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»Und man hat keinen mit einem Baby gesehen?«

Fiachrae wunderte sich. »Hast du Anlaß zu glauben, daß diese Schauspieler dein Kind entführt haben?«

»Wir haben Anlaß zu der Annahme, daß ein Zwerg damit zu tun hat«, erwiderte Eadulf kurz, denn er war sich nicht sicher, ob Fidelma ihm darin zustimmte.

»Nun, sie haben keine Kinder bei sich. Sie sind auch nicht aus Cashel gekommen, sondern von Cluain Mic Nois und Tir dha Ghlas, aus dem Gebiet der zwei Flüsse gleich nördlich von Imleach.«

»Du scheinst ja über ihre Reisen gut im Bilde zu sein.«

Fiachrae lächelte ein wenig. »Das muß ich, mein Freund. Ich kann dich mal auf den Gipfel des Berges hinter uns mitnehmen und dir zeigen, wo das Land der Ui Fidgente beginnt.«

»Liegt es so nah?« Eadulf hatte immer gemeint, das Gebiet der Ui Fidgente läge vor allem westlich.

»Cnoc Äine, wo wir vor knapp zwei Jahren die Ui Fidgente besiegt haben, liegt nur fünf Kilometer von hier entfernt. Wir sind hier im Grenzgebiet des streitsüchtigen Stammes, der immer wieder Ränke schmiedet gegen die Herrschaft der Eoghanacht. Schon allein deshalb muß ich mich für alle Reisenden interessieren, die mein Land passieren. Mein Volk weiß das und ist angehalten, mir von allen Fremden zu berichten, die in das Land der Ui Fidgente weiterziehen.«

Eadulf lehnte sich neugierig vor. »Dann weißt du also, wer in den letzten Tagen hier durchgekommen ist?«

Fiachrae lächelte selbstzufrieden. »So ist es. Ich kann dir zum Beispiel von einem ganz merkwürdigen Reisenden berichten, der mit einem Mönch aus dem Königreich der Ui Néill im Norden unterwegs ist. Er konnte kaum unsere Sprache, beherrschte aber dafür mehrere andere Sprachen, darunter auch Griechisch und Latein.«

»Ach, von denen habe ich schon gehört«, bemerkte Eadulf. Doch der Fürst ließ sich nicht unterbrechen.

»Bruder Basil Nestorios, so hieß er«, fuhr er fort. »Sein Gefährte, Bruder Tanaide, erzählte mir, daß dieser Basil Nestorios ein Heilkundiger aus einem Land im Osten sei. Er prahlte, vielmehr prahlte Bruder Tanaide damit, daß der Fremde mit seinen Heiltränken und Kräutern Lepra heilen könne. Sicher handelt es sich um einen Verrückten, doch die meisten Ausländer sind ja verrückt .«

Auf einmal wurde ihm bewußt, was er da gesagt hatte, und er blickte Eadulf an, um zu sehen, ob er ihn beleidigt hätte.

»Noch jemand?« wollte Eadulf aber nur wissen. »Wir interessieren uns besonders für Leute, die ein Baby bei sich hatten.«

Fiachrae schüttelte den Kopf. »Hier ist niemand mit einem Baby durchgezogen.«

Eadulf lehnte sich enttäuscht wieder zurück.

Nun bewegte sich jemand vor dem Zelt. Fidelma trat frischgewaschen und in neuen Kleidern ein.

»Es tut mir leid, daß ich so lange fort war, Fiachrae«, sagte sie, ging zum Feuer und nahm so rasch Platz, daß Fiachrae sich nicht einmal erheben konnte.

»Keine Sorge, Cousine. Ich habe unseren sächsischen Freund mit Vorfällen aus unserer Stammeschronik unterhalten. Und wie es dazu gekommen ist, daß dieser kleine Ort hier das Wohlergehen der Eog-hanacht gesichert hat.«

Fidelma lächelte. »Die Geschichte von unserem Ahnen Fiachrae, Sohn von Eoghan? Die Geschichte von Cnoc Loinge und der Belagerung zählt zu den großen Sagen unseres Königreiches. Du hast sie schon immer gern erzählt.« Ein Anflug von Müdigkeit lag in ihrer Stimme, als kannte sie Fiachrae und seine Geschwätzigkeit zur Genüge und sei nicht gerade begeistert davon.

Der Fürst strahlte sie an und erhob sich. Er ging auf den kleinen Tisch zu.

»Ein wenig Met, um dich nach deinem Bad im Bach zu erwärmen?« bot er an.

