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»Ich möchte nur sagen«, fuhr Colgu geduldig fort, »daß es jetzt in den fünf Königreichen viele Angehörige des Klerus gibt, die den Eid des Zölibats ablegen. Und diese Bewegung gewinnt an Einfluß. Die Tatsache, daß du, Prinzessin der Eoghanacht, einen sächsischen Mönch geheiratet hast, ein Kind zur Welt gebracht hast und anderen Nonnen damit ein Beispiel bist, könnte von diesen Gruppierungen als Provokation aufgefaßt werden. Auch aus dieser Ecke können Gefahren drohen.«

»Unsinn! Es ist ...«, fing Fidelma an, doch Eadulf unterbrach sie.

»Ich verstehe das, Colgu«, sagte er mit ruhiger, aber entschlossener Stimme. »Ehe wir nach Rath Raithlen aufbrachen, hatte ich genau darüber eine Auseinandersetzung mit Bischof Petran. Und ...«, plötzlich hielt er inne. Seine Augen wurden größer. »Wo steckt Bischof Petran eigentlich? Ich habe ihn seit unserer Rückkehr nicht mehr gesehen.«

Fidelma sah Eadulf überrascht an.

»Aber Eadulf. Er ist ein alter Mann mit starren Ansichten. Du willst doch nicht etwa behaupten, daß er .? Ich kenne ihn seit meiner Kindheit.«

Colgu lehnte sich vor, er mußte seine Erregung zurückhalten.

»Eadulf, daß ist doch genau das, was ich meine. Erzähl mir mehr über deinen Streit mit Bischof Petran.«

»Es war an dem Tag, als du uns batest, deinen Cousin Becc von Rath Raithlen zu treffen. Daran mußt du dich doch erinnern, Fidelma. Es war nicht weiter bedeutsam, aber es hat mich geärgert. Hundertmal schon habe ich das gehört. Er besteht darauf, daß wir dem Beschluß der Synode von Whitby im Jahre 664 folgen und die volle Autorität von Rom anerkennen sollen, was die Liturgie, die Tonsur und die Datumsfestlegung von Ostern betrifft. Damit stimme ich voll und ganz überein. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht. Ich habe diese Punkte in Whitby sogar unterstützt. Doch Petran geht noch weiter und meint, wir sollten die Prinzipien übernehmen, die das zweite Konzil von Tours festgelegt hat - daß diejenigen Kleriker, die man im Bett mit ihren Frauen vorfindet, für ein Jahr aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen werden sollten. Er hofft, daß das nächste große Konzil der westlichen Bischöfe festlegen wird, daß alle Kleriker den Eid des Zölibats ablegen sollen.«

Nun schwiegen sie.

»Es wäre sicher gut, Bischof Petran weiter im Auge zu behalten«, sagte Colgu schließlich mit leiser Stimme. »Es ist allgemein bekannt, daß er ein Frauenhasser und ein führender Verfechter der Idee ist, daß der Klerus zölibatär leben sollte. Als er erfuhr, daß im Hinterland des Königreiches, wie in Gallien und Britannien, immer noch Frauen als Priesterinnen ordiniert wurden, verlangte er von mir, einen Kreuzzug anzuführen, um die Gottlosen zu vernichten. Ich sagte ihm, daß die Frage, wer ins kirchliche Amt berufen wird und wer nicht, die Bischöfe zu klären hätten und nicht ich in meinem weltlichen Amt.«

Eadulf zog überrascht eine Augenbraue hoch. »Ich dachte, daß schon vor drei Jahrhunderten auf dem Konzil von Laodicea festgelegt wurde, daß Frauen nicht die Messe lesen dürfen.«

»Was festgelegt wird, ist eine Sache, die Umsetzung eine andere«, erklärte Fidelma. »Brigid ist nicht nur selbst von Mel, dem Sohn von Darerca, die die Schwester von Patrick war, zur Priesterin geweiht worden, sondern ihr wurde auch bischöfliche Macht verliehen. Hilda, die du in Whitby getroffen hast, ist sogar Bischöfin geworden. Und es gibt in Gallien immer noch viele Frauen, die die Messe abhalten dürfen.«

»Man sollte Bischof Petrans Zorn nicht unterschätzen. Er mag zwar alt sein, aber er hat Einfluß und Anhänger«, sagte Colgu.

»Jemanden, der so streitsüchtig ist wie Petran, kann man kaum unterschätzen«, erwiderte Eadulf düster.

»Ich gebe offen zu, der Petrinischen Theorie anzuhängen - ich wohnte im Namen der pro-römischen Schule der Synode von Whitby bei. Dennoch unterstütze ich nicht diese Gruppierung von Asketen, die Anhänger jener Leute sind, die sich zuerst auf dem Konzil von Elvira zusammengefunden hatten und die Meinung vertraten, daß sich der ganze Klerus dem Zölibat unterzuordnen hätte.«

Colgu runzelte die Stirn. »Die Petrinische Theorie?« fragte er.

»Diese Theorie haben zum erstenmal die Bischöfe von Rom, Innozenz und Celestinus, vor zwei Jahrhunderten formuliert: Rom hat das Recht, über alle anderen Kirchen des Christentums zu herrschen. Deshalb nennt man den Bischof von Rom das Oberhaupt aller Gläubigen und Nachfolger Petri - den Papst«, erklärte Fidelma.

»Ich unterstütze diese Theorie aus den Gründen, die in Whitby verkündet worden sind«, fügte Eadulf hinzu. »Uns wird gelehrt, daß Petrus der Fels ist, auf den Christus die Verantwortung für Seine Kirche auf Erden übertragen hat. Und in Rom hat Petrus jene Kirche gegründet, wie wir gelernt haben. Rom hat also das Recht .«

Fidelma stieß einen lauten Seufzer aus.

»Jetzt ist der falsche Zeitpunkt für theologische Debatten. Mein Bruder hat festgestellt, daß Leute wie Bischof Petran auf Grund ihrer religiösen Ansichten Anlaß haben könnten, uns und unser Kind zu hassen. Ist das richtig?«

Colgu nickte. »Ich muß hinzufügen, daß ich da nicht nur Petran allein im Blick habe, sondern auch andere, die wie er denken und möglicherweise diesen Haß zu weit treiben. Unter solchen Leuten gibt es immer Fanatiker.«

Eadulf blickte sie verdrießlich an. »Petran ist schon fanatisch genug. Bei unserem Streit wurde er fast handgreiflich.«

»Wie bitte?« Fidelma war ganz erstaunt und beugte sich vor. »Das hast du mir nie erzählt.«

»Als er sich im Zusammenhang mit seinen Ansichten über den Zölibat über die Frömmigkeit der Bischöfe von Rom ereiferte. Da mußte ich ihm entgegenhalten, falls der heilige Hormidas, Bischof von Rom, nicht mit seiner Frau geschlafen und einen Sohn gezeugt hätte, Rom nicht den heiligen Silverius auf Petrus’ Thron erlebt hätte. Er konnte sich in seiner Entrüstung kaum beherrschen und versuchte abzustreiten, daß überhaupt jemals ein Bischof Roms eine Frau geheiratet hatte, von eigenen Kindern ganz zu schweigen. Nun«, erläuterte Eadulf weiter, der sich für das Thema erwärmt hatte, »selbst Innozenz, der erste seines Namens, der Bischof von Rom wurde und der die Petrinische Theorie aufgestellt hat, war Sohn des Anastasius, der ebenfalls ab 399 Bischof von Rom war, und .«

»Hält sich Bischof Petran zur Zeit in Cashel auf?« unterbrach Fidelma Eadulfs Redefluß.

Colgu schüttelte den Kopf. »Bischof Ségdae hat ihn zu den westlichen Inseln gesandt. Vor einer Woche ist er aufgebrochen.« »Damit scheidet Petran aus«, sagte Fidelma zufrieden.

»Aber Petran hat Anhänger, und da er so starre Ansichten hegt und eine Gruppe von Fanatikern anführt, sollte man unbedingt ein Auge auf ihn haben. Ich werde Finguine anweisen, routinemäßig die Unterkünfte der Geistlichen in der Burg zu durchsuchen.«

»Ich glaube kaum, daß wir da etwas Nützliches finden werden. Falls nämlich dieses Verbrechen geplant und vorbereitet wurde, hätten der gewissenhafte Pe-tran und seine Leute keinen einzigen Beweis hinterlassen«, stellte Fidelma skeptisch fest.

»Das stimmt, aber auch der klügste Kopf kann manchmal das Offensichtlichste übersehen«, gab Colgu zu bedenken.

»Ich denke, wir sollten aufbrechen, ehe noch mehr Zeit verstreicht«, sagte Fidelma und erhob sich.

»Du willst immer noch mit den Pilgern in Imleach reden?« erkundigte sich Colgu.

»Vorerst bleibt uns nur das.«

»So wird euch Capa begleiten. Ich sagte ihm ja schon, er solle sich bereithalten.«

Fidelma und Eadulf blickten sich an.

»Meinst du wirklich, daß wir uns in Gefahr begeben, Bruder?« fragte sie ruhig.

»Aus ebenjenen Gründen, über die wir uns gerade unterhalten haben, Schwester«, erwiderte Colgu ernst.

Einen Augenblick dachte Eadulf, Fidelma würde sich mit ihrem Bruder streiten. Er wußte, wie sehr es ihr mißfiel, von bewaffneten Kriegern begleitet zu werden, auch wenn es zu ihrem Schutz geschah. Doch Fidelma zuckte nur mit den Schultern.