Выбрать главу

»Kurz vor der Abtei. Wir fünf, also die ursprüngliche Gruppe, gingen zur Abtei, er aber zog weiter nach Westen.«

»War der sechste Pilger klein, und trug er eine Glocke?«

»Ja, allerdings. Er war kleinwüchsig - wie ein Zwerg. Wegen seiner Krankheit hielten wir uns immer ein wenig von ihm entfernt, aber das schien ihm nichts auszumachen.«

»Ein Zwerg?« Fidelmas Augen blitzten bei dem Wort auf. »Und er war männlich?«

»Uns gegenüber nannte er sich Forindain.«

»Er hat sprechen können?« fragte Eadulf überrascht. Caol hat gesagt, daß der Kleinwüchsige, der zur Burg kam, stumm gewesen sei.

Bruder Buite blickte ihn an. »Warum sollte er nicht sprechen können?«

Fidelma warf Eadulf einen warnenden Blick zu und schüttelte leicht den Kopf.

»Wo hat sich Forindain deiner Gruppe angeschlossen?« fragte sie.

»Erst in Cashel.«

»Hat er dort im Gasthof übernachtet?«

»Nein, ich glaube nicht. Er hat wohl im Stall geschlafen.«

»Woher weißt du das?«

»Ehe wir uns hinlegten, sah ich ihn in der Gaststube essen. Da hatte er keine Glocke bei sich, die auf seine ansteckende Krankheit hinwies. So ein Verhalten widerspricht den Gesetzen des Glaubens. Am nächsten Morgen als wir aufbrachen, sah ich ihn im Hof wieder. An seinen Kleidern hing Stroh. Und diesmal trug er die Lepraglocke. Da fiel mir erst auf, daß er aussätzig war. Habe ich die Gesetze übertreten, als ich ihm erlaubte, mit uns zu gehen, Lady?«

Fidelma lehnte sich zurück und schaute genau Bruder Buite ins Gesicht.

»Du bist besorgt wegen meiner Fragen, Bruder Buite. So will ich dir verraten, warum ich sie stelle. Sarait, die Amme, wurde durch eine Nachricht, die ein Kind überbracht hat, aus der sicheren Burg meines Bruders fortgelockt. Diese Nachricht war falsch. Der Überbringer soll klein und untersetzt gewesen sein. Der Wächter meinte, ein Kind gesehen zu haben. Ich schätze aber, daß er den Zwerg gesehen hat, der mit dir weitergezogen ist. Falls das so ist, müssen wir mit diesem Forindain sprechen.«

Bruder Buite blinzelte. »Ist Sarait die Amme, die umgebracht wurde?« fragte er überrascht. »Jene Sarait, die mit Callada verheiratet war?«

»Kanntest du sie?« fragte Eadulf.

Bruder Buite senkte den Kopf. »Ich bin ihr nur einmal begegnet. Ich kannte ihren Mann Callada. Er war sehr beliebt. Er hat bei Cnoc Äine gekämpft und ist dort gefallen. Ich traf Sarait, als sie nach seiner Leiche suchte. Ich wußte nicht, daß sie diese Amme war.«

»Weißt du eigentlich, wie Callada starb?«

Bruder Buite blickte Eadulf mißtrauisch an, der die Frage gestellt hatte.

»Du meinst, ob ich von den Gerüchten gehört habe, die sich nach der Schlacht verbreiteten? Gerüchte, daß er mit einem Speer der Eoghanacht im Rücken gefunden worden sei? Ja, ich habe davon gehört. Cathalan hat uns befehligt und uns klargemacht, daß ein Speer keine Treue kennt, sondern daß vielmehr der, der ihn wirft, treu ist oder nicht. Jeder - ob nun von den Ui Fidgente oder von den Eoghanacht - konnte den Speer aufgehoben und Callada damit getötet haben. Aber ich weiß, daß sich die Gerüchte gehalten haben.«

»Sag uns nun, wie du und deine Pilger mit diesem Zwerg zusammengekommen seid, der sich Forindain nennt«, bat ihn Fidelma.