»Ich möchte nicht undankbar erscheinen, Fiachrae, aber ich hoffe, daß Capa und seine Männer inzwischen zurück sind. Der Jahrmarkt ist doch sicher nicht sehr groß, oder?«

»Von Jahr zu Jahr wächst er, und unser Wohlstand auch. Doch inzwischen sollten die drei auf dem Markt einen Leprakranken entdeckt haben, falls einer da ist.« Sein Grinsen wurde immer breiter, als er sah, wie sie die Stirn runzelte. »Eadulf und ich haben uns sehr lange unterhalten. Er hat erzählt, wonach ihr sucht. Du mußt mir nur die entsprechenden Anweisungen geben, und wenn es in meiner Macht steht, werde ich dir helfen.«

»Du bist sehr gütig, Fiachrae.«

»Ich habe Eadulf bereits erklärt, daß ich von jedem Fremden weiß, der diesen Jahrmarkt aufsucht. Dein Bruder, unser König, hat mich nach dem Sieg bei Cnoc Äine mit der Kontrolle aller Fremden hier beauftragt. Heute ist sicher kein Aussätziger unter den Leuten. Und die Zwerge sind nur Komödianten.«

Fidelma sah Eadulf vorwurfsvoll an.

»Bestimmt hat mein fer comtha sich erkundigt, welche Fremden durch deine Siedlung gekommen sind und ob sie Babys bei sich hatten.«

Fiachrae verkniff sich ein Lachen.

»Du bist schlau wie eh und je, Cousine. Das hat er.«

Er hatte Eadulf, ohne zu fragen, einen zweiten Becher Met eingeschenkt und reichte ihm ihn. Eadulf nahm ihn dankend entgegen.

»Und wie lautete deine Antwort?« fragte Fidelma mit kalter Stimme.

»Niemand ist hier mit einem einzelnen Baby durchgezogen, das nicht zu ihm gehörte.«

Sie wollte sich schon erheben, als einer von Fiach-raes Männern ohne Ankündigung das Zelt betrat und zu ihm eilte. Er war ganz außer Atem.

»Fiachrae, es ist jemand ermordet worden«, sagte er ohne Umschweife.

Bestürzt blickte ihn der Fürst an.

»Was? Wer? Sprich schon, Mann.«

»Der Krieger aus Cashel, Capa, hat mich geschickt, um dich und Lady Fidelma zu bitten, sofort zu ihm zu kommen. Am anderen Ende des Jahrmarkts wurde eine Leiche entdeckt.«

»Capa? Ist er verletzt? Hat er oder einer seiner Männer damit zu tun?« fragte Fidelma und erhob sich ebenso wie Eadulf und Fiachrae.

Der Bote schüttelte den Kopf. »Nein, Lady, er und seine Männer haben nichts damit zu tun, nur daß sie die Leiche gefunden haben und mich baten, dich zu holen.«

»So geh voraus.«

Der Mann eilte voran. Die anderen drei folgten ihm dichtauf. Rasch liefen sie an den Jahrmarktsständen vorbei und über eine Brücke aus Planken, die über den Bach führte. Bald hatten sie den Wald aus Eiben, Stechpalmen und kahlem Schlehdorn erreicht. Caol stand an seinem Rand und winkte sie zu sich.

»Hier entlang, Lady Fidelma«, rief er.

Sie mußten nur ein kurzes Stück einen schmalen Pfad entlanggehen und gelangten zu Capa und Gor-man, der ungewöhnlich blaß aussah.

Neben dem Pfad wuchs unter einer Reihe von Eschenstümpfen Hartriegel, der immer noch herbstlich rote Stengel und hochrot gefärbte Blätter hatte. Offensichtlich waren die Eschen vor längerer Zeit gefällt worden, denn die Baumstümpfe waren alt und von ungenießbaren schwarzen Holzkohlepilzen überzogen.

Capa zeigte aufgeregt zu Boden.

»Wir haben ihn, Lady«, sagte er nur.

Es erübrigte sich zu fragen, wer gemeint war.

Die Leiche eines sehr kleinen Mannes mit großem Kopf, der in eine Mönchskutte gehüllt war, lag flach auf dem Rücken. Der kleine tote Körper war von einem grellen Ring aus unzähligen Orangebecherlingen umgeben.

Nach der Todesursache mußte nicht lange geforscht werden. Der Strick, mit dem er sein Gewand gegürtet hatte, lag noch um seinen Hals. Sein Gesicht war entstellt, die Haut war fleckig und fast schwarz, und die Zunge hing ihm aus dem Mund.

Kapitel 7

»Ruhe!« rief Fidelma gebieterisch, als mehrere auf einmal sprachen.

Sie kniete sich neben die Leiche. Der Zwerg hatte ein recht junges Gesicht und dunkle Haare, von der Tonsur eines Mönchs war nichts zu sehen. Die Leiche war noch warm, er war also noch nicht lange tot. Fidelma fiel ein glänzender Gegenstand auf, der von der Leiche halb verdeckt wurde. Sie zog ihn hervor. Es war eine Bronzeglocke mit einem Holzgriff. Sie betrachtete die Glocke eine Weile und legte sie dann neben sich. Nun schaute sie sich sorgfältig Hände und Gesicht des Toten an. Erstaunt runzelte sie die Stirn.