch nur an, wenn Ihr mir nicht glaubt.»

«Zeig mir die Dokumente.»

«Milady, falsche Hoffnungen werden nur wieder die alten Wunden aufreißen. Ich habe zu viel Respekt vor Eurer Trauer, als dass ich solchem Abschaum gestatten könnte …»

«Ich komme mit meiner Trauer schon zurecht. Du wirst nun deinen Vater aufsuchen. Und jetzt gib mir die Dokumente.»

Drogo klatschte ihr das Päckchen in die Hand.

«Wenn diesen Fremden irgendein Leid geschieht, wirst du das vor dem Grafen verantworten.» Sie ließ ihr Pferd wenden und begann, durch den Schnee zurückzureiten. «Und lass ihn nicht warten. Du weißt ja, wie er ist, wenn er getrunken hat», rief sie Drogo über die Schulter zu.

Drogo rammte sein Schwert in die Scheide und ritt zu Vallon. Schwer atmend sah er auf den Franken hinab, dann beugte er sich vom Pferd und schlug ihm den Arm in der Kettenrüstung so heftig ins Gesicht, dass Vallon rücklings zu Boden stürzte.

«Glaub ja nicht, wir wären miteinander fertig.»

Vallon rappelte sich auf. Er spuckte Blut, wischte sich den Mund ab und grinste Drogo wölfisch an. «Jetzt weiß ich wenigstens, woher du dein Temperament hast.»

Mit nacktem Hass starrte Drogo zurück. «Lady Margaret ist mit mir nicht blutsverwandt.» Er drückte seinem Pferd die Sporen in die Flanken. «Und Walter genauso wenig.»

IV

Als er vor der drohenden Schwertspitze über den Vorhof stolperte, erhaschte Hero einen Blick auf Männer mit vom Schlaf zerrauften Haaren, die ihn vom Eingang des großen Palas-Saales aus musterten. Dann schob ihn seine Eskorte durch ein weiteres Tor und den Burgberg hinauf bis zu einer Treppe am Fuß des Bergfrieds. Hinter den Holzmauern hörte er Tiere muhen. Hier also endet meine Entdeckungsreise, dachte er. In einem Kuhstall. Wie ruhmreich.

Ein Knie stieß ihn die Treppe hinauf. Blind im Schneetreiben, kletterte er weiter. Hände schoben ihn in eine Kammer. Dann wurde hinter ihm die Tür zugeschlagen. Keuchend rang er um Atem und wischte sich den Schnee aus den Augen. Am anderen Ende des Raumes, schwach von einigen Wachsstöcken in Wandhalterungen beleuchtet, wurde er vor einem Wandteppich von einer Gruppe erwartet. In der Mitte saß ein stämmiger Mann mit rundlichem, geschorenem Schädel, der nun sein Gewicht auf einen Stock stützte und sich von seinem Sitz hochstemmte. Hero zuckte zusammen. Eine grässliche Narbe teilte das Gesicht des Mannes von der Schläfe bis zum Kinn in zwei verzerrte Hälften – der Mund war schief, ein Auge erstarrt, das andere zu einem schläfrigen Spalt zusammengekniffen.

Lady Margaret saß neben ihm und ließ Sir Walters Siegelring von einer Hand in die andere rollen. Ihr Mund war entschlossen zusammengepresst, was ganz im Gegensatz zu ihrer zarten, mädchenhaften Figur stand. Ein Priester mit Hängebacken schlurfte vor. In der einen Hand hielt der die Dokumente, mit der anderen tastete er an einem Kruzifix herum, das er um den Hals trug. Hinter ihnen stand ein weiterer Mann im Schatten.

Dann stürmte Drogo vor. Er zog seinen Helm ab, und ein fleischiges Gesicht mit den Abdrücken des kalten Metalls kam zum Vorschein. Seine Augen, die unter hellen Wimpern glitzerten, drückten sowohl Wut als auch Verwirrung aus, so, als wäre es nicht das erste Mal, dass ihm Ereignisse entglitten. Auch als er vor seinem Vater angekommen war, konnte er nicht stillstehen, sondern klopfte unruhig mit dem Fuß auf den Boden und spielte mit den Fingern am Schwertgriff. «Mylord, ich wollte Euch diese Männer bringen, sobald ich sie befragt hätte.»

Mit einer Geste brachte Olbec ihn zum Schweigen. Dann heftete er seinen Blick auf Vallon. «Ihr sagt, Sir Walter lebt.» Die beiden Seiten seines Mundes bewegten sich merkwürdig unzusammenhängend.