»Ich werde dir erzählen, was ich weiß, Lady«, erwiderte der ehemalige Krieger. »Meine Gefährten und ich waren gerade in Cashel eingetroffen, da hörten wir, daß Bischof Ségdae sich auch dort aufhielt. So gingen wir zur Burg und baten um seinen Segen und die Erlaubnis, unsere Pilgerreise zu den Reliquien des heiligen Ailbe fortsetzen zu dürfen. Dann wanderten wir weiter zu dem besagten Gasthof und nahmen etwas zu uns, ehe wir uns in einen Schlafraum zurückzogen. Wie ich schon sagte, sah ich dort den Zwerg zum erstenmal, aber nichts deutete darauf hin, daß er leprakrank war. Am nächsten Morgen erschien Prinz Finguine im Gasthof und fragte, ob uns nachts etwas aufgefallen sei. Einige von uns waren wach geworden von dem Lärm der Krieger, die nach dem Kind suchten. Von ihm erfuhren wir von dem Mord und der Kindesentführung. Als Prinz Finguine wieder fort war, ging ich in den Hof und stieß auf den Zwerg. Er war klein und untersetzt und von Kopf bis Fuß in einen Umhang gehüllt. Er sagte mir, daß er Forindain hieße und die Straße nach Imleach nehmen wolle. Als ich ihm unser Ziel nannte, bat er darum, sich uns anschließen zu dürfen. Doch er warnte mich davor, ihm nahe zu kommen, denn neben seinen Verwachsungen aus der Kindheit trug er auch den Fluch der Leprakrankheit. Ich sagte, daß er sich uns selbstverständlich anschließen dürfe, da vor Gott alle gleich seien.«

Bruder Buite hielt einen Moment inne.

»Der Zwerg fragte uns, wann wir nach Imleach aufbrechen würden. Als ich sagte, daß wir nach dem Frühstück bereit wären, erwiderte er zufrieden, daß ihm das recht sei, denn er müsse noch etwas anderes erledigen. Als wir dann losgehen wollten, stand er schon im Hof und folgte uns in einigem Abstand. Auf diese Weise gelangten wir nach Imleach.«

»Hat euch dieser Forindain seine Herkunft verraten?« fragte Eadulf. »Hat er euch irgend etwas über sich erzählt?«

Bruder Buite schüttelte den Kopf. »Ich konnte nur feststellen, daß er wohl aus dem Königreich Laigin stammen mußte.«

»Sonst hast du nichts über ihn erfahren?«

»Er hat sich von uns ferngehalten. Immer wenn ihm jemand zu nahe kam, schwenkte er warnend die Glocke. Wir hatten mit uns selbst zu tun und ließen ihn allein hinter uns hertrotten.«

»Was für ein Mensch war der Kleinwüchsige?« wollte Fidelma wissen. »Fröhlich, aus sich herausgehend, traurig, mürrisch, guter Laune, schlechter Laune?«

Bruder Buite zuckte mit den Schultern. »Das ist schwer zu sagen. Er war nicht gerade redselig, soviel steht fest. Und er ließ immer die Kapuze auf dem Kopf. Eigentlich habe ich sein Gesicht nie richtig gesehen. Er hielt sich stets im Schatten auf. Trotz seines ruckartigen Ganges lief er ziemlich zügig. Er hat kurze klobige Hände - kräftige Hände. Oh, das hätte ich fast vergessen. Als er sprach, lispelte er, als wäre seine Zunge zu groß für seinen Mund.«

»Wie kam es, daß dieser Forindain euch verließ?« fragte sie.

»Ich glaubte, daß er zusammen mit uns zur Abtei wollte, schließlich hatte er ja gesagt, daß er auch die Straße nach Imleach nähme. Doch vor der Stadt verabschiedete er sich ohne viel Aufhebens von uns. Ich fragte ihn, wo er denn hin wolle. Er meinte, weiter nach Westen. Also trennten wir uns von ihm an der Kreuzung vor der Stadt. Dort sahen wir ihn zum letztenmal, und damit war er uns auch aus dem Sinn.«

»Und wann war das?«

»Vor genau drei Tagen.«

Fidelma schwieg eine Weile. Sie nickte nur. Dann lächelte sie auf einmal.

»Du hast uns sehr geholfen, Bruder Buite. Ich werde dich und deine Gefährten nicht weiter aufhalten.«

Bruder Buite zögerte. »Glaubst du, dieser Forin-dain hat etwas zu tun mit der Ermordung von Sarait und der Entführung deines ...?« Er stockte.

Fidelmas Stimme war ohne jede Emotion. »Zu glauben bedeutet das, was einem erzählt wurde, als wahr zu betrachten. Es bedeutet, überzeugt zu sein, ohne einen letzten Beweis zu haben. Aber das ist nicht die Aufgabe einer ddlaigh, Bruder Buite aus Magh Ghlas. Zur Wahrheit gelangt man über Fakten und nicht durch bloßes Glauben.«

Bruder Buite errötete ein wenig. Eadulf sagte rasch: »Wir verfolgen jede Spur, ganz gleich wie undeutlich und wenig erfolgversprechend sie sein mag. Dabei hoffen wir immer, auf entscheidende Dinge zu stoßen. Dieser Forindain könnte uns einige Fragen beantworten, das ist alles. Vielen Dank für deine Hilfe.«

Eadulf lächelte Bruder Buite ermutigend an, und der erwiderte sein Lächeln, ehe er von Bruder Madagan hinausgeleitet wurde. Eadulf meinte zu Fidelma: »Nun, zumindest wissen wir jetzt, daß der Zwerg Forindain nicht jene Person ist, die Caol am Tor gesehen hat.